Sie stehlen, bis der Arzt kommt
Kriminalität In deutschen Kliniken wird geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Länder registrieren seit Jahren Zahlen auf hohem Niveau. Was die Langfinger abseits der Wertsachen der Patienten interessiert
München Ob Geldbörsen, Mobiltelefone, Endoskopie-Geräte oder Topfpflanzen – in deutschen Krankenhäusern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Langfinger nutzen die Anonymität in den oft ausgedehnten Gebäudekomplexen – und die Wehrlosigkeit von Patienten. Der jährliche Schaden geht in die Millionen, wie eine Umfrage in Krankenhäusern ergab. Auch Bayern ist stark betroffen. Das belegen Zahlen des Bayerischen Landeskriminalamtes.
Die Kliniken haben insgesamt nur begrenzte Möglichkeiten, dem Treiben der Diebe Einhalt zu gebieten: Sie müssen den Spagat üben zwischen Offenheit für die Besucher der kranken Menschen und deren Sicherheit. Der Patientenverband mahnt allerdings schärfere Eingangskontrollen an.
Zwar gibt es keine bundesweite Statistik, doch welches Ausmaß die Straftaten erreichen, zeigen mehrere Ländererhebungen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden zum Beispiel 2017 fast 6500 Diebstahlsfälle in Krankenhäusern registriert – trotz leichten Rückgangs entspricht das laut Landeskriminalamt (LKA) dem konstant hohen Niveau der Jahre zuvor. Zum Vergleich: 2011 wurden mit 4715 deutlich weniger Diebstähle gezählt. Allein in BadenWürttemberg hat die Schadenssumme 2017 einen Rekordwert von nahezu 2,75 Millionen Euro erreicht.
In Bayern sind die Zahlen zwar leicht rückläufig, bewegen sich aber insgesamt auf hohem Niveau. So registrierte das Bayerische Landeskriminalamt in den Jahren 2013 bis 2015 landesweit Diebstahlzahlen im vierstelligen Bereich. 2016 waren es 1838 Fälle, 2017 dann nur noch 1792 Fälle. Zugleich war aber der finanzielle Gesamtschaden 2017 mit über 1,6 Millionen Euro besonders hoch (zum Vergleich: 2016 betrug er nur 726 000 Euro). Die Ursache: vermehrter Diebstahl von teuren medizinischen Geräten, wie ein LKA-Sprecher mitteilt.
„Krankenhäuser sind große Komplexe mit unkontrolliertem Zugang“, ergänzt Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Für Diebe sei es einfach, auf die Stationen zu kommen und Schubladen und Schränke in leeren Zimmern zu durchwühlen. Deshalb sollten Patienten zumindest vorhan- dene Schließfächer nutzen. Der Allgemeine Patientenverband wünscht sich schärfere Kontrollen in den Eingangsbereichen von Kliniken. Dort müssten sich Besucher anmelden und sagen, wen sie auf welcher Station besuchen wollen, und sich gegebenenfalls ausweisen. „Nicht jeder sollte direkt in eine Klinik hineinspazieren können“, meint Verbandspräsident Christian Zimmermann.