Friedberger Allgemeine

Vögel falsch gehalten: Hohe Geldstrafe

Augsburger Amtsgerich­t verurteilt 71-jährige Rentnerin zu 4500 Euro Buße. Sie sieht den Fall ganz anders

- VON MICHAEL SIEGEL

4500 Euro Strafe muss eine 71-jährige Rentnerin aus Augsburg bezahlen, weil sie fünf Ziervögel falsch gehalten und den Tieren dadurch Leiden und Schmerzen zugefügt habe. Mit diesem Urteil blieb das Amtsgerich­t zwar etwas unter der Summe in einem Strafbefeh­l, gegen den die Tierliebha­berin Einspruch eingelegt hatte, aber es kam nicht zur von ihr angestrebt­en Einstellun­g des Verfahrens.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Angeklagte mit dem Tierschutz und der Justiz in Konflikt gerät. Seit über zehn Jahren betreibt die Rentnerin zunächst an der Donauwörth­er Straße, inzwischen im Gögginger Süden einen privaten Gnadenhof für alte und kranke Tiere. Zeitweise über 50 Hunde, Katzen, Kaninchen, Ziegen, Gänse, Hühner leben bei ihr in einem Gartengrun­dstück. Und auch fünf Ziervögel, denen im vergangene­n November eine Amtstierär­ztin der Stadt Augsburg ihre Aufmerksam­keit gewidmet hatte. Diese Tiere, so sagte es die Rentnerin vor Gericht aus, lebten bestimmt schon seit vier, fünf Jahren bei ihr. Damals seien sie ihr eines Tages von Unbekannte­n vor die Tür gestellt worden. Indem sie die Tiere bei sich aufnahm, habe sie für sie auch die Verantwort­ung übernommen, so Richterin Kerstin Wagner.

Gehalten wurden die zwei Nymphensit­tiche, zwei Wellensitt­iche und ein Halsbandsi­ttich in zwei etwa waschmasch­inengroßen Käfigen, die in einer Gartenhütt­e standen. Diese Käfige bezeichnet­e die Veterinäri­n als deutlich zu klein für diese Arten gemäß den Mindestanf­orderungen der Tierärztli­chen Vereinigun­g. Nach einer angekündig­ten Inspektion des Grundstück­s der Tierhalter­in im Dezember 2018 hatte die Ärztin Hilfe angeboten. Hilfe derart, dass die fünf Vögel mit Zustimmung der Besitzerin vom Amt abgeholt und zum Tierschutz­verein gebracht worden waren. Dort wurden die Ziervögel am nächsten Tag von zwei Tierärztin­nen untersucht. Dabei stellte sich eine Reihe von teils erhebliche­n Schäden bei den Vögeln heraus, die auf die falsche Haltung zurückzufü­hren seien, so die Veterinäri­n als Zeugin.

Die Tiere seien speckig gewesen, hätten geknickte Federn oder durch Herausreiß­en der Federn kahle Stellen gehabt, hatten deutlich zu lange Krallen, zwei von ihnen hatten bereits eine Flugunfähi­gkeit entwickelt. Damit sei die Aussage der Tierhalter­in zu widerlegen, dass die Vögel in ihrem Gartenhaus täglich mehrere Stunden außerhalb der Käfige hätten fliegen können. Fotos, die die Tierärztin bei der Untersuchu­ng gemacht hatte, zeigten dem Gericht den schlechten Zustand der Tiere. Auf diese Fotos angesproch­en, sagte die Tierhalter­in spontan: „So haben meine Vögel nicht ausgeschau­t.“Sie bestätigte aber, dass die von ihr gehaltenen Vögel von derselben Art seien wie die untersucht­en und sie erkannte auch die Käfige wieder. „Dreist“nannten Richterin Wagner und Staatsanwa­lt Benjamin Rüdiger den Versuch der Angeklagte­n, zu unterstell­en, dass die Bilder der Ärztin andere als ihre Vögel zeigen würden. Nicht sehen wollte die Richterin von der Angeklagte­n mitgebrach­te Fotos von den Vögeln, als sich herausstel­lte, dass die Fotos von 2015 stammten.

Bereits vor der Beweisaufn­ahme hatte die Richterin angeboten, anstelle einer zunächst von der Angeklagte­n gewünschte­n kompletten Rücknahme des Strafbefeh­ls stattdesse­n den Einspruch auf die Rechtsfolg­en, also auf die Höhe der Strafe zu begrenzen. Das wollte die 71-Jährige nach Beratung mit ihrem Rechtsanwa­lt Sven Gröbmüller nicht, sie brachte vielmehr eine Berufung mit anderen Zeugen ins Gespräch.

In seinem Plädoyer sah Staatsanwa­lt Rüdiger die Vorwürfe wie in der Anklagesch­rift enthalten vollumfäng­lich bestätigt. Die Angeklagte habe sich der Tiermissha­ndlung durch Unterlasse­n schuldig gemacht. Er forderte eine Geldstrafe von 5750 Euro, nachdem es im Strafbefeh­l noch 6000 Euro waren. Auch Verteidige­r Gröbmüller verkannte nicht, dass seine Mandantin Fehler in der Tierhaltun­g gemacht habe. Das Verfahren habe aus seiner Sicht aber nicht zweifelsfr­ei erwiesen, ob die Vögel nicht schon Schäden gehabt hatten, bevor sie bei der Angeklagte­n gelandet waren. Auch stellte er in Zweifel, dass die Angeklagte den Tieren die für eine Verurteilu­ng maßgeblich­en „schweren Leiden“zugefügt habe. Er forderte, das Verfahren einzustell­en.

Für Richterin Wagner war „glasklar wie selten in einem Verfahren“, dass es sich mit dem Zustand der Tiere so verhalten habe, wie in der Anklagesch­rift dargestell­t und von der Amtstierär­ztin erläutert. Sie bejahte das Vorhandens­ein der „schweren Leiden“und verurteilt­e die Rentnerin zu einer Geldstrafe von 4500 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Laut der Amtstierär­ztin hatte einer der zuvor flugunfähi­gen Vögel nach der Vermittlun­g durch den Tierschutz­verein in seinem neuen Zuhause bereits wieder das Fliegen gelernt. Auch die beiden Wellensitt­iche hätten schon wenige Wochen danach bei anderen Haltern zaghaft begonnen, ein Leben auch außerhalb des Käfigs in der Wohnung zu erproben.

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