Vögel falsch gehalten: Hohe Geldstrafe
Augsburger Amtsgericht verurteilt 71-jährige Rentnerin zu 4500 Euro Buße. Sie sieht den Fall ganz anders
4500 Euro Strafe muss eine 71-jährige Rentnerin aus Augsburg bezahlen, weil sie fünf Ziervögel falsch gehalten und den Tieren dadurch Leiden und Schmerzen zugefügt habe. Mit diesem Urteil blieb das Amtsgericht zwar etwas unter der Summe in einem Strafbefehl, gegen den die Tierliebhaberin Einspruch eingelegt hatte, aber es kam nicht zur von ihr angestrebten Einstellung des Verfahrens.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Angeklagte mit dem Tierschutz und der Justiz in Konflikt gerät. Seit über zehn Jahren betreibt die Rentnerin zunächst an der Donauwörther Straße, inzwischen im Gögginger Süden einen privaten Gnadenhof für alte und kranke Tiere. Zeitweise über 50 Hunde, Katzen, Kaninchen, Ziegen, Gänse, Hühner leben bei ihr in einem Gartengrundstück. Und auch fünf Ziervögel, denen im vergangenen November eine Amtstierärztin der Stadt Augsburg ihre Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Diese Tiere, so sagte es die Rentnerin vor Gericht aus, lebten bestimmt schon seit vier, fünf Jahren bei ihr. Damals seien sie ihr eines Tages von Unbekannten vor die Tür gestellt worden. Indem sie die Tiere bei sich aufnahm, habe sie für sie auch die Verantwortung übernommen, so Richterin Kerstin Wagner.
Gehalten wurden die zwei Nymphensittiche, zwei Wellensittiche und ein Halsbandsittich in zwei etwa waschmaschinengroßen Käfigen, die in einer Gartenhütte standen. Diese Käfige bezeichnete die Veterinärin als deutlich zu klein für diese Arten gemäß den Mindestanforderungen der Tierärztlichen Vereinigung. Nach einer angekündigten Inspektion des Grundstücks der Tierhalterin im Dezember 2018 hatte die Ärztin Hilfe angeboten. Hilfe derart, dass die fünf Vögel mit Zustimmung der Besitzerin vom Amt abgeholt und zum Tierschutzverein gebracht worden waren. Dort wurden die Ziervögel am nächsten Tag von zwei Tierärztinnen untersucht. Dabei stellte sich eine Reihe von teils erheblichen Schäden bei den Vögeln heraus, die auf die falsche Haltung zurückzuführen seien, so die Veterinärin als Zeugin.
Die Tiere seien speckig gewesen, hätten geknickte Federn oder durch Herausreißen der Federn kahle Stellen gehabt, hatten deutlich zu lange Krallen, zwei von ihnen hatten bereits eine Flugunfähigkeit entwickelt. Damit sei die Aussage der Tierhalterin zu widerlegen, dass die Vögel in ihrem Gartenhaus täglich mehrere Stunden außerhalb der Käfige hätten fliegen können. Fotos, die die Tierärztin bei der Untersuchung gemacht hatte, zeigten dem Gericht den schlechten Zustand der Tiere. Auf diese Fotos angesprochen, sagte die Tierhalterin spontan: „So haben meine Vögel nicht ausgeschaut.“Sie bestätigte aber, dass die von ihr gehaltenen Vögel von derselben Art seien wie die untersuchten und sie erkannte auch die Käfige wieder. „Dreist“nannten Richterin Wagner und Staatsanwalt Benjamin Rüdiger den Versuch der Angeklagten, zu unterstellen, dass die Bilder der Ärztin andere als ihre Vögel zeigen würden. Nicht sehen wollte die Richterin von der Angeklagten mitgebrachte Fotos von den Vögeln, als sich herausstellte, dass die Fotos von 2015 stammten.
Bereits vor der Beweisaufnahme hatte die Richterin angeboten, anstelle einer zunächst von der Angeklagten gewünschten kompletten Rücknahme des Strafbefehls stattdessen den Einspruch auf die Rechtsfolgen, also auf die Höhe der Strafe zu begrenzen. Das wollte die 71-Jährige nach Beratung mit ihrem Rechtsanwalt Sven Gröbmüller nicht, sie brachte vielmehr eine Berufung mit anderen Zeugen ins Gespräch.
In seinem Plädoyer sah Staatsanwalt Rüdiger die Vorwürfe wie in der Anklageschrift enthalten vollumfänglich bestätigt. Die Angeklagte habe sich der Tiermisshandlung durch Unterlassen schuldig gemacht. Er forderte eine Geldstrafe von 5750 Euro, nachdem es im Strafbefehl noch 6000 Euro waren. Auch Verteidiger Gröbmüller verkannte nicht, dass seine Mandantin Fehler in der Tierhaltung gemacht habe. Das Verfahren habe aus seiner Sicht aber nicht zweifelsfrei erwiesen, ob die Vögel nicht schon Schäden gehabt hatten, bevor sie bei der Angeklagten gelandet waren. Auch stellte er in Zweifel, dass die Angeklagte den Tieren die für eine Verurteilung maßgeblichen „schweren Leiden“zugefügt habe. Er forderte, das Verfahren einzustellen.
Für Richterin Wagner war „glasklar wie selten in einem Verfahren“, dass es sich mit dem Zustand der Tiere so verhalten habe, wie in der Anklageschrift dargestellt und von der Amtstierärztin erläutert. Sie bejahte das Vorhandensein der „schweren Leiden“und verurteilte die Rentnerin zu einer Geldstrafe von 4500 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Laut der Amtstierärztin hatte einer der zuvor flugunfähigen Vögel nach der Vermittlung durch den Tierschutzverein in seinem neuen Zuhause bereits wieder das Fliegen gelernt. Auch die beiden Wellensittiche hätten schon wenige Wochen danach bei anderen Haltern zaghaft begonnen, ein Leben auch außerhalb des Käfigs in der Wohnung zu erproben.