Wie teuer wird diese Koalition?
Hubert Aiwanger ist überzeugt, dass die CSU künftig mit seiner Partei regieren wird. Diese will Alltagsprobleme lösen, sagt er. Durch kostenfreie Kinderbetreuung etwa und günstige Kurzzeitpflege. Andere sagen: Das lässt sich nicht finanzieren
München Für Hubert Aiwanger ist die Sache klar: „Das wird auf uns rauslaufen“, sagt der Chef der Freien Wähler unserer Redaktion. Und will sagen: Die CSU hat in seinen Augen gar keine andere Wahl, als künftig mit den Freien Wählern zu regieren. Nicht nur, weil ein Bündnis der beiden Parteien 112 von 205 Sitzen erreichen würde. „Die Grünen kämen Söder richtig zu teuer zu stehen“, sagt Aiwanger. „Das wird er nicht machen.“
Dabei ist die Sache mit den Kosten auch in einer möglichen schwarz-orangefarbenen Koalition interessant. Denn Aiwanger, Spitzenkandidat und zugleich Parteivorsitzender, hat im Wahlkampf große Versprechen gemacht. Und ziemlich teure dazu. Die Kitas in Bayern sollen kostenfrei werden, die Wirtshäuser weniger Steuern zahlen, Kurzzeit- und Tagespflege ausgebaut werden. Nach den Straßenausbaubeiträgen will er auch die Kosten für die nachträgliche Erschließung von Straßen abschaffen.
Eine „Freibier-Partei“seien die Freien Wähler, hat Ministerpräsident Markus Söder noch vor der Wahl gepoltert. Weil sie Luftschlösser bauten, dem Wähler gern viel versprächen, ohne sich um die Finanzierbarkeit zu kümmern. Dabei gibt Söder selbst so viel Steuergeld für Wahlgeschenke aus wie keiner seiner Vorgänger. Allein die Versprechen, die die CSU noch vor der Wahl umgesetzt hat: Familiengeld, Pflegegeld, Baukindergeld.
Andererseits waren die Christsozialen in der Vergangenheit auch gut darin, so manche Freie-WählerForderung zu übernehmen. Sie haben das neunjährige Gymnasium wieder eingeführt, die Studiengebühren und die Straßenausbaubeiträge abgeschafft.
Hubert Aiwanger lässt das Argument mit den Kosten ohnehin nicht gelten. „Im Gegenteil. Wir gehen billiger raus, als wenn Söder allein weiterregieren würde.“Und das trotz aller Wahlversprechen? Der Niederbayer hat da eine höchst optimistische Rechnung aufgestellt: Er will in einer gemeinsamen Koalition einfach die Prestigeprojekte der CSU beerdigen. So eine Ankündigung, noch bevor die Sondierungsgespräche begonnen haben, mag man gewagt nennt. Oder auch ungelenk. Schließlich sind es die ersten Koalitionsverhandlungen überhaupt für die Aiwanger-Truppe.
„Wir wollen erst einmal Söders Weltraumprogramm massiv zusammenstreichen“, sagt Aiwanger also. Mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr seien dafür veranschlagt. „Wir sind nicht gegen Spitzentechnologie, aber dieses Programm ist nicht finanzierbar.“Bei den Reiterstaffeln der Polizei, Söders „Kavallerie“, die im Jahr 25 Millionen Euro kostet, will er „den Stecker ziehen. Wir sind hier nicht im Wilden Westen.“Und damit nicht genug: Auch das umstrittene Familiengeld, erst seit September in Kraft, soll nach dem Willen der Freien Wähler fallen. „Die kostenfreie Kita ist für weniger Geld zu haben“, sagt Aiwanger und rechnet vor: 800 Millionen Euro im Jahr für das Familiengeld, die kostenfreie Kita käme auf 500 Millionen Euro im Jahr.
In der CSU schütteln da viele nur noch den Kopf. „Freibier ist schnell versprochen“, sagt einer. Und dass Aiwanger ja nicht dazu sage, dass sein Modell der kostenfreien Kita nur für fünf Stunden am Tag gelte – nicht aber für mehr. „Das mag vielleicht in Niederbayern, in der Welt von Herrn Aiwanger funktionieren, aber doch nicht in der Stadt. Da sind fünf Stunden Kinderbetreuung am Tag für viele Familien ein Witz.“Wollten die Freien Wähler die Landbevölkerung etwa besser stellen als die Städter? Ein neues Gefälle schaffen?
Aiwanger sieht noch mehr Änderungsbedarf. Das eingeführte Pflegegeld etwa. „Was hilft es mir, wenn ich 1000 Euro pro Jahr bekomme, weil ich die Oma zuhause pflege? Das sind am Tag 2,70 Euro. Besser wäre, wir hätten genügend Kurzzeitpflegeplätze, möglichst gratis oder möglichst günstig.“Mehr noch: Er fordert eine Bestandsgarantie für Krankenhäuser und Geburtsstationen auf dem Land und bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen.
Aiwanger sagt: „Wir wollen mit dem Steuergeld der Bürger sorgsam umgehen. Und wir wollen die Alltagsprobleme der Bürger lösen.“Schnelles Internet auch auf dem Land, bessere Mobilfunknetze, mehr Unterstützung für private Häuslebauer statt einer neuen staatlichen Wohnbaugesellschaft, mehr Lehrer an den Schulen, verbesserte Nachmittagsbetreuung, neuer Schwung für die Energiewende, mehr Direktvermarktung für die Landwirte. „Das wird kein Aiwanger-Wunschkonzert werden“, sagt einer in der CSU.
In den letzten Monaten hat Aiwanger vor allem auf die CSU und Söder eingehauen. Und Söder hat, wann immer nötig, die Freien Wähler abgetan. Einen besonderen Draht zueinander haben die beiden nicht. Nun müssen sie anfangen, aufeinander zuzugehen. Schon in Gängen im Landtag habe man sich erste Blicke zugeworfen, hat Aiwanger noch am Wahlabend gesagt. Am morgigen Mittwoch starten die Sondierungsgespräche.
Also: Söder als bayerischer Ministerpräsident, Aiwanger als sein Vize? Kann das funktionieren? Aiwanger jedenfalls hat zuletzt in einem Interview klar gemacht, wie er zu Söder steht: „Er ist nicht der Traum meiner schlaflosen Nächte oder mein spezieller Freund. Aber in der Politik muss man Profi genug sein, dass man mit fast jedem zusammenarbeiten können muss.“
Na dann!
Für Söder sind die Freien Wähler eine Freibier-Partei