Friedberger Allgemeine

Damit Kutscher sicher unterwegs sind

Hupende Autos, laute Musik und schreiende Kinder – das bedeutet Stress: Im Meringer Rosshof werden die Fahrer und Pferde für die Teilnahme am Straßenver­kehr und an Umzügen geschult

- VON HEIKE JOHN

Mering Prächtig geschmückt­e Pferdegesp­anne begeistert­en das Publikum unlängst beim traditione­llen Plärrerumz­ug in Augsburg. Auch aus dem Reitstall von Thomas Wurm in Mering - St. Afra waren zwei dabei. „Wir sind auf Anfrage des Hotel- und Gaststätte­nverbands mitgefahre­n“, erzählt Wurm. „Eigentlich ist das der Horror pur für die Pferde“.

Damit solche beliebten Umzüge oder andere Umritte als Brauchtum beibehalte­n werden können, sind die Pferdehalt­er gefragt. „Wir müssen permanent die Fahrqualit­ät verbessern“, sagt Wurm. Bereits zum zweiten Mal veranstalt­ete er daher in diesem Jahr ein Fahrsicher­heitstrain­ing für Kutschenge­spanne. Für zwei Tage wurde die gepachtete Wiese neben der B2 am Rosshof mit einer Umrandung versehen und mit Pylonen zum Parcours gemacht. Zehn befreundet­e Pferdehalt­er mit ihren Gespannen nahmen teil und Fahrlehrer Hans-Peter Schnitzer war als aufmerksam­er Begleiter auf den unterschie­dlichen Gespannen unterwegs. Mit Trenchcoat und Schirmmütz­e ausgestatt­et trotzte er dem Nieselrege­n und gab den Teilnehmer­n hilfreiche Hinweise.

„Ich habe heute gelernt, dass der Friese Aaron sich gut vor der Kutsche im Trab gymnastizi­eren lässt. Wie bei Menschen auch, gibt es Rechts- und Linkshände­r. Aaron und ich sind Rechtshänd­er. Wir arbeiten nun an der schwachen linken Seite“, erzählte Manuela Ringel. Unter Gymnastizi­eren versteht man im Reitsport die Muskulatur für die Ausführung von anspruchsv­ollen Aufgaben systematis­ch zu trainieren. Die Reiterin und Kutschenfa­hrerin fährt die Gespanne des Meringer Rosshofs und ist vielen im Landkreis als Schwimmleh­rerin im Friedberge­r Hallenbad bekannt.

„Nicht jedes Pferd ist zum Kutschefah­ren geeignet“, erklärt Wurm. „Haflinger sind robuster, aber die Friesen wirken halt einfach gigantisch schön vor der Kutsche“. Nur wer sein Gespann gut im Griff hat, kann im Straßenver­kehr sicher teilnehmen. „Oder wie wir vor kurzem den Plärrerein­zug mitfahren“, erklärt Wurm. Laute Musik, eine Menschenme­nge und Kinder, die die Pferde streicheln wollen, das sind alles Faktoren, die für Stress sorgen. „Wenn dann aber bei einem Festumzug auch noch Bonbons ge- worfen werden und die Kinder beim Aufklauben unter die Pferde reinspring­en, dann muss man sein Gespann extrem gut im Griff haben“.

Pferde sind nun mal Fluchttier­e, die gehen schnell durch, wenn der Wind eine am Straßenran­d liegende Plastikpla­ne aufwirbelt oder die Kutsche über einen klappernde­n Metalldeck­el fährst. Dies alles muss eingeübt werden. „Es soll eine möglichst große Harmonie zwischen Kutscher und den eingespann­ten Pferden entstehen“, erklärt Birgit Wolf. Sie fährt seit über 30 Jahren Kutsche und trainiert auch für Dressurfah­rten. Ihr Mann Manfred Wolf aus Kissing wirkt auch bei den Pferdeshow­s in den Dasinger KarlMay-Festspiele­n mit. „Mit Spaß und Geduld kriegt man alles hin“, ist er überzeugt. Das Kutschefah­ren müsse auch pferdescho­nend sein, man muss die Belastungs­grenze der Tiere erkennen.

Wer am Straßenver­kehr teilnimmt, unterliegt den Regeln der Straßenver­kehrsordnu­ng. Diese schreibt unter anderem vor, dass der Fahrer für das Fahren eines Gespannes geeignet sein muss. Wie er diese Eignung nachweist, ist gesetzlich allerdings nicht vorgeschri­eben. Der Kutschenfü­hrerschein, das sogenannte kleine Fahrabzeic­hen allein reiche da nicht aus, ist Rosshofbes­itzer Wurm überzeugt.

Kutschen werden einerseits im Straßenbil­d bewundert, anderersei­ts haben sie einen schlechten Ruf. Dazu kommen Bedenken der Tierschütz­er sowie die Befürworte­r von Elektroant­rieben an den Kutschen der Gespanne am Schloss Neuschwans­tein. „Das ist für uns ein Riesenthem­a“, sagt Wurm, der seit 1983 seinen Reitstall betreibt. „Mit Fahrten für Kindergärt­en und Teilnahmen an Ferienprog­rammen gehen

„Wir wollen ein positives Image“. Reitstallb­etreiber Thomas Wurm

wir bewusst an die Öffentlich­keit. Wir wollen ein positives Image und uns ist es wichtig, dass unsere Kutschenge­spanne rundum sicher unterwegs sind.“Bereits im Frühjahr veranstalt­ete der Reitstall Wurm ein Fahrsicher­heitstrain­ing. „Da waren wir auf einer gepachtete­n Wiese draußen im Lechfeld und wurden doch glatt wegen Eingriffs in die Natur angezeigt“, empört er sich. „Die Polizei kam natürlich umsonst“.

Ein Pferdegesp­ann gilt als normaler Teilnehmer im Straßenver­kehr und als solcher würden sich die Kutschfahr­er manchmal etwas mehr Rücksichtn­ahme wünschen. „Anderersei­ts ist es für mich selbstvers­tändlich, nicht unbedingt bei Berufsverk­ehr mit meiner Kutsche auf der B2 zu zockeln. Genauso gut wie ich als Reiter nicht mit dem Pferd über eine ungemähte Wiese galoppiere“.

OInfo Wer sich für eine Kutschfahr­t inte ressiert, kann sich bei Thomas Wurm unter Telefon 0172/8159409 melden.

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Fotos: Manuela Ringel Pferdekuts­chen sind gleichbere­chtigte Teilnehmer im Straßenver­kehr.
 ??  ?? Fahrtraini­ng auf der grünen Wiese in Mering mit den vorbeirase­nden Autos auf der B2 im Hintergrun­d. Manuela Ringel ist froh, in Mering vom Fahrlehrer Hinweise zu bekommen, wie sie den Friesen vor der Kutsche noch sicherer lenken kann (Bild rechts).
Fahrtraini­ng auf der grünen Wiese in Mering mit den vorbeirase­nden Autos auf der B2 im Hintergrun­d. Manuela Ringel ist froh, in Mering vom Fahrlehrer Hinweise zu bekommen, wie sie den Friesen vor der Kutsche noch sicherer lenken kann (Bild rechts).
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