Wo liegt die Schamgrenze für Vorstandsgehälter?
Immer öfter nicken Aktionäre auf den Hauptversammlungen nicht mehr einfach nur ab, was die Konzernchefs verdienen. Die Gründe dafür sind vielfältig
Die Hauptversammlungssaison der Dax-Unternehmen ist fast vorbei. Ein Thema stand in diesem Jahr auf vielen Tagesordnungen: die Gehälter der Vorstände. Waren diese Punkte früher eher harmlos und wurden von den Aktionären durchgewunken, so entzünden sich in jüngster Zeit gerade an dieser Frage hitzige Diskussionen – so wie bei dem Unternehmen
wo das Vergütungssystem bei den Aktionären durchfiel. Vorstandsvorsitzender Thomas Ebeling hat vergangenes Jahr 4,3 Millionen Euro verdient – und gehört damit nicht einmal zu den Topverdienern im Dax.
Spitzenreiter der Vorstandsvorsitzenden im Deutschen Aktienindex ist SAP-Manager Bill McDermott mit 14,3 Millionen Euro, knapp gefolgt von VW-Chef Matthias Müller mit 10,1 Millionen Euro. Das Schlusslicht im Dax ist der Vorstandsvorsitzende von In- Reinhard Ploss, der vergangenes Jahr mit 2,3 Millionen Euro nach Hause ging.
In der Öffentlichkeit werden Spitzengehälter über zehn Millionen Euro oft als schamlos und unangemessen bewertet – selbst dann, wenn das Unternehmen sehr gut verdient und in seiner Branche Spitzenreiter ist. Das Vergütungssystem der Vorstände ist ein sehr komplexes Vertragswerk, das von den Unternehmen auf der Hauptversammlung zur Abstimmung gestellt wird. Diese Abstimmungen haben bisher keine bindende Wirkung. Das heißt: Selbst wenn das Vorstandsvergütungssystem nicht die Zustimmung der Aktionäre findet, kann ein Konzern daran festhalten. Der Aufsichtsrat, der grundsätzlich für die Festsetzung der Vorstandsvergütung zuständig ist, wird aber kaum ein Vergütungssystem, das bei der Hauptversammlung durchgefallen ist, weiter durchsetzen wollen.
Die Gründe für Aktionäre, gegen ein Vergütungssystem zu stimmen, sind vielfältig. Oft liegt es einfineon, fach daran, dass die Vertragswerke völlig unverständlich sind. Häufig fehlen auch Vergleichs- oder Beispielsrechnungen, sodass Aktionäre überhaupt nicht feststellen können, wie hoch die maximale Vergütung eines Vorstands werden kann. Oder aber die absolute Höhe der Gehälter wird nicht mehr akzeptiert.
Die komplizierten Vergütungssysteme werden von spezialisierten Unternehmensberatern und Anwälten gestrickt. Sie sind oft so abgefasst, dass selbst der Aufsichtsrat nicht alles versteht. Besonders seit diesem Jahr zeigt sich aber, dass die Aktionäre immer mehr Wert auf Verständlichkeit legen. Was nicht zu verstehen ist, wird auch nicht mehr einfach abgenickt.
Auch in der Politik wird inzwischen über Maßnahmen des Gesetzgebers zur Begrenzung von Vorstandsgehältern debattiert. Gerade in der Bankenbranche, wo in der Finanzkrise der Staat zur Rettung eilen musste, werden hohe Gehälter nicht gerne gesehen. Es gilt der Grundsatz, dass das Einkommen in einem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Leistung stehen muss. Sonst werde ein Mindestmaß an Fairness und Gerechtigkeit nicht mehr eingehalten.
Die politischen Vorschläge gehen so weit, dass fixe Beträge für Vorstandsvorsitzende als Obergrenze gefordert werden. Zum Teil wird aber auch diskutiert, dass Einkommen über eine bestimmte Grenze für die Unternehmen nicht mehr absetzbar sind oder dass die Hauptversammlung rechtlich bindend über diese Systeme entscheidet.
Daniela Bergdolt ist Fach anwältin für Kapitalmarkt recht und Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereini gung für Wertpapierbesitz.