Was der Chef des Alpenvereins alles vorhat
Kletterzentrum, E-Bikes in den Bergen und Naturschutz: Im Interview spricht der Chef des Augsburger Alpenvereins, Thomas John, über Herausforderungen und seine Ziele (Serie, Ende)
Herr John, im Mai wurden Sie als Nachfolger von Ulrich Kühnl zum 1. Vorsitzenden der rund 16 000 Mitglieder zählenden Sektion Augsburg gewählt. Sie sind nicht ganz überraschend zu diesem Job gekommen? Thomas John: Die Berge spielen seit fast 60 Jahre eine Rolle in meinem Leben. Meine Eltern nahmen mich im Alter von drei Jahren zum ersten Mal mit in die Berge. Da war es logisch, dass ich mit 20 Jahren in den Alpenverein eingetreten bin. Meine alpinen Schwerpunkte waren immer Wandern, Weitwandern und Trekking, nicht so sehr extreme Touren. Inzwischen habe ich viermal die Alpen überquert und war zwölfmal in Nepal.
Wie werden Sie es schaffen, die mit diesem Ehrenamt verbundenen Aufgaben zeitlich zu bewältigen?
John: Ich bin zum Glück schon seit Jahren in einer besonderen Lebenssituation. Als Maschinenbau-Ingenieur war ich 23 Jahre bei MAN-Roland tätig. Als es der Firma schlechter ging, hat man mir mit einem Auflösungsvertrag die Möglichkeit eröffnet, bereits mit 55 Jahren aus dem Berufsleben auszusteigen. Jetzt kann ich die gewonnene Zeit ins Ehrenamt einbringen und auch viel in den Bergen unterwegs sein. Aktuell ist der Vorstandsjob aber Fulltimebeschäftigung.
Als Vorsitzender ist viel Verwaltungsarbeit auf Sie zugekommen.
John: Unsere engagierte Geschäftsstelle nimmt ja dem Vorstand einen Großteil dieser Arbeiten ab. Durch den Erweiterungsbau der Kletterhalle zum Landesleistungszentrum Bayern war der Vorstand aber schon arg belastet. Seit einem Jahr ist die neue Kletterhalle in Betrieb, wir sehen auch ein Ende der Nachwehen, die ein so komplexes Bauvorhaben einfach bedingt.
Bereits als 2. Vorsitzender haben Sie den Bau und die Entwicklung des Landesleistungszentrums begleitet.
John: Die Planung dafür begann schon lange vor meiner aktiven Zeit, den Bau habe ich dann von Beginn an miterlebt, zunehmend intensiver, unter anderem als Leiter des Lenkungskreises, in dem wir mit unseren Partnern das auf 25 Jahre ausgelegte Projekt begleiten. Wir haben keine „normale“Kletterhalle gebaut, sondern ein Landesleistungszentrum, in dem Leistungs- und Breitensportler nebeneinander trainieren.
Der Bau ist teurer geworden…
John: Wir liegen bei den Gesamtkosten von 6,8 Millionen Euro um etwa 17 Prozent höher als geplant. Wenn man das mit anderen Bauprojekten vergleicht, klingt das zunächst nicht so dramatisch. In absoluten Zahlen tut uns das natürlich weh. Alle Mehrkosten sind aber gut begründbar. Verzögerungen in der Planungsphase und eine überhitzte Baukonjunktur sind nur zwei Beispiele. Und eine in den uns vorliegenden Plänen nicht eingezeichnete Gasleitung hat gleich zu Baubeginn für Zeitverlust gesorgt. Wie geht es finanziell nun weiter? John: Die Finanzierung des Projekts mit Eigen-, Fördermitteln und Darlehen ist gesichert. Wir müssen schauen, wie wir die nächsten Jahre mit Zinsen und Tilgungen zurechtkommen. Die solide Finanzsituation der Sektion ist auch dank der guten Betriebsergebnisse nicht in Frage gestellt.
Wie wird das Kletterzentrum von den Sportlern angenommen?
John: Sehr gut. Nachdem der Betriebsstart im Frühsommer 2018 noch etwas holprig war, steigen die Besucherzahlen seit September 2018 kontinuierlich an. Uns freut das Feedback, das wir bekommen. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Innsbruck 2018 kamen viele internationale Teams zum Training zu uns. Der Topathlet Sean McColl aus Kanada hat uns das Kompliment gemacht, dass unsere Halle zu den Top Ten der Welt gehört. Da sind wir gleich „zehn Zentimeter gewachsen“.
Wie soll sich der Verein unter Ihrer Führung entwickeln, welche Themen wollen Sie verstärkt angehen?
John: Ein Schwerpunkt wird sicherlich weiterhin unsere Infrastruktur sein. Darunter verstehen wir unsere drei Hütten und die Kletterhalle. Die Kletterhalle ist bei unseren Betriebsführern in guten Händen. Unsere Hütten müssen erhalten und permanent modernisiert werden, vor allem in Sachen Brandschutz. Da kommen schnell sechsstellige Beträge zusammen. 2020 wird voraussichtlich die Energieversorgung der Otto-Mayr-Hütte erneuert. Und immer wieder haben wir mit Naturereignissen zu kämpfen. So wurde 2017 die Wasserversorgung der Augsburger Hütte durch eine Gerölllawine zerstört. John: Der Natur- und Umweltschutz wird, wie in den letzten Jahren, eines der ganz großen Themen sein. Wir nehmen die Beweggründe von „Fridays For Future“sehr ernst. Da ist die Frage der Mobilität: Wie kommt man umweltfreundlich in die Berge, zum Beispiel mit Bus oder Bahn. Wir müssen Bergsport und Naturschutz, soweit möglich, in Einklang bringen.
Wie beurteilen Sie den Wunsch vieler Wanderer nach mehr Komfort auf den Hütten?
John: Unsere Hütten sollen natürlich keine Hotels werden. Aber bei jeder Modernisierung steigt auch ein wenig der Komfort. Die Wirtsleute der Hütten sind Pächter, die ausschließlich von den Umsätzen der Gäste leben. Wir müssen somit dafür sorgen, dass Wanderer gerne auf die Hütten kommen. John: Also das Fahren mit Mountainbikes ist seit vielen Jahren an der Tagesordnung. Dafür hat der DAV Spielregeln publiziert. Das Aufladen der Akkus von E-Bikes auf den Hütten: Das ist ein heißes Thema, über das noch nicht entschieden ist.
Die Zukunft der Sektion…
John: …das ist unsere Jugend, die wir verstärkt fördern wollen. Wir wollen künftig für Kinder, Jugendliche und junge Leute bis 27 deutlich mehr tun. Weil unsere Sektion bunt ist, wollen wir auch Augsburger mit Migrationshintergrund einladen, zu uns zu kommen. Auch die Erhöhung des Frauenanteils im Ehrenamt ist mir wichtig. Interview: Klaus Utzni
Thomas John ist am 7. Mai zum Vorsitzenden des Augsburger Alpenvereins gewählt worden. Seit 2015 führt er Bergtouren als Wanderleiter in der Bergsteigerabteilung. 2017 wurde John 2. Vorsitzender der Sektion. Als Uli Kühnl nicht mehr als Chef kandidierte, trat John an.