Mit Spielen zum Erfolg
Halli Galli, Siedler, Dixit – kennt fast jeder. Aber wenige wissen: Die Firma Ludo Fact aus Jettingen stellt sie her. Das zweite Standbein des Familienunternehmens sind erneuerbare Energien. Wie das zusammenpasst
Jettingen Scheppach Wer die A8 an der Ausfahrt Burgau verlässt und in Richtung der 7000-Einwohner-Gemeinde Jettingen-Scheppach im Kreis Günzburg abbiegt, der steuert auf einen Gewerbepark zu. Vor typischen Industriehallen steht Hinguck-Architektur. Runde, hohe, hölzerne Gebäude und irgendwann sticht einem ein Rotton und der Schriftzug Ludo Fact ins Auge. Über den Zaun des Firmengeländes ranken Rosen, der Rasen ist perfekt getrimmt. „Wenn die Mitarbeiter ankommen, sollen sie sich denken: Es ist schön, in die Arbeit zu gehen“, sagt Horst Walz. „Für solche Dinge muss man zwar ein bisschen Geld in die Hand nehmen, aber das zahlt sich aus.“Walz ist Chef der HW-Holding. Einer Firmen-Gruppe, zu der unter anderem der Spielehersteller Ludo Fact gehört. Jeder, der beim Halli-Galli-Spielen Erdbeeren, Limetten, Bananen und Pflaumen zählt oder bei Siedler mit Holz, Wolle, Lehm und Erz handelt, tut das mit Spielen aus Jettingen. Zu der Firmengruppe zählt außerdem ein Unternehmen, das Kraftwerke für regenerative Energie baut und betreut. Zwei Sparten, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben – für den 58-jährigen Jettinger aber gut zusammenpassen. Geht es einer Branche nicht gut, könne das durch die andere aufgefangen werden.
1992 hat Walz die Geschäftsführung des Spieleherstellers übernommen. Damals gehörte die Firma noch zu einem österreichischen Unternehmen. 1995 ergriff er eine Gelegenheit und machte sich selbstständig, indem er den Österreichern diesen Teil der Firma abkaufte. 35 Mitarbeiter hatte Ludo Fact damals. Die Firma produzierte vor allem Karton-Schachteln für Gesellschaftsspiele. Seitdem sind aus 35 Mitarbeitern etwa 600 geworden. Sie produzieren nicht mehr nur Spieleschachteln, sondern kümmern sich um alles, was darin liegt. „Wenn am Ende des Spiels eine Spielfigur-Prinzessin aus einem Turm springen soll, dann überlegen wir uns einen Mechanismus, wie das klappt“, sagt Walz. Und in den 26 Jahren hat er etwas geschafft, was vielen anderen schwerfällt. Er hat die nächste Generation ins Unternehmen geholt. Von seinen drei Kindern arbeiten zwei in der Unternehmensgruppe. Sein Sohn Fabian Walz, 31, ist einer von vier Geschäftsführern. Seine Tochter Stephanie Dengler, 30, verantwortet das Marketing.
Walz steht am Eingang zur Produktionsund Packhalle. Jeder Mitarbeiter, der durch die Tür geht,
blickt auf ein Banner mit einem Hesse-Zitat: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“Das sei seine Philosophie, sagt der Unternehmer und stößt die Tür auf. Dahinter ist es staubig. Es riecht wie in einem Bastelgeschäft. Nach Pappe und Holz. Auf Paletten türmen sich bedruckte Papierbögen, die zu Spielekarten oder Puzzleteilen verarbeitet werden. Maschinen kleben, stanzen, falten. Eine Halle weiter
stehen in drei Reihen Mitarbeiter an Bändern und setzen die einzelnen Bestandteile zu einem Spiel zusammen. Ludo Fact stellt selbst alles her, was aus Karton oder Papier gemacht wird, für den Rest sucht das Unternehmen Zulieferer. Lederwürfelbecher und Holzfiguren kommen aus Europa, Kunststoffteile aus Asien. Im Sommer und bis kurz vor Weihnachten arbeiten die Mitarbeiter in drei Schichten.
Karten, Spielfiguren, Spieleanleitung. Am Ende muss alles in der Verpackung liegen – und alles in der richtigen Menge. „An einem Tag setzen die Mitarbeiter der drei Linien 70 000 Spiele zusammen“, sagt Walz. Die einzelnen Komponenten zu einem fertigen Spiel zusammenzufügen, könne keine Maschine so gut wie ein Mensch. Dafür sind die Teile viel zu unterschiedlich. Seit Walz die Firma leitet, produzierte Ludo Fact 16 Mal das Spiel des Jahres. Und wuchs stetig. Inzwischen gibt es Standorte in den USA und Tschechien. Und es gibt noch das zweite Standbein: die EnergieTochter, zu der die Unternehmen Vento Ludens und Vallo Sol gehören. Sie betreibt und baut Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerke in Deutschland, Schottland und der Schweiz. Vor 18 Jahren hat Walz zudem die Logistik-Firma Ludo Packt gegründet und den gemeinnützigen Verein „Hilfe für Burkina Faso“.
Doch mit dem Wachstum der Firma geht auch eine andere Frage einher, die ihn zunehmend beschäftigt: der Umgang mit den Mitarbeitern. „Als wir noch 60 bis 70 Angestellte hatten, kannte ich jeden. Ich wusste, wer gerade ein Haus baut, wer ein Kind bekommen hat, wer sich scheiden lässt. Ich wusste, was ich von den Mitarbeitern erwarten kann.“Heute gehe das kaum noch. Deshalb denkt Walz viel darüber nach, wie er seine Belegschaft erreicht, wie er ihnen die Werte, für die das Unternehmen steht, vermittelt. Denn: „Der Erfolg eines Unternehmens hängt von den Mitarbeitern ab. Machen sie ihre Arbeit gerne, machen sie sie gut“, glaubt er.
In der Halle, in der die Spiele gepackt werden, bringen ein paar Graffiti-Künstler ein Kunstwerk an. Es zeigt Spielfiguren, die die Kernwerte des Unternehmens symbolisieren: Respekt, Vertrauen, Teamgeist und Verantwortung. „In unserem Unternehmen arbeiten Menschen aus 20 Nationen. Die muss ich zusammenbringen. Ihnen verdeutlichen, was ich mir von ihnen wünsche“, sagt Walz.
Wer mit Walz über das Firmengelände spaziert, der merkt schnell, wie sehr ihn das begeistert, was er tut. Wobei: „Ich habe selbst keine besondere Affinität zu Spielen“, sagt er. Er mag die Branche, die liebenswerten Menschen, die er dort trifft. Aber er betrachtet Spiele eher als Geschäftsmann. Bei den erneuerbaren Energien ist das anders. Wenn er über diese Sparte spricht, sagt er Sätze wie: „Es ist faszinierend, den Wandel in der Branche mitzubekommen und darauf reagieren zu können.“Oder: „Regenerative Energien sind für das Überleben dieser Welt notwendig.“Dass er mit seinen Vorhaben nicht immer auf genauso viel Begeisterung trifft, hat er vor sieben Jahren vor der eigenen Haustür erlebt. Damals plante Vento Ludens entlang der A8 zwischen Zusmarshausen und JettingenScheppach einen Windpark. Einige Anwohner waren davon nicht besonders begeistert. Walz sagt dazu: „Respekt zählt zu den Kernwerten unseres Unternehmens. Wenn sich Widerstand gegen meine Projekte regt, dann muss ich das respektieren. Und einen Weg finden, damit umzugehen.“