Seehofer geht nach Niederlage in die Offensive
Der CSU-Chef kündigt einen harten Kurs in den Koalitionsverhandlungen an. Merkel räumt Mitverantwortung für Polarisierung ein
München/Berlin Trotz einzelner Rücktrittsforderungen nach der historischen Pleite der CSU bei der Bundestagswahl will es Parteichef Horst Seehofer jetzt erst recht wissen. Er übernahm gestern die Verantwortung für das Wahlergebnis. „Wir haben verstanden“, sagte er nach einer sechsstündigen Sitzung des Parteivorstands in München. Zugleich kündigte er einen harten Kurs seiner Partei für die Koalitionsverhandlungen an.
„Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte Seehofer. Ein „Weiter-so“sei nicht mehr möglich. Die AfD könne nur „durch echte Problemlösungen“zurückgedrängt werden. Er wolle vor Sondierungsgesprächen mit möglichen Koalitionspartnern deshalb zuerst mit der CDU reden, um die gemeinsamen Ziele „zu konkretisieren“. Dabei werde er nicht nur auf einer Obergrenze bei der Zuwanderung bestehen, sondern auch schnelle Lösungen bei der Rente und bei der Pflege einfordern.
Ein Rücktritt kommt für Seehofer nicht in Frage. Schon vor der Sitzung zeigte er sich kampfeslustig: „Wenn jemand etwas anderes will, dann soll er es sagen.“Nach der Sitzung war klar, dass er Rückendeckung hat. Nun fordert er von der Union eine Standortbestimmung, „nämlich Mitte-Rechts“.
Der unionsinterne Streit könnte auch Gespräche über ein JamaikaBündnis mit FDP und Grünen erschweren. Kanzlerin und CDUChefin Angela Merkel will daher auch mit der koalitionsunwilligen SPD über eine stabile Regierung sprechen. Sie verteidigte in Berlin ihre umstrittene Migrations- und Flüchtlingspolitik. Zugleich übernahm Merkel persönlich Verantwortung für die politische Polarisierung in Deutschland. Die UnionsVerluste von 8,5 Prozentpunkten seien „auch mit mir verbunden als Person. Und zwar ganz offensichtlich.“Die Kanzlerin will jetzt nicht nur mit FDP und Grünen Koalitionsmöglichkeiten sondieren, sondern auch mit der SPD. Deren Chef Martin Schulz lehnt dies jedoch weiterhin ab.
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