Der Charme des Chamäleons
Hommage für Willi Leininger in ev. Heilig Kreuz
Sie werden immer seltener, die – heute würde man sagen – Allrounder, die es im kulturellen Bereich über den Tellerrand des Spezialisten hinausschaffen. Da denkt man an die „gelehrten“Universalisten des 18./19. Jahrhunderts. Willi Leininger (1907-1971) war durchaus so ein Phänomen. Der Augsburger Komponist, Kritiker (von 1945 bis 1970 für diese Zeitung) und Schriftsteller prägte die hiesige Musikszene mit, quasi als unüberseh- und hörbare Institution. Ihre kleine biografische Charakterisierung konnte die Journalistin Sybille Schiller sogar mit zwei anrührenden Frühlingsgedichten Leiningers umrahmen. Heute auf den Tag genau vor 110 Jahren wurde Leininger in Hessen geboren, der aber bereits als Dreijähriger mit seinen Eltern an den Lech kam.
Passionierte Musiker, die ihn als jungen Künstler noch kannten, aber auch jüngere Interpreten richteten ihm in evangelisch Heilig Kreuz in Augsburg ein Geburtstagskonzert aus. Es führte in Werken kleiner Besetzung sowie mit Orgelstücken Facetten seines Schaffens vor. Leiningers Oeuvre umfasst rund 300 Kompositionen aller Genres.
Es wurde deutlich, dass sich der Komponist Leininger nicht von einem Stil vereinnahmen ließ. Seine Verbindung zur Tradition ist spürbar, gleichzeitig ist er immer für Überraschungen in modernen Grenzbereichen gut. Dabei versteht er das Komponierhandwerk von Grund auf. Die „Missa pro Organum“(1964) vom Kyrie bis zum Agnus Dei huldigt Bach’scher Formensprache, setzt aber auch visionär-impressionistische Klangakzente. Walter Freyn spielte sie so klar wie abschließend das fantasievolle, motorisch und harmonisch aparte Choralkonzert „Ein feste Burg ist unser Gott“(1967).
Ein musikalischer Leckerbissen ist die „Sonata Dorica“für Viola und Cembalo, die Leininger als 22-Jähriger komponierte. Wie er mediterran flirrendes Flair mit archaischen Bewegungsmustern mischt, hat den Charme eines musikalischen Chamäleons. Ähnlich gestaltet ist die „Aria Aeolica“für Violine und Orgel mit ihren pastoralen Klangwellen. Herbert Hübner intonierte die Streicherparts mit sensibler Färbung, präzis begleitet von Heinz Dannenbauer. Auch Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“(1967) pflegt das fein abgestufte Element der Pastorale – eine schöne Aufgabe für Susanne Simenecs fein timbrierten Sopran, besonders auch für Gereon Triers schlanken Flöten-Gestus, alles grundiert von Heinz Dannenbauers Orgelpart. Viel Beifall.