Was der Deutsche Kulturrat macht und wer der Mann an seiner Spitze ist
Die Öffentlich-Rechtlichen als Gegenbild zu einer Medienwelt, in der das Ringen um Aufmerksamkeit, befeuert durchs Internet, immer mehr zu Zuspitzungen und Erhitzungen führt? Zimmermann: ARD und ZDF sind nicht Twitter. Deshalb kämpft der Kulturrat für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Finanzierung über einen Beitrag aller Haushalte. Weil er gegensteuern muss. Aber die Talkshows im
und im sind ja inzwischen ökonomische Satelliten, die um und kreisen und nicht fest in den Sendern eingebunden sind. Sie werden von Produktionsfirmen gemacht, die in der Regel von den Macherinnen und Machern der Talkshows privatwirtschaftlich betrieben werden. Das ist eine Fehlentwicklung, auch, weil damit ein ökonomischer Aspekt stark in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hineingetragen wird. Und wenn man auf der einen Seite die Sicherheit und Unabhängigkeit durch den Rundfunkbeitrag haben will, dann kann man sich auf der anderen Seite nicht wie ein ganz normales Unternehmen benehmen.
Welche gesellschaftliche Bedeutung sehen Sie denn in diesen Talkshows? Zimmermann: Sie sind zentral als Orte der Diskussion. Auch mit den Geschehnissen dieser Tage stehen wir ja wieder vor der Frage, wie wir
● Der Deutsche Kulturrat, gegründet 1981 und als eigener Verein etab liert 1995, ist der Spitzenverband der deutschen Kulturverbände mit Sitz in Berlin. Zu den untergliederten Sektio nen gehört zum Beispiel der Deut sche Musikrat mit dem Deutschen Ton künstlerverband oder die Deutsche Literaturkonferenz mit dem Börsenver ein des Deutschen Buchhandels.
● Aufgaben des Kulturrates sind unter anderem: die jährliche Auszeichnung „Kulturgroschen“, die einer Person oder einer Institution zukommt, die sich besonders um die Kultur verdient ge
vernünftige Streitkultur in unserem Land etablieren können. Wie wir es hinkriegen, mit Auswüchsen wie in Chemnitz umzugehen – es hilft ja nichts, sie nur zu bedauern. Wir brauchen eine vernünftige Debattenkultur. Und da haben die Talkshows Vorbildcharakter. Deswegen ist es ganz wichtig, was dort diskutiert wird und wie es dort diskutiert wird. Die Shows müssen sich ihrer Rolle bewusster werden und diese ernst nehmen: Sie liefern das Bild, nach dem viele andere Debatten, im Betrieb, in der Familie und, wie wir sehen, auch auf der Straße dann weitergeführt werden.
Bislang erlebt man in Talkshows eher das Misslingen von Kommunikation. macht hat (2018: Norbert Lammert). Außerdem veröffentlicht der Rat seit 2012 eine „Rote Liste Kultur“, um auf bedrohte oder bereits geschlossene Zimmermann: Das macht die Konzeption. Es hat ja etwas Ritualisiertes, was wir da erleben, darum sind es ja auch sehr oft dieselben Menschen, die dort auftreten. Und deren Aufgabe ist es, die politische Position, die sie schon haben und die klar festliegt, rüberzubringen. Das ist natürlich kein Gespräch, sondern das ist eine andere Form von öffentlicher Verlautbarung. Das ist das Problem. Und das hat sich zu einer Kultur erhoben. So scheint es in den Talkshows normal zu sein, wenn ich miteinander rede, dass ich am Schluss genau derselben Meinung bin wie zu Beginn. Aber das ist natürlich keine Diskussion. Eine solche müsste auch die Möglichkeit einer Änderung der eigenen Einsteleine Kultureinrichtungen aufmerksam zu machen. Und zunehmend meldet sich die Institution, die kulturpolitisches Sprachrohr von den Ländern bis zur EU sein soll, auch in gesellschaftlichen Diskussionen zu Wort – durch:
● Olaf Zimmermann, 57 jähriger Hesse und ehemaliger Kunsthändler. Er ist bereits seit 1997 Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Neben vielen anderen Funktionen verleiht er auch den Deutschen Computerspiel preis mit – kritisierte dabei aber kürz lich, dass Hakenkreuze in Games nichts verloren hätten. (ws)
lung mitbringen, eines Kompromisses zumindest. Haben Sie jemals erlebt, dass ein Politiker in einem Talk sagt: „Das ist jetzt mal ein neuer Gedanke, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, da haben Sie recht?“
Zimmermann: Nein. Das gibt es eben nicht. Und das ist genau der Punkt, wo dieser Vorbildcharakter verloren geht. Wenn ich so diskutiere, wie in den Talkshows diskutiert wird, dann darf ich mich nicht wundern, dass die Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet, und dass es natürlich keine gemeinsame Sprache mehr gibt. So wie die Talkshows heute konzipiert sind, kommt jedenfalls
Es gibt immer wieder Kritik, Debatten würden in den Öffentlich-Rechtlichen von einer linksliberalen Perspektive geprägt. Wie sehen Sie das? Zimmermann: Ja, es gibt diesen Vorwurf, vor allem vonseiten der AfD, dass sie mit ihren Standpunkten nicht genügend zu Wort käme … Ich sehe das ganz anders. Die AfD ist vor allem auch deshalb so groß geworden, weil sie weit über das Maß der Angemessenheit vom öffentlichrechtlichen Rundfunk wahrgenommen worden ist – und zwar besonders in Talkshows. Ganz viele der Talkshow-Macher sind liberal gesinnt; es mag auch manche geben, die eher linksliberal gesinnt sind. Ich habe das Gefühl, dass sie, um sich selbst keinem Vorwurf der Einseitigkeit auszusetzen, besonders offen gegenüber Auftritten der „Neuen Rechten“sind. Auch hat die linksliberale Perspektive nicht zu einer größeren Themenvielfalt in den Shows geführt. Und es ist ja nicht so, dass es einen Mangel an anderen wichtigen Themen gäbe. Die Digitalisierung, die Bildung… Das mag kompliziert sein: Schwierige Themen, die wichtig für die Gesellschaft sind, verstehbar zu machen für Menschen, die keine Fachleute sind. Es ist aber eine zentrale Aufgabe für gute Journalisten.