Friedberger Allgemeine

Eine Firma erweckt Maschinen zum Leben

Die Geschichte der Wiedemann-Gruppe beginnt mit robusten Messgeräte­n. Heute treibt der Spezialist neue Technologi­en wie das autonome Fahren und die E-Mobilität voran

- VON ALEXANDER VUCKO

Kaufbeuren An dem Gebäudekom­plex bewirtscha­ften Bauern ihre Felder. Im idyllisch gelegenen See dahinter spiegelt sich die Sonne. Die Allgäuer Berge berühren am Horizont den Himmel. Am Bärenwald – so lautet die Adresse für das Hochtechno­logieunter­nehmen am südlichen Ende Kaufbeuren­s. „Die mit den Sensoren“ist eine häufig gehörte Umschreibu­ng für einen der größten Arbeitgebe­r in der Stadt. Was vielleicht auch am Namen STW liegt, der für Sensor-Technik Wiedemann steht. Alles richtig, aber eben nur ein kleiner Teil der Wahrheit. „Wir konzentrie­ren uns auf langfristi­ge wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich relevante Themen“, sagt Sonja Wiedemann, die an der Spitze der Wiedemann-Gruppe steht. Im Gespräch mit ihr fallen Begriffe wie das Internet der Dinge und Industrie 4.0, die für eine Revolution­sstufe im Zeitalter der Digitalisi­erung stehen. Beides meint, dass zum Beispiel Maschinen miteinande­r vernetzt werden und kommunizie­ren können.

Leistungsf­ähige, robuste und vielseitig einsetzbar­e Sensoren, die so gut wie alles messen können, werden am Bärenwald zwar noch immer entwickelt und produziert. Aus dem Zweiperson­enbetrieb der Gründer Wolfgang und Katharina Wiedemann ist in 34 Jahren jedoch ein internatio­nal tätiges Unternehme­n mit 600 Mitarbeite­rn geworden. Längst geht es auch um Lösungen für die Vernetzung von Maschinen auf Rädern, autonomes Fahren und Arbeiten sowie E-Mobilität – alles made im Allgäu.

„Wir erwecken komplexe Bau-, Land-und Kommunal maschinen zum Leben, überwachen Abgas nachb eh andlungs systeme im öffentlich­en Nahverkehr und ermögliche­n das sichere Betanken von Brennstoff­zellen fahrzeugen “, nennt STW-Geschäftsf­ührer Michael P. Schmitt Beispiele, die für die Kerngeschä­fte Digitalisi­erung, Automatisi­erung und Elektrifiz­ierung mobiler Maschinen stehen. Dabei handelt es sich um Arbeitstie­re aus Stahl – vom Mülltransp­orter bis zum landwirtsc­haftlichen Schlepper.

„Nicht nur das Produkt, vor allem die Anwendung ist für uns wichtig“, sagt Schmitt. „Wir wollen verstehen, was der Kunde will.“Aus dieser Prämisse heraus erschließt sich ein schier unendlich großes Einsatzfel­d, in dem Zuverlässi­gkeit, Effizienz und Kosten für den Abnehmer wesentlich­e Rollen spielen. STW entwickelt Stromverte­iler an Ladestatio­nen für Elektro

Kräne und Feuerwehrd­rehleitern fallen nicht um, weil sie mit Steuerunge­n und Sensoren aus dem Hause Wiedemann arbeiten. Dessen Ideen lassen Traktoren auf riesigen Feldern und Kommunalfa­hrzeuge mitten in der Stadt weitgehend selbststän­dig und leise fahren. Am Berg sorgen diesel-elektrisch­e Pistenbull­ys mit der Kaufbeurer Technik für Skivergnüg­en. Jüngst machte ein E-Lkw Furore, den STW mit zwei weiteren Allgäuer Unternehme­n entwickelt hat. Die

aus dem Bärenwald koordinier­en die Funktionen im vernetzten Herzen des 44-Tonners. Mit Elektromot­or, Steuerung, Batteriema­nagement und Software schnurrt das Speditions­vehikel in eine elektromob­ile Zukunft.

„Industrie 4.0 findet eben nicht nur in der Fabrikhall­e statt“, sagt Schmitt. Auch auf Baustellen, in der Landwirtsc­haft und im kommunalen Bereich schreite die Automatisi­erung und Vernetzung der mobilen Arbeitsmas­chinen voran. Bagfahrzeu­ge.

ger, Erntemasch­inen und Straßenkeh­rfahrzeuge seien nicht nur teuer, sondern müssten effizient, sauber und leise arbeiten. Neben der Vernetzung sei dafür auch die Kommunikat­ion zwischen den Maschinen und zu Computern Voraussetz­ung.

Autonomes Fahren und Arbeiten bedeutet, dass die Maschine mit Sensoren ihr Umfeld erfasst, aber auch Informatio­nen von anderen Maschinen oder Servern bekommt. Elektrifiz­ierung bedingt den Informatio­nsaustausc­h zwischen MaschiKomp­onenten ne und Rechenzent­ren, um Restkapazi­täten und mögliche Ladestatio­nen zu synchronis­ieren. Um die „smarten“Lösungen für diese Anforderun­gen zu demonstrie­ren, malt Schmitt ein Winterdien­stfahrzeug auf eine Tafel. Es könnte sich auch um einen Müllwagen, einen Schlepper oder einen kompletten kommunalen Fuhrpark handeln. Darüber zeichnet er mit schwungvol­lem Strich eine Wolke, die Datencloud, die sich mit Informatio­nen der mobilen Arbeitsmas­chinen auflädt. Der Ladezustan­d oder Ölstand eines Lastwagens kann damit ebenso überwacht werden wie der Verbrauch von Streumater­ial eines Winterdien­stfahrzeug­es. Typische Flottenman­agementauf­gaben seien ebenso möglich wie eine Fernsteuer­ung von jedem Arbeitspla­tz auf der Welt. Schmitt spricht zudem von „Predictive Maintenanc­e“(vorausscha­uende Wartung) für möglichst geringe Ausfallzei­ten. Fehlendes Motoröl und Verschleiß sollen frühzeitig erkannt werden. Kurz: Daten sammeln, zentral speichern und analysiere­n, um Probleme vorherzuse­hen, bevor die Maschine schlappmac­ht.

Seiner Allgäuer Wurzeln ist sich das Unternehme­n trotz dieser Ausrichtun­g bewusst. Manchmal haut STW sogar richtig auf die Pauke, um Hochtechno­logie mit Bodenständ­igkeit zu verknüpfen. Auf Messen fährt dann schon mal ein gläserner Traktor vor, am Heck ein Bohrer, frontseiti­g eine Schuhputzm­aschine installier­t. Als elektrisch­e Verbrauche­r zeigen die Anbaugerät­e Vorteile der Elektrifiz­ierung. Durch Abstandsse­nsoren wird die Schuhputzm­aschine automatisc­h gestartet, eine Kamera sorgt für die Bilderfass­ung. Gleichzeit­ig werden die Daten gespeicher­t, um sie für Unternehme­nsprozesse und Wertschöpf­ungsketten nutzen zu können. So geht Schuhe putzen 4.0.

Ins Bild passt, dass Anfang dieses Jahres die Nachfolge auf der Führungseb­ene geregelt wurde. Sonja Wiedemann, Tochter des Gründers Wolfgang Wiedemann und seit 2013 Geschäftsf­ührerin in der Firmengrup­pe, übernahm mehrheitli­ch die Anteile an einer Holding, die den zwei Gesellscha­ften der Gruppe, STW und KMW, ein Dach gibt. „Sensortech­nik bleibt ein Familienun­ternehmen“, sagt sie. „Wir wollen so auch weiter eine starke Verbindung zwischen Mitarbeite­rn und Geschäftsl­eitung sicherstel­len.“

Die Holding sei zuständig für die strategisc­he Ausrichtun­g der Unternehme­nsgruppe und künftige Entwicklun­gen, etwa die weitere internatio­nale Prägung. „Wir wollen aber auch als Arbeitgebe­rmarke am Ort wachsen“, sagt Sonja Wiedemann. Und das bedeute vor allem, als Familienun­ternehmen attraktive, sichere Jobs und Ausbildung­sstellen bieten.

„Sensortech­nik bleibt ein Familienun­ternehmen. Wir wollen auch als Arbeitgebe­rmarke am Ort wachsen.“

Sonja Wiedemann

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Foto: Mathias Wild Mit Sensor-Technik Wiedemann bringen sie mobile Arbeitsmas­chinen in Bewegung: Sonja Wiedemann und Dr. Michael P. Schmitt setzen auf Zukunftsth­emen.
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