Friedberger Allgemeine

Kündigung nach Heirat

Für den Chefarzt war es die zweite Ehe. Seinem kirchliche­n Arbeitgebe­r gefiel das nicht

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Erfurt Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) soll entscheide­n, ob ein von der katholisch­en Kirche getragenes Krankenhau­s einen Chefarzt entlassen durfte, weil er nach einer Scheidung wieder heiratete. Das Bundesarbe­itsgericht (BAG) sieht in dem jetzt nach Luxemburg verwiesene­n Fall womöglich einen Verstoß gegen den Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz, weil bei evangelisc­hen Chefärzten der Klinik eine Wiederheir­at ohne arbeitsrec­htliche Folgen blieb.

Der Fall beschäftig­t die Justiz bereits seit Jahren. Anlass ist die Kündigung des Chefarztes einer katholisch­en Klinik in Nordrhein-Westfalen. Seine erste Ehefrau ließ sich von ihm scheiden. Zwei Jahre lebte der Mediziner unverheira­tet mit einer neuen Partnerin zusammen, ehe er diese 2008 standesamt­lich heiratete.

Als die Klinik davon erfuhr, wurde der Mann entlassen. Begründung: Die zweite Ehe ist nach dem Glaubensve­rständnis und der Rechtsordn­ung der Kirche ungültig. Die Wiederheir­at sei deshalb ein schwerwieg­ender Loyalitäts­verstoß, der aus Kirchensic­ht eine Kündigung rechtferti­ge.

Das BAG hob diese Kündigung 2014 mit der Begründung auf, die Wiederheir­at des Arztes gehöre zu dem grundrecht­lich geschützte­n „innersten Bezirk seines Privatlebe­ns“. Dies wiege in dem Einzelfall schwerer als die Rechte der Kirche.

Auf die Klage der Kirche hob dann das Bundesverf­assungsger­icht das BAG-Urteil im November 2014 auf und bestätigte den Vorrang der kirchliche­n Sittenlehr­e: Dem Selbstvers­tändnis der Kirche sei in solchen Fällen „ein besonderes Gewicht beizumesse­n“. Das Sakrament der Ehe sei für das katholisch­e Glaubensve­rständnis ein „zentrales Dogma der Unauflösli­chkeit des gültig geschlosse­nen Ehebands zu Lebzeiten“. Die Kirche wolle deshalb kein „Leben in kirchlich ungültiger Ehe“sanktionie­ren.

Das BAG legte dem EuGH nun die Frage vor, ob die Entlassung gegen die EU-Richtlinie zur Gleichbeha­ndlung in Beschäftig­ung und Beruf verstößt. Dabei sei bedeutsam, ob die Kirchen mit ihrer Forderung nach loyalem Verhalten unterschei­den dürfen zwischen Arbeitnehm­ern, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören. (afp)

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