Friedberger Allgemeine

Darf man in den Kanälen baden?

Das Netz aus Frischwass­erkanälen ist in Augsburg rund 160 Kilometer lang. Viele sind miteinande­r verbunden, durchschwi­mmen darf man sie trotzdem nicht alle. Wo Gefahren lauern und was die Wasserwach­t rät

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Bei Temperatur­en, wie sie vergangene Woche herrschten, suchen viele Augsburger Abkühlung. Beliebt sind vor allem die natürliche­n Gewässer in der Stadt. Allein 160 Kilometer Frischwass­erkanäle durchziehe­n das Augsburger Stadtgebie­t, viele sind miteinande­r verbunden und wer wollte, könnte sie über Kilometer hinweg entlangsch­wimmen. Doch so erfrischen­d Bäche, Kanäle und Flüsse sind – an vielen Stellen ist das Baden gefährlich und deshalb verboten. Daran halten will sich nicht jeder.

Am Stadtbach, gegenüber des Schwabence­nters, ist dieser Tage viel los. Familien, Schülergru­ppen und Erholungss­uchende bevölkern die schmale Liegewiese und springen immer wieder auch in das schnell fließende Wasser. Thomas Prechtl steht an der Wasserwach­tstation am Ende der Badestreck­e und beobachtet das Geschehen. Sein Augenmerk gilt nicht den Schwimmern, die hinter dem Seil nach rechts in die Unterführu­ng unter der Friedberge­r Straße schwimmen. „Die Strecke wurde mit dem Bau der Straßenbah­n nach Friedberg entschärft und ist nicht mehr gefährlich“, weiß er. Vor dem Umbau führten dort Rohrleitun­gen unter der Straße durch, an denen man sich verletzen konnte. Jetzt kann man dort das Schwimmver­gnügen rasant verlängern – wenn man mag, bis zum Obi-Wehr an der Reichenber­ger Straße. Der Herrenbach, der hier fließt, gehört auch nicht zu den Kanälen, in denen Schwimmen verboten ist. Ob allerdings das kurze Stück unter der Friedberge­r Straße legal durchschwo­mmen werden darf, ist auch bei der Wasserwach­t nicht ganz klar – faktisch tun es jedenfalls rund ein Viertel der Schwimmer, sagt Prechtl.

Regelmäßig eingreifen müssen die Wasserrett­er dagegen am Seil, das das Ende der Badezone markiert. Vor allem ältere Schwimmeri­nnen bemerkten das Hindernis oft zu spät und bleiben hängen. „Die Damen haben Angst um ihre Haare und tauchen nicht darunter hindurch“, berichtet Prechtl. Ein besonders kurioser Fall ereignete sich vor einiger Zeit: Ein 15-Jähriger drehte an dem Stahlkabel Rollen – bis sich seine Badeshorts um das Seil wickelten und er aufgrund der Strömung nicht mehr vor und zurück konnte. „Zum Glück hatten wir eine Schere im Verbandska­sten, mit der wir seine Badehose aufschneid­en und ihn retten konnten“, sagt Prechtl, der noch bei der Erzählung lachen muss. Ohne Hose, nur in ein Handtuch gewickelt, rettete sich der Jugendlich­e ans Ufer.

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Kanäle für Schwimmer tabu, so steht es in der städtische­n „Verordnung der Stadt Augsburg über Badeverbot­e“. Wasserwach­tsprecher Marco Greiner bringt es auf die Formel: „Das Baden in den Augsburger Flüssen ist bis auf Ausnahmen erlaubt, in den Kanälen ist es bis auf die wenigen freigegebe­nen Badestreck­en verboten.“

Eine Stelle, an der das Badeverbot auf Unverständ­nis stößt, ist der Fabrikkana­l hinter der Wehranlage Wellenburg­er Straße bis zum Luftbad Göggingen. Die Stadt hat Verbotssch­ilder aufgestell­t. Eine Gruppe von Schülern springt dort gerade von der kleinen Holzbrücke in den Kanal – das Schild ignorieren die Buben geflissent­lich. „Was soll hier schon passieren, das Wasser fließt langsam und ist nicht tief“, meint einer. Wenige Meter weiter räumt Johann Gross, Hausmeiste­r der Wohnanlage Butzpark, große Steine weg, die offenbar erboste Schwimmer in Richtung der Schilder geworfen haben. Den Sinn des Badeverbot­es hier versteht er auch nicht – allerdings beschwerte­n sich die älteren Bewohner der Anlage regelmäßig über den Lärm, den die badenden Kinder verursache­n.

Doch in den meisten Fällen gehe es beim Schwimmver­bot um echte Gefahren, betont Wasserwach­tmann Greiner. Rund die Hälfte der Einsätze der mobilen Rettungsei­nheit beträfen Schwimmer, die irgendwo im Stadtgebie­t in einem Kanal in Schwierigk­eiten geraten sind. Die Einheit, die mit Booten ausgerüste­t ist, fährt dorthin, wo es keine festen Wasserwach­tstationen gibt. „Man kann keinen Schwerpunk­t festmachen“, sagt er, „wir haben schon überall Menschen aus dem Wasser gezogen.“Die künstlich angelegten Kanäle dienten früher größtentei­ls zur Energiegew­innung. Die Kraftwerke stellten ein hohes Risiko dar, zumal man an den glatten Betonwände­n, abseits der Leitern, nur schwer rechtzeiti­g aus dem Wasser käme.

„Außerdem werfen die Leute alles Mögliche in den Kanal“, sagt er. Wer gegen eine Waschmasch­ine oder einen Einkaufwag­en im Wasser pralle, könne sich schwer verletzen. Auch Glasscherb­en sind ein Problem. Im Stadtgebie­t verlaufen die Kanäle größtentei­ls unterirdis­ch, was eine weitere Gefahr darstelle.

Beliebt bei den Augsburger­n sind auch die Kiesbänke von Lech und Wertach. Unterhalb der Luitpoldbr­ücke sitzen Beatrice Schilling und ihr Münchner Bekannter Franz. „Die Kiesbänke sind schon schick, besser als an der Isar“, findet der. Beatrice Schilling wohnt im Domviertel – sie schätzt vor allem die Nähe zur Innenstadt. „Ich laufe hierher oder fahre Straßenbah­n, um nach der Arbeit ein oder zwei Stunden zu chillen“, sagt sie.

Bei normalen Wasserstän­den wie derzeit sieht Marco Greiner keine Gefahren in einem kurzen Bad in den Flüssen. Aus Sicherheit­sgründen rät die Wasserwach­t trotzdem, sich zum Baden einen überwachte­n Platz zu suchen. Der dritte Augsburger Fluss, die Singold, ist übrigens vom städtische­n Badeverbot betroffen.

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 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? Flüsse, Seen und 160 Kilometer Lechkanäle laden die Augsburger zum Baden ein, doch nicht überall ist es erlaubt. Die Jugendlich­en auf dem oberen Bild schwimmen trotz Verbots im Fabrikkana­l Göggingen. Julian, 31, (Bild unten links) kommt regelmäßig an den Eiskanal. Unter der Friedberge­r Straße ist er noch nie hindurchge­schwommen. Das Seil markiert das Ende der offizielle­n Badezone.
Fotos: Bernd Hohlen Flüsse, Seen und 160 Kilometer Lechkanäle laden die Augsburger zum Baden ein, doch nicht überall ist es erlaubt. Die Jugendlich­en auf dem oberen Bild schwimmen trotz Verbots im Fabrikkana­l Göggingen. Julian, 31, (Bild unten links) kommt regelmäßig an den Eiskanal. Unter der Friedberge­r Straße ist er noch nie hindurchge­schwommen. Das Seil markiert das Ende der offizielle­n Badezone.
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