Die Kinder-Diebe vom Bahnhof Zoo
Seit Jahren sind rumänische Jugendbanden auf Beutezug durch Berlin und andere europäische Metropolen. Gleichzeitig entstehen in ihrer armen Heimat Nobelvillen. Zufall? Die Polizei hat einen Zusammenhang gefunden und die Drahtzieher gefasst: Es sind die El
Berlin Rums! Die Rolltreppe am Berliner Bahnhof Zoo hält abrupt an. Ein älterer Herr steht da und schaut sich fragend um. Dass die Rolltreppe einfach so stehen bleibt, im Trubel des Bahnhofs, hat er selten erlebt. Kinder eilen an ihm vorbei, sie streifen seinen Oberkörper. Nach kurzer Zeit setzt sich die Rolltreppe wieder in Bewegung. Als wäre nichts gewesen.
Der Grund für den unerwarteten Stopp wird sich noch zeigen. Der ältere Herr jedenfalls will später etwas bezahlen. Er greift an seine Gesäßtasche, um den Geldbeutel herauszuziehen. Aber da ist nichts. Der Geldbeutel – weg. 180 Euro – weg. Wieder hat die Taschendieb-Mafia zugeschlagen, wie so oft in letzter Zeit auf Berliner Bahnhofs-Rolltreppen. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl der Taschendiebstähle in der Hauptstadt verdoppelt.
Neben Berlin sind auch München und Köln zu Schwerpunkten des organisierten Taschendiebstahls geworden, sagt die Bundespolizei. So wie Paris, Madrid oder andere westeuropäische Metropolen auch. Meist sind Touristen oder ältere Passanten die Opfer. In Deutschland gab es der Bundespolizei zufolge im vergangenen Jahr 168 000 Taschendiebstähle, 2009 waren es noch 92000 – ein Anstieg von weit über 80 Prozent. Der dabei entstandene Schaden beträgt rund 51 Millionen Euro. „Da viele Diebstähle nicht angezeigt oder gar nicht erst bemerkt werden, liegt die Dunkelziffer bei den Taschendiebstählen wohl wesentlich höher“, sagt der Berliner Staatsanwalt Dirk Eckert.
Dass hinter den Taten oft Jugendbanden stecken, die aus Rumänien kommen, ist den Behörden
„Zum ersten Mal ist es uns gelungen, die Hintermänner einer europaweit agierenden Bande aufzuspüren.“
vom Tatort und suchen sich an einem neuen Ort ihre nächste Zielperson. „Sie nutzen jede Gelegenheit, teilweise im Minutentakt“, sagt Chefermittler Markus Haustein von der Berliner Bundespolizei. Die Bestohlenen merken meist nichts. Und wenn doch, dann ist es oft zu spät.
Die Jugendlichen seien geübt im Klauen, sagen die Ermittler, hätten jahrelang in ihrer Heimat für ihre zukünftigen Einsätze in Westeuropa „trainiert“. Werden sie doch erwischt, können sie sich meist nicht ausweisen und geben falsche Namen und ein falsches Alter an. Die Polizei hat dann oft nur die Möglichkeit, die angeblich maximal 13-Jährigen – bis zu diesem Alter sind sie nicht strafmündig – zum Kindernotdienst zu bringen. Dort verschwinden sie schnell wieder.
Iasi, die Stadt mit ihren gut 300000 Einwohnern, gilt als „Schule“der Taschendiebe, als Brutstätte des organisierten Verbrechens. „Die große Mehrheit der Roma in Iasi lebt von der Bettelei oder dem Diebstahl“, sagt die regionale Regierungsverantwortliche für die Roma in Rumänien, Elena Motas, die selbst den Roma angehört, in einem Interview mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Der Gang in den Westen zum Stehlen sei für die Jugend zur Normalität geworden, während die älteren, meist arbeitslosen Generationen zu Hause das illegal erworbene Geld verwalten. „Den Kindern wird beigebracht, sich für das Wohl ihrer Eltern verantwortlich zu fühlen. Es handelt sich hierbei um eine Art emotionale Erpressung der Eltern“, sagt Motas.
In den westeuropäischen Metropolen angekommen, ziehen die Kinder tagsüber durch die Stadt, um zu stehlen oder, wie sie es selbst ausdrücken, geschäftlich unterwegs zu
„Die Täter nutzen jede Gelegenheit, teilweise im Minutentakt.“