Verliert Augsburg bei Fernzügen den Anschluss?
Von Ulm nach Augsburg in 30 Minuten: Das soll durch den geplanten Ausbau der Bahnstrecke möglich werden. Doch die schwäbische CSU setzt sich jetzt für eine kleine Lösung ein. Und der Stadt Augsburg drohen Nachteile
Wer die Zukunft des Bahnverkehrs besichtigen will, muss auf der Autobahn von Ulm nach Stuttgart fahren. Direkt neben der A 8 wird dort groß gebaut. Arbeiter treiben Tunnel ins Gestein der Schwäbischen Alb, große Brücken wachsen über Täler. Die Fahrzeit zwischen Ulm und Stuttgart soll sich von 55 auf 30 Minuten verkürzen. Während auf baden-württembergischer Seite kräftig gebaut wird, passiert auf der bayerischen Seite bisher nichts. Für den geplanten Ausbau der Gleise zwischen Augsburg und Ulm gibt es noch nicht mal konkrete Pläne. Die schwäbische CSU legt sich aber trotzdem bereits jetzt fest – und spricht sich für eine kleine Ausbaulösung aus. Bahnexperten fürchten, dass die Stadt Augsburg dadurch beim Fernverkehr den Anschluss teilweise verlieren könnte.
Die Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm wurde im Jahr 1854 fertig gebaut. An der Trassenführung hat sich seitdem nicht viel geändert. Luftlinie sind die Hauptbahnhöfe beider Städte 67 Kilometer voneinander entfernt. Fährt man mit dem Zug, muss dieser aber 86 Kilometer zurücklegen. Die Bahn- strecke folgt einigen Schlenkern und Kurven. Fernzüge benötigen dafür 41 bis 44 Minuten. Geht es nach der Bahn, dann muss das in Zukunft deutlich schneller gehen. Die Fahrzeit soll sich auf 30 Minuten verkürzen. Nur dann lohnt sich nach Ansicht des Konzerns überhaupt der Ausbau. Einig sind sich Experten aber auch: Die 30 Minuten sind nur zu erreichen, wenn die Strecke teilweise neu gebaut wird, idealerweise entlang der Autobahn.
Die schwäbische CSU will dabei aber nicht mitspielen. Nach Informationen unserer Redaktion legten sich die schwäbischen Abgeordneten bei ihrem Treffen in Irsee im Januar darauf fest, dass sie einen Neubau der Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm – auch in Teilbereichen – ablehnen. Stattdessen soll die bestehende Strecke ausgebaut und begradigt werden. Markus Ferber, Europa-Abgeordneter und Bezirksvorsitzender der Partei in Schwaben, hat das auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Diese Lösung sei am schnellsten umsetzbar, begründet Ferber die Entscheidung. Bei einem Neubau von Gleisen entlang der A 8 befürchtet er Probleme mit Grundstückseignern, Anliegern und betroffenen Gemeinden. Auch Klagen gegen eine Neubaustrecke seien denkbar. Dann werde „in 20 Jahren“noch nicht gebaut.
Das Problem ist aber: Bahnexperten sind davon überzeugt, dass allein mit einem Ausbau der bestehenden Strecke die Fahrzeit nicht wesentlich verkürzt werden kann. „Da lassen sich vielleicht noch ein paar Minuten rausholen, mehr aber nicht“, sagt ein Fachmann, der den Bahnverkehr in der Region gut kennt, unserer Redaktion. Die von der Bahn anvisierten Fahrzeiten von 30 Minuten aber sind wichtig. Sie spielen in den Planungen des Konzerns für den Fernverkehr der Zukunft eine große Rolle. Auf vielen Strecken in der Republik peilt die Bahn Städteverbindungen an, die in das 30-Minuten-Raster passen. Das soll den Fernverkehr vereinfachen und das Umsteigen erleichtern. Passt Augsburg künftig nicht in dieses Raster, dann droht die Stadt abgehängt zu werden.
Es wäre nicht das erste Mal. Schon durch die Schnellfahrstrecke zwischen München und Nürnberg über Ingolstadt hat Augsburg verloren. Seit die Strecke im Jahr 2006 eingeweiht wurde, ist Augsburg auf der Nord-Süd-Achse ein Stück weit abgehängt worden. ICE-Verbindungen sind verloren gegangen. Dasselbe könnte sich nun in OstWest-Richtung wiederholen. Züge zwischen München und Frankfurt am Main etwa können ebenfalls bevorzugt über Ingolstadt und Nürnberg geleitet werden. Und die Stadt Augsburg wäre ein weiteres Mal abgehängt. Dieses Risiko sieht auch der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ulrich. Er sagt auf Anfrage: „Eine deutliche Verkürzung der Fahrzeit ist ein entscheidender Faktor.“Er spricht sich deshalb dafür aus, die Bahn nun erst mal planen zu lassen und dann das, was der Konzern vorlegt, genau zu prüfen. Sich bereits jetzt auf eine Variante festzulegen, hält Ulrich für falsch. Damit vertritt er eine ganz andere Sichtweise als sein Parteifreund Markus Ferber. Ulrich geht zudem davon aus, dass ein teilweiser Neubau der Bahnstrecke zwingend nötig ist, um die angepeilten schnelleren Fahrzeiten zu erreichen.
Ein Problem sind die vielen Einzelinteressen, die es in der Region gibt. Die Führung des Bahnkonzerns etwa favorisiert nach Informationen unserer Redaktion einen Gleis-Neubau zwischen Augsburg und Burgau entlang der A 8. Dagegen ist aber unter anderem der Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU). Er weiß dabei im Kreistag eine deutliche Mehrheit hinter sich. Die ohnehin bereits von Lärm und Verkehr geplagten Gemeinden nahe der Autobahn will er nicht weiter belasten. Zudem fürchtet er um den Ausbau der bestehenden Bahnstrecke zwischen Augsburg und Dinkelscherben mit einem dritten Gleis – was deutliche Vorteile für den gewünschten S-Bahn-ähnlichen Regionalverkehr bringen soll.
Ein zweite Variante wäre eine Neubaustrecke von Dinkelscherben bis kurz vor Neu-Ulm. Diese Idee bringt aber wiederum die Politiker aus dem Raum Günzburg auf die Palme. Sie fürchten, dass die Stadt vom Fernverkehr abgehängt würde. Ein CSU-Politiker aus diesem Bereich sitzt an einer wichtigen Position. Hans Reichhart, seit Herbst
Der 30-Minuten-Takt ist die Zukunft des Fernverkehrs
Eine Variante ist ein Neubau entlang der Autobahn
neuer Landesminister für Bauen und Verkehr, stammt aus JettingenScheppach im Kreis Günzburg. Er hat sich bis jetzt nicht positioniert, wie die Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm künftig aussehen soll. In einem Interview sagte er aber, sein Ziel sei es, den Ausbau ohne Klagen über die Bühne zu bringen. Das spricht doch auch eher für die kleine Variante. Die drei Augsburger CSU-Abgeordneten in Bund und Land, Volker Ulrich, Andreas Jäckel und Johannes Hintersberger, haben an diesem Freitag einen Termin mit dem Minister, um ihm die Augsburger Sichtweise zu erklären. Die Augsburger CSU ist ein eigener Bezirksverband.
Augsburgs Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU) ist froh darüber, dass jetzt überhaupt Bewegung in den seit langem diskutierten Ausbau kommt und die Bahn nun im Auftrag des Bundes mit Planungen beginnt. Auch sie warnt aber davor, schon jetzt bestimmte Varianten auszuschließen. Die Gefahr, dass Augsburg beim Fernverkehr sonst den Kürzeren zieht, sieht auch sie. Sie formuliert es diplomatisch. Es gebe, sagt sie, einen „ernst zu nehmenden Wettbewerb mit anderen Verkehrskorridoren“. »