Ein Blick auf zehn Jahre Theaterkunst
An diesem Sonntag endet mit einer Gala auf der Freilichtbühne die Intendanz von Juliane Votteler. Welche Inszenierungen bleiben im Gedächtnis, auf was hätte man verzichten können? Eine Umfrage unter Theatergängern
Andreas Schwab, Abonnent:
Unvergessen ist für mich die Jenu fa in der Inszenierung von Peter Konwitschny. Diese Aufführung fesselte von der ersten bis zur letzten Minute und wirkte noch lange positiv nach. Die Bereitschaft und das Engagement, auch Werke des 20. Jahrhunderts, die großes Format erfordern, auf unsere Bühne zu bringen, kennzeichnen die sehr gute Arbeit der Intendanz.
Besonders unglücklich war ich über die beiden Operetten Fleder maus und Csardasfürstin. Bei aller Offenheit gegenüber zeitgenössischen Deutungen mag es erlaubt sein, das Publikum auch einmal zu verwöhnen. Neben Inszenierungen, die den Charakter der Operette meiner Ansicht nach nicht trafen, sind hier auch die teilweise erheblich unterdurchschnittlichen Leistungen der männlichen Solisten für die schlechten Erinnerungen mitverantwortlich.
Prof. Mathias Mayer, Lehrstuhlinhaber für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Uni Augsburg:
Aus der sehr reichhaltigen und vielfach mutigen Intendanz von Frau Votteler ist mir neben vielen anderen (auch Tristan) die Inszenierung des Don Giovanni (Spielzeit 2012/13) besonders lebendig im Gedächtnis geblieben, eine anschauliche, intelligente und unaufdringliche Interpretation, die ich als glück- liche Verbindung von Musik und Spiel vor Augen habe. Theater und Film würde ich immer lieber getrennt wissen, weshalb ich etwa mit der sonst viel gerühmten Elektra nicht zu Streich gekommen bin. Aber gleich mehrere Besuche von Prokofieffs Ballett Romeo und Julia gehören zu den eindrücklichsten Theaterereignissen der letzten Jahre; im Sprechtheater war es die Anti gone des Sophokles in der Übersetzung Hölderlins, ein großes Wagnis(!), die mich sehr überzeugt hat. Und ein besonders anregendes, dankenswertes Erlebnis war es, als Frau Votteler in der Universität in der Vorlesung über „Literatur und Oper“aus ihrer Arbeit berichtet hat, – eine Intendanz, die durch ihre Ansprüche, Eigenständigkeit und Kreativität wichtige Akzente gesetzt hat!
Klaus Vogelgsang, 2. Vorsitzender Freunde des Theaters:
Eine besonders bemerkenswerte Produktion war Maria Viktoria Linkes Inszenierung von Ödön von Horváth: Der jüngste Tag (2016/17). In dieser Produktion haben Maria Linke und ihr Schauspiel phänomenal gut einen ausgesprochenen Unort fürs Theater erobert und mit dichter Atmosphäre gefüllt. Nach der Vorstellung hatte man das Gefühl, der ganze Martini Park habe von jeher nur darauf gewartet, vom Theater wachgeküsst zu werden.
Die überflüssigste Produktion für mich: Peter Pan in der Inszenierung von Bernadette Sonnenbichler als Weihnachtsstück (2015/16). Für dieses Weihnachtsmärchen war dem Theater, was ja eigentlich schön ist, kein Aufwand zu groß: ein gefeierter Jungstar am Regiepult, große Besetzung, überbordende Ausstattung, volle Maschinerie, pralle Spielfilmlänge. Und dann rauscht die Halligalli-Zappel-Quietsch-Party einfach so an den Kindern vorbei wie einmal durch Disney Channel und Co. gezappt. Aber auch hier gab’s ein Trostpflaster: der Hund als zähneputzendes Kindermädchen.
Thomas Weckbach, Rechtsanwalt und Sponsor des Theaters:
Besonders bemerkenswert fand ich die Inszenierung von Luigi Nonos Intolleranza 1960. Und da muss ich gleich eine weitere Oper anführen: Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk. Probleme hatte ich mit den Musicals. Da gibt es weniger bleibende Erinnerungen, allerdings liegt das auch daran, dass ich mit Musicals einfach weniger anfangen kann.
Silvia Laubenbacher, Moderatorin von Augsburg TV:
Ich kann eigentlich nur loben. Es gab kein Stück, bei dem ich die Vorstellung vorzeitig verlassen habe, aber es gab viele Inszenierungen, in denen etwas gewagt wurde und die künstlerisch und intellektuell ein Zeichen gesetzt haben.: Jenufa, Pla tonow, das Ballett Romeo und Julia. Vor allem ist mir die Oper König Kandaules in Erinnerung, mit dieser schwierigen Musik, die nicht direkt ins Ohr gegangen ist, die aber so fantastisch inszeniert war. Bemerkenswert fand ich die Liebesszene im dritten Akt, die überhaupt nicht peinlich war, aber leidenschaftlich und schön.
Verzichtet hätte ich auf die Kammeroper Weiße Rose in der Brechtbühne, das war überzeichnet.
Karl Heinz Schneider, profilierter ehe maliger SPD Kulturpolitiker:
Ein herausragendes Stück war für mich Die Weber von Augsburg. Es war absolut authentisch, weil es mit der Aufführung in den Dierig-Hallen an die Stätte zurückgeführt hat, an der sich die dargestellten Ereignisse abgespielt haben, und weil den Betroffenen eine Stimme gegeben wurde – und das ohne Rührseligkeit. Sehr beeindruckend!
Einen richtigen Flop zu finden, tue ich mich schwer. Genervt hat mich aber Ein Sommernachtstraum. Da wurde mir Shakespeare zu wenig ernst genommen, das war nur Klamauk.
Prof. Mike Loos, Studiendekan an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg:
Die unterhaltsamste Inszenierung war für mich 2015 Die heilige Johan na der Schlachthöfe, inszeniert von Christian Weise, mit dem wunderbaren Bühnenbild von Julia Oschatz. Witzig, kurzweilig und voller skurriler Wendungen.
Der berührendste Abend war für mich jedoch kein Theater-Event, sondern das Konzert von Patti Smith (2014). Die Wärme, die Präsenz und die Nähe, die die Sängerin an diesem Abend auf die Bühne brachte, berührte das gesamte Publikum sehr tief.
Gerne verzichtet hätte ich auf den Streit um die Theater-Sanierung. Ich war und bin für den Umbau, so wie er jetzt stattfindet. Die Tendenz, professionelle Theaterarbeit gering zu schätzen, stimmt mich traurig.
Gisela Köhler, Vorsitzende der Besu cherorganisation Ins Theater:
Bei mir herrscht absolute Begeisterung, wenn ich an diese letzten zehn Jahre Theater denke. Ich kann mich an gar nichts erinnern, das ich kritisieren müsste. Außergewöhnlich waren die Ballettabende, die auch Menschen von weiter her angezogen haben. Die Galas, die dann ja sogar mit zwei Vorstellungen immer ausverkauft waren und herausragendes Ballett boten; die eindringliche Medea und natürlich Romeo und Julia, das ganz fantastisch war. Vor allem großes Lob für die ausdrucksstarken Tänzer.