In Rekordzeit durch das Paradies
Norwegens Fjorde sind ein Wunder der Natur. Doch Pendler und Lastwagenfahrer empfinden sie als riesige Hindernisse beim Vorankommen. 140 Brücken und Tunnel sollen das ändern
Oslo Sie gilt als eine der schönsten Autorouten der Welt. Noch. Wer im Sommer die über 1100 Kilometer lange norwegische Westküstenroute E39 mit ihren unzähligen Fjorden befährt, dem drängt sich ein romantischer Vergleich zur Landschaft aus den „Herr der Ringe“-Filmen auf. Doch für Pendler und die Wirtschaft ist die Bummelroute mit ihren unzuverlässigen sieben Fährverbindungen und den sich um Wasserarme schlängelnden Umwegen ein Ärgernis.
Heute dauert die Fahrt vom Beginn der Route im südlichen Kristiansand über Stavanger, Bergen bis zum nördlichen Trondheim über 20 Stunden – genauso lang wie die Fahrt von Berlin nach Moskau. „Es hemmt die regionale Wirtschaft, fast 60 Prozent aller Exporte Norwegens kommen ja aus der Region und ein Drittel aller Norweger lebt dort“, erklärt Kjersti Kvalheim Dunham vom norwegischen Wegeamt nüchtern. Dunham ist Leiterin des größten Bauprojektes in Norwegens Geschichte: Die gesamte Westküstenroute des Königreichs soll zu einer umweglosen und fährfreien Schnellstraße umgebaut werden.
Um die malerischen Fjorde des mit 5,2 Millionen Einwohnern dünn besiedelten Landes schnell zu überwinden, sollen rund 100 Brücken und rund 40 Tunnel – große und kleine – sowie entsprechende Uferstraßenanbindungen gebaut werden. Auto- und Lkw-Reisen sollen bei der für 2050 angepeilten Komplett-Fertigstellung nur noch zehn Stunden dauern, womit auch die Transportkosten halbiert werden.
Dabei geht es um gigantische Dimensionen. Der Umbau wird mindestens 340 Milliarden Kronen (34,8 Milliarden Euro) verschlingen. Doch das mit Ölvorkommen gesegnete Norwegen ist das reichste Land Europas. „Rund 80 Wissenschaftler arbeiten derzeit an Lösungen zu den Fjord-Überquerungen“, sagt Dunham. Die größten Parlamentsparteien stehen hinter dem bereits beschlossenen Projekt. Nur die staatliche Finanzierung muss für Baustücke einzeln genehmigt werden. „Da sind wir zuversichtlich“, sagt die Projektleiterin. Der Bau des „längsten Unterwassertunnels der Welt“zwischen Stavanger und Haugesund ist bereits in vollem Gange: 27 Kilometer lang wird der Rogfast-Unterwassertunnel, der 2026 fertig sein soll.
Weil die Fjorde teils zu tief oder zu breit sind, fallen klassische Brücken und Erdtunnel unter dem Meer teils als Möglichkeit aus. Als besonders spektakulär gilt das Vorhaben, schwebende Unterwassertunnel, etwa nördlich von Bergen, durch den 3,7 Kilometer breiten Sognefjord zu bauen. Sie wären weltweit die Ersten ihrer Art. Zwei Autoröhren sollen demnach rund 30 Meter unter der Wasseroberfläche schweben. Die Schwebetunnel könnten an Schwimmkörpern auf der Wasseroberfläche hängen.
Eine der größten Ängste der Kritiker: Terroranschläge. „Wir bauen mit den höchsten Sicherheitsstandards, und Terrorbedrohungen, etwa durch Lastwagenbomben sind mit im Baukalkül in Form von explosionsfesten Baumaterialien und Notfalltunneln enthalten“, versucht Dunham die Bedenken zu entkräften. „Auch Umweltschützer haben wegen Naturschutzgebieten geklagt, die durch den Bau beeinträchtigt werden, aber wir werden soweit es geht um solche Gebiete herumbauen“, verspricht sie.
Kritik an den Bauvorhaben kommt auch von der Tourismusbranche. „Das würde die wunderschöne Westroute völlig zerstören.“Anderswo wird gleichzeitig weiter fleißig an den Plänen geschmiedet.