Alfred Finnbogason jubelt wieder
Der isländische Torjäger trifft gegen Heidenheim und meldet sich für das Spiel gegen Union Berlin. In seiner Heimat erschüttert aber ein Sex-Skandal die Nationalmannschaft
Es lief die 14. Minute in der VoithArena, als Alfred Finnbogason da stand, wo ein Torjäger stehen muss. Youngster Dominic Schmidt hatte eine Ecke von Mads Pedersen mit dem Kopf an den zweiten Pfosten verlängert und dort drückte Finnbogason den Ball mit dem Oberschenkel zur 1:0-Führung für den FC Augsburg in das Tor des 1. FC Heidenheim. Am Ende gewann der FCA gegen den Zweitligisten mit 2:1 (2:0).
Es war nur Treffer in einem Test, der nur eine Halbwertszeit von ein paar Stunden hat. Doch für den isländischen Stürmer war es ein ganz besonderes Erfolgserlebnis. „Es hat mich super gefreut, wieder einmal ein Tor zu schießen und einfach ein Spiel zu gewinnen“, sagt Finnbogason am Freitag.
Wann er denn sein letztes Pflichtspieltor für den FCA erzielt habe, wird er dann gefragt. Finnbogason wollte darüber nicht groß nachdenken: „Es ist nicht gut, so weit zurück in der Vergangenheit zu suchen. Es war keine einfache Zeit, ich blicke lieber nach vorne um das Positive aus dem Spiel mitzunehmen.“
Fast genau vor einem Jahr, am 12. September, beim 7:0-Pokalsieg gegen den MTV Eintracht Celle hatte er per Elfmeter das 3:0 markiert. Danach ging seine Verletzungsmisere wieder los. Erst zwickte es im Oberschenkel, dann folgte im Winter eine hartnäckige Wadenverletzung, die ihn fast vier Monate außer Gefecht setzte und plötzlich hatte er eine Saison ohne Ligator zu verkraften. Seit zwei Jahren ist der 32-Jährige auf der Suche nach körperlicher Stabilität.
Jetzt schien es, als könnte er beim Neustart mit dem neuen Trainer Markus Weinzierl gleich mit durchstarten. In der Vorbereitung blieb er verletzungsfrei, bestritt alle Testspiele, doch dann kam das Pokalspiel in Greifswald. Mitte der ersten Hälfte foult ihn ein Gegner am rechten Standfuß. Er knickt mit dem Sprunggelenk um, spielt aber mit einem Tape und einem Innenbandeinriss bis zur 60. Minute weiter. „Gegen solche Verletzungen kann man gar nichts machen. Es war zum Glück nur eine kleine Verletzung“, sagt Finnbogason. Für seine Verhältnisse. Doch er verpasste den Saisonstart.
Gegen Hoffenheim und Frankfurt saß er auf der Tribüne, gegen
Leverkusen 90 Minuten auf der Bank. Was er da sah, war nicht allzu erbaulich, das Ergebnis ernüchternd. Der FCA ist mit einem Punkt und 1:8 Toren Vorletzter. „Es ist schwer, schönzureden, aber es waren auch drei Gegner, die immer vor uns in der Tabelle waren. Es war nicht alles schlecht, aber sicherlich mehr drin. Aber in der Bundesliga schenkt uns keiner etwas“, ließ Finnbogason die ersten Wochen Revue passieren. „Leider geht meine Saison, erst mit einer dreiwöchigen Verspätung los.“
Aufgrund seiner Verletzungen hat er auch dem neuen isländischen Nationaltrainer Arnar Vidarsson für die WM-Qualifikationsspiele (darunter am Mittwoch gegen Deutschland) abgesagt. Das erste verlor Island zu Hause gegen Rumänien mit 0:2. Finnbogason: „Wir sind in unserer schwächsten und schwierigsten Phase der letzten fünf Jahre. Denn aus dem Kreis der 13, 14 Spieler die seit 2014 fast alle Spiele gespielt haben, waren nur noch drei in der Aufstellung. Und in einem Land wie Island kommen die
Spieler aus der zweiten Reihe eben nicht aus Gladbach oder Leverkusen.“Einer, der gerne gespielt hätte, wurde jetzt aus dem Kader gestrichen: Rekord-Torschütze Kolbeinn Sigthorsson (IFK Göteborg).
Er steht im Mittelpunkt eines Skandals, der den isländischen Fußball in seinen Fundamenten erschüttert. Hintergrund sind Vorwürfe von sexualisierter Gewalt aus dem Jahr 2017. Zwei Frauen, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, hatten damals Sigthorsson wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung angezeigt und darüber auch den isländischen Fußball-Verband (KSI) informiert. Doch anstatt sich um Aufklärung zu bemühen, haben die Verantwortlichen damals offenbar versucht, den Verdacht unter den Teppich zu kehren.
Sigthorsson hat mittlerweile in einem Statement eingestanden, die beschuldigte Person gewesen zu sein. Allerdings sei er nicht der Meinung, die Frauen sexuell belästigt oder ihnen gar Gewalt angetan zu haben. Laut Sigthorsson gab es im Frühling 2018 ein Treffen mit den beiden Frauen, bei dem er sich entschuldigt habe, schreibt die Bild. Außerdem soll er auf ihren Wunsch drei Millionen isländische Kronen (rund 20000 Euro) an eine Hilfsorganisation gezahlt haben.
Der Vorfall kam wieder an die Öffentlichkeit, nachdem Mitte August die Gleichstellungsbeauftragte des isländischen Lehrerverbands in einem Artikel über sexualisierte Gewalt im Umfeld der isländischen Nationalmannschaft schrieb. Inzwischen ist KSI-Präsident Gudni Bergsson zurückgetreten – einen Tag später folgte der Vorstand.
Darauf angesprochen wird Finnbogason einsilbig. „Es ist ein sehr heißes und empfindliches Thema in Island. Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil ich erst alle Informationen darüber haben will.“Dem isländischen Fußball droht nicht nur eine sportliche Krise.
Finnbogason will sich auf jeden Fall erst einmal auf den FCA konzentrieren. „Ich bin für die Nationalmannschaft erst wieder eine Option, wenn ich bei 100 Prozent bin. Und für mich sind 100 Prozent, wenn ich fünf, sechs, sieben Spiele hintereinander Spiele.“Die Saison könnte für ihn am kommenden Samstag bei Union Berlin beginnen: „Ich habe vor zwei Tagen 60 Minuten lang gespielt und ein Tor geschossen. Ich bin bereit.“