Die Naturschätze des Landkreises sind in Gefahr
Flächenfraß durch neue Gewerbegebiete und Straßen sowie eine Hochleistungslandwirtschaft zerstören immer mehr Lebensräume im Wittelsbacher Land, das ohnehin schon wenig Schutzgebiete vorweisen kann
Aichach-Friedberg Der 24. Mai ist der Europäische Tag der Parks. Dieser Aktionstag hat es sich zum Ziel gemacht, den Naturschutz ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Auch die Pflanzen- und Tierwelt unserer Region benötigt verstärkt Aufmerksamkeit. „Die malerisch schönen und überraschend ruhigen Flecken dürfen nicht vergessen machen, dass der Grünlandanteil im Landkreis nur noch bei 17 Prozent liegt“, erklärt Stefan Höpfel, der beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) die Kreisgruppe Aichach-Friedberg leitet. Im Bayernvergleich steht das Wittelsbacher Land schlecht da. Der Meringer Biologe Wolfhard von Thienen, der sich in den verschiedensten Umweltschutzorganisationen engagiert, nennt Zahlen: „Unser Landkreis gehört leider in Bezug auf ausgewiesene Biotope nur zum unteren Drittel in Bayern – lediglich 2,3 Prozent der Fläche sind als Biotope ausgewiesen. Und bei Landschaftsschutzgebieten liegt der Kreis mit 3,4 Prozent deutlich unter dem Bayernschnitt von rund 30 Prozent.“
Dabei hat die charakteristische Hügellandschaft, die im Süden stark vom Lech beeinflusst und im Norden von einem weitläufigen Niedermoor geprägt wird, wahrlich Naturschätze zu bieten: Am Hörgelauund Schwarzgraben nordöstlich von Augsburg sowie westlich von Rehling und Mühlhausen leben etwa Feldlerchen, Kiebitze, Feldhasen und Eidechsen. An den Lechauen zwischen Landsberg und Augsburg kann man Flussregenpfeifer, Libellen und Ameisenbläulinge erleben. Der Paardurchbruch in Ottmaring ist eines der wenigen Beispiele für nahezu „unberührte Natur“. Im Paar- und Ecknachtal gibt es große zusammenhängende Feuchtwiesenflächen und Auwaldbestände. Im Norden existieren die Moorgebiete der Schorner Röste. Sehenswert ist aber auch die Kissinger Heide, wo etwa Orchideen wachsen, sowie die Schaezler-Wiese als Reliktflächen der einstmals großflächigen Flussschotterheiden im Lechtal.
Neben den Umweltschützern sei auch die untere Naturschutzbehörde ständig bemüht, wertvolle Lebensräume zu erhalten und wieder herzustellen, wie etwa das Eisbachtal bei Rohrbach, das Rederzhauser Moos, das Roßmoos nördlich Inchenhofen und das Schindbachtal bei Griesbeckerzell, berichtet Franz Rieber, Leiter des Sachgebiets Naturschutz im Landratsamt.
Dennoch ist die Artenvielfalt nach wie vor in starker Bedrängnis. Wolfhard von Thienen kritisiert: „Es werden täglich viele Hektar un
Lebensräume durch Gewerbeparks wie z. B. bei Derching oder Mering zerstört. Weil Bauern aufgrund gesetzlicher und gesellschaftlicher Anforderungen überdurchschnittlich hohe Produktionskosten haben, ist die Landwirtschaft auf Höchstleistung getrimmt – sie lässt damit der Natur immer weniger Raum. Das sieht auch Ernst Haile so, der Vorsitzende des Bund Naturschutz (BN) im Landkreis.
Die Landwirte selbst wollen freilich nicht als die alleinigen Verursacher des Artenschwunds dastehen. Man habe seit Generationen eine gute Arbeit geleistet. In Politik und Gesellschaft werde dies aber kaum noch gewürdigt, hieß es bei einer Veranstaltung der FDP mit Landwirten aus dem Landkreis im vergangenen Jahr. Rückendeckung bekommen sie dabei auch von der zuständigen Ministerin: „Ich lasse es einfach nicht stehen, dass permanent der Landwirt als Brunnenvergifter, Bodenvergifter, Tierquäler und so weiter dasteht“, sagte Michaela Kaniber Mitte Februar bei ihrem Besuch in Dasing.
Frank Rieber vom Landratsamt betrachtet ebenso den Klimawandel als Ursache, weil dieser die Landschaft verändert und fremde Tierund Pflanzenarten die heimischen verdrängen. Auch die Zerschneidung der Landschaft macht es bestimmten Arten unmöglich, an ihrem ursprünglichen Lebensraum fortzubestehen. Die geplante Osttangente zwischen B17 und A8 führt durch die letzten noch halbwegs naturnahen Bereiche der Lech-auen und Kissinger Heide. „Gleiches gilt für die geplante Ortsumfahrung bei Mühlhausen“, fügt Wolfhard von Thienen hinzu.
Da ist es wohl keine Überraschung, dass 90 Prozent der Tierpowiederbringlicher
pulation wie etwa Rebhuhn und Kiebitz verschwunden sind. „Auch sind in den vergangenen 30 Jahren mehr als 75 Prozent der reinen Insektenmasse ausgelöscht worden“, erläutert Stefan Höpfl vom LBV. Eine Katastrophe für viele Vögel, die kaum mehr Nahrung finden. Etwas Mut macht wenigstens, dass die heimische Storchenpopulation von 60 Paaren in den 1980er-Jahren auf nunmehr über 600 angewachsen ist.
Die Naturschützer freuen sich aber auch über andere positive Entwicklungen: Ernst Haile ist aufgefallen, dass die Spendenbereitschaft für Tier- und Umweltschutzverbände steigt. Auch werden die Organisationen zunehmend in den Testamenten bedacht. Von dem Geld kaufen sie Naturschutzflächen. Da die Menschen mehr regionale, ökologische, genfreie Lebensmittel kaufen, stellt sich allmählich auch die Landwirtschaft um.
Selbst Bund und Gemeinden reagieren: „Im geänderten Naturschutzgesetz gibt es eine Vielzahl von positiven Neuregelungen; die Gemeinden sind endlich gezwungen die Europäischen Wasserrahmenrichtlinien bei den Gewässern der Gemeinden umzusetzen“, zeigt sich der BN-Vorsitzende zufrieden. Dazu bemühen sich viele Kommunen, Blühflächen anzulegen, oder erlassen Herbizidverbot auf ihren Flächen. Gute Nachrichten seien zum Beispiel auch, dass die Regierung von Schwaben die Ausgasung klimaschädlicher Treibhausgase im Donaumoos bei Pöttmes stoppen möchte. Oder das Projekt „Schorner Röste“, das nachweisen soll, dass eine moorschonende Bewirtschaftung ohne Pestizideinsatz möglich ist. Dafür habe der Freistaat Bayern hohe Fördersummen zur gezielten Wiedervernässung und zum Landkauf bewilligt.