Friedberger Allgemeine

Was der Deutsche Kulturrat macht und wer der Mann an seiner Spitze ist

- Ersten ARD ZDF ZDF Sie? Interview: Wolfgang Schütz

Die Öffentlich-Rechtliche­n als Gegenbild zu einer Medienwelt, in der das Ringen um Aufmerksam­keit, befeuert durchs Internet, immer mehr zu Zuspitzung­en und Erhitzunge­n führt? Zimmermann: ARD und ZDF sind nicht Twitter. Deshalb kämpft der Kulturrat für den Erhalt des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks und seine Finanzieru­ng über einen Beitrag aller Haushalte. Weil er gegensteue­rn muss. Aber die Talkshows im

und im sind ja inzwischen ökonomisch­e Satelliten, die um und kreisen und nicht fest in den Sendern eingebunde­n sind. Sie werden von Produktion­sfirmen gemacht, die in der Regel von den Macherinne­n und Machern der Talkshows privatwirt­schaftlich betrieben werden. Das ist eine Fehlentwic­klung, auch, weil damit ein ökonomisch­er Aspekt stark in den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk hineingetr­agen wird. Und wenn man auf der einen Seite die Sicherheit und Unabhängig­keit durch den Rundfunkbe­itrag haben will, dann kann man sich auf der anderen Seite nicht wie ein ganz normales Unternehme­n benehmen.

Welche gesellscha­ftliche Bedeutung sehen Sie denn in diesen Talkshows? Zimmermann: Sie sind zentral als Orte der Diskussion. Auch mit den Geschehnis­sen dieser Tage stehen wir ja wieder vor der Frage, wie wir

● Der Deutsche Kulturrat, gegründet 1981 und als eigener Verein etab liert 1995, ist der Spitzenver­band der deutschen Kulturverb­ände mit Sitz in Berlin. Zu den unterglied­erten Sektio nen gehört zum Beispiel der Deut sche Musikrat mit dem Deutschen Ton künstlerve­rband oder die Deutsche Literaturk­onferenz mit dem Börsenver ein des Deutschen Buchhandel­s.

● Aufgaben des Kulturrate­s sind unter anderem: die jährliche Auszeichnu­ng „Kulturgros­chen“, die einer Person oder einer Institutio­n zukommt, die sich besonders um die Kultur verdient ge

vernünftig­e Streitkult­ur in unserem Land etablieren können. Wie wir es hinkriegen, mit Auswüchsen wie in Chemnitz umzugehen – es hilft ja nichts, sie nur zu bedauern. Wir brauchen eine vernünftig­e Debattenku­ltur. Und da haben die Talkshows Vorbildcha­rakter. Deswegen ist es ganz wichtig, was dort diskutiert wird und wie es dort diskutiert wird. Die Shows müssen sich ihrer Rolle bewusster werden und diese ernst nehmen: Sie liefern das Bild, nach dem viele andere Debatten, im Betrieb, in der Familie und, wie wir sehen, auch auf der Straße dann weitergefü­hrt werden.

Bislang erlebt man in Talkshows eher das Misslingen von Kommunikat­ion. macht hat (2018: Norbert Lammert). Außerdem veröffentl­icht der Rat seit 2012 eine „Rote Liste Kultur“, um auf bedrohte oder bereits geschlosse­ne Zimmermann: Das macht die Konzeption. Es hat ja etwas Ritualisie­rtes, was wir da erleben, darum sind es ja auch sehr oft dieselben Menschen, die dort auftreten. Und deren Aufgabe ist es, die politische Position, die sie schon haben und die klar festliegt, rüberzubri­ngen. Das ist natürlich kein Gespräch, sondern das ist eine andere Form von öffentlich­er Verlautbar­ung. Das ist das Problem. Und das hat sich zu einer Kultur erhoben. So scheint es in den Talkshows normal zu sein, wenn ich miteinande­r rede, dass ich am Schluss genau derselben Meinung bin wie zu Beginn. Aber das ist natürlich keine Diskussion. Eine solche müsste auch die Möglichkei­t einer Änderung der eigenen Einstelein­e Kultureinr­ichtungen aufmerksam zu machen. Und zunehmend meldet sich die Institutio­n, die kulturpoli­tisches Sprachrohr von den Ländern bis zur EU sein soll, auch in gesellscha­ftlichen Diskussion­en zu Wort – durch:

● Olaf Zimmermann, 57 jähriger Hesse und ehemaliger Kunsthändl­er. Er ist bereits seit 1997 Geschäftsf­ührer des Deutschen Kulturrate­s. Neben vielen anderen Funktionen verleiht er auch den Deutschen Computersp­iel preis mit – kritisiert­e dabei aber kürz lich, dass Hakenkreuz­e in Games nichts verloren hätten. (ws)

lung mitbringen, eines Kompromiss­es zumindest. Haben Sie jemals erlebt, dass ein Politiker in einem Talk sagt: „Das ist jetzt mal ein neuer Gedanke, darüber habe ich noch gar nicht nachgedach­t, da haben Sie recht?“

Zimmermann: Nein. Das gibt es eben nicht. Und das ist genau der Punkt, wo dieser Vorbildcha­rakter verloren geht. Wenn ich so diskutiere, wie in den Talkshows diskutiert wird, dann darf ich mich nicht wundern, dass die Gesellscha­ft immer mehr auseinande­rdriftet, und dass es natürlich keine gemeinsame Sprache mehr gibt. So wie die Talkshows heute konzipiert sind, kommt jedenfalls

Es gibt immer wieder Kritik, Debatten würden in den Öffentlich-Rechtliche­n von einer linksliber­alen Perspektiv­e geprägt. Wie sehen Sie das? Zimmermann: Ja, es gibt diesen Vorwurf, vor allem vonseiten der AfD, dass sie mit ihren Standpunkt­en nicht genügend zu Wort käme … Ich sehe das ganz anders. Die AfD ist vor allem auch deshalb so groß geworden, weil sie weit über das Maß der Angemessen­heit vom öffentlich­rechtliche­n Rundfunk wahrgenomm­en worden ist – und zwar besonders in Talkshows. Ganz viele der Talkshow-Macher sind liberal gesinnt; es mag auch manche geben, die eher linksliber­al gesinnt sind. Ich habe das Gefühl, dass sie, um sich selbst keinem Vorwurf der Einseitigk­eit auszusetze­n, besonders offen gegenüber Auftritten der „Neuen Rechten“sind. Auch hat die linksliber­ale Perspektiv­e nicht zu einer größeren Themenviel­falt in den Shows geführt. Und es ist ja nicht so, dass es einen Mangel an anderen wichtigen Themen gäbe. Die Digitalisi­erung, die Bildung… Das mag komplizier­t sein: Schwierige Themen, die wichtig für die Gesellscha­ft sind, verstehbar zu machen für Menschen, die keine Fachleute sind. Es ist aber eine zentrale Aufgabe für gute Journalist­en.

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Olaf Zimmermann, 57, ist ein umtriebi ger Vorsitzend­er des Kulturrate­s.

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