„Der Watzmann ruft“in ganz neuen Tönen
Musical Jetzt samt #MeToo und Klimawandel: Das Kult-Stück in Runderneuerung
München Die einzige Konstante ist der Berg. Majestätisch schaut der Watzmann ins Publikum, flankiert von der Watzfrau und den kleinen Watzlingen. Ab und zu grollt er, dann wieder strahlt er sonnig, bis er hinter düsteren Wolken fast verschwindet. Wer „auffi“will, kann konventionell die Gondel benutzen, besser aber gleich mit Raupenfahrzeug oder Helikopter den Gipfel bezwingen. Meint der Bauer (Aurel Bereuter), der längst zum Tourismus-Unternehmer mutiert ist, der „Kraut-Funding“betreibt und die Kontakte per „Watz-App“macht.
Die Hütt’n hat aufgerüstet, der Kuhstall ist Erlebnis-Area, die Stub’n nostalgischer Fake, der Misthaufen aus Plastik… Nur der Bua (Christoph Theussl) spielt nicht mit: Er denkt grün, macht bei „Fridays for Future“mit und besteigt den Berg auf den eigenen Haxen – mit fatalen Folgen, wie man weiß.
Das also ist jetzt aus dem zuvor in die Jahre gekommenen Kult-Musical „Der Watzmann ruft!“in der Münchner Neu-Inszenierung geworden. Im Rahmen der Entstaubung mussten nicht nur AlpenKitsch, Klischees und Klamauk dran glauben – die Kabarettisten Ecco Meineke als Autor und Sven Kemmler als Regisseur stellten gleich mal die ganze Story auf den Kopf: Es ist nicht mehr der Berg, der den Menschen bedroht, sondern der Mensch, der den Ausverkauf der Alpen vorantreibt. Das wird political sehr correct abgehandelt, nichts an aktuell heißen Themen fehlt: von der Umweltzerstörung zur Klimadebatte, von der Flüchtlings-Problematik zur #MeToo-Debatte.
Dabei bleibt die Parodie, die Satire manchmal auf der Strecke, kommt alles zu brav und manches (etwa die „Walpurgisnacht“) total unmotiviert daher. Ein Glück, dass sie sprachlich aufgerüstet haben, mit Wortspielereien im Stile Jandls, aber auch mit frischen, pointierten KurzDialogen. Und vor allem mit saukomischem Slapstick, der die beiden hochkomödiantischen Knecht-Karikaturen (Norbert Bürger und Moses Wolff) zu echten Lachnummern hochdrehen lässt, ebenso wie die drei Mägde, deren Herkunft sich in falschen Gebetstexten samt falscher Aussprache manifestiert (Claudia Jacobacci von der Lach&Schieß neben Cecilia Kukua und Ecco Meineke als blasphemisches Trio infernal). Dass die Rolle der Gailtalerin nun erstmals mit einer Frau besetzt ist, die noch dazu arg zeitgeistig als „Influencerin“auftritt (Sabine Kapfinger, lange mit Hubert von Goisern unterwegs), irritiert nicht nur, es nimmt dem Ganzen auch viel an schrägem Humor. Neu ist die Rolle des Touristen, der als Running Gag mal als Preissn-Depp, dann wieder als möglicher Kompagnon mit dem Bauern dealen will (Arnd Schimkat alias Arthur Senkrecht wunderbar in der Doppelrolle als Berg-Gast und mönchischer Märchenonkel).
Doch halt, es gibt noch eine Konstante: die Musik. Noch immer sind die Melodien stark, der Sound originell in seinem fetzigen Mix aus Schlager-Parodie, moderner Volksmusik und Alpen-Rock.
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Am Deutschen Theater in München bis 4.8., Karten-Tel. 089/55234444