„Nenn mir einen Grund, warum ich Tatort schauen sollte“
Die beiden Allgäuer Krimiautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr im munteren Streitgespräch
Michael Kobr: Hast du den Tatort letzte Woche gesehen?
Volker Klüpfel: Nö.
Kobr: Den Münster-Tatort…
Klüpfel: Nö.
Kobr: Du hast keinen Münster-Tatort gesehen?
Klüpfel: Ich schau doch nie Tatort.
Kobr: Aber den Münster-Tatort schauen doch alle an!
Klüpfel: Ich schau überhaupt keinen Tatort. Nenn mir einen Grund, warum ich Tatort anschauen sollte.
Kobr: Zum Beispiel, weil es den schon seit 50 Jahren gibt. Jeder schaut Tatort an! Warum schaust du keinen an, jetzt sag mal…
Klüpfel: Ich finde Tatort immer so ein bisschen… Ich mag ja Krimis…
Kobr: Echt?
Klüpfel: Aber am Tatort stört mich, dass er immer versucht, ein gesellschaftlich relevantes Problem anzupacken und in so eine Schicht zu gehen, die man sonst nicht sieht. Das braucht man doch nicht. Wenn, dann will ich einen Krimi sehen, der spannend ist und nicht dieses ganze soziale Gedöns drum herum.
Kobr: Das hast du doch nur bei diesen Event-Tatorten.
Klüpfel: Die schau ich an.
Kobr: Aber das sind doch genau die, die das machen.
Klüpfel: Nein, das sind die, in denen der Tatort-Kommissar als Schauspieler sich selber spielt oder sie wie bei Shakespeare oder Schiller im Chor sprechen.
Kobr: Ja, das sind die mit dieser Meta-Ebene, die mag ich nicht so. Ich mag diesen ganz normalen Tatort, wie zum Beispiel früher die München-Tatorte mit Gustl Bayrhammer und Helmut Fischer.
Klüpfel: Das ist Pumuckl.
Kobr: Nein. Aber daher kommt das doch alles, weil Bayrhammer und Fischer ja seinerzeit schon Kommissare waren und später im Monaco Franze wieder – das ist Meta-Ebene!
Klüpfel: Trotzdem. Ich schau ja zum Beispiel auch nur dann Fußball, wenn Weltmeisterschaft ist. Das ganz Normale, die Kärrnerarbeit im Maschinenraum interessiert mich nicht. Ich schau nur die Sahnehäubchen.
Kobr: Du bist also das, was unter Tatort-Schauern so unbeliebt ist. Du schaust wahrscheinlich auch die von und mit Til Schweiger…
Klüpfel: Ja genau.
Kobr: Ach komm, das sind doch keine Tatorte! Tatort, das ist Alltag – wie zum Beispiel in Wien, wo auch einfach mal nicht viel passiert.
Klüpfel: Weißt du, was ich sehr gut verstanden habe? Als Til Schweiger gesagt hat, man müsste den TatortVorspann mal moderner machen.
Kobr: Überhaupt nicht!
Klüpfel: Der ist seit 50 Jahren gleich, das geht doch nicht.
Kobr: Doch, genau das macht es aus, das wollen die Leute!
Klüpfel: Warum hast du dann damals eigentlich Nein gesagt, als es darum ging, dass unser Kluftinger TatortKommissar werden sollte?
Kobr: Das hätten wir doch gar nicht geschafft. Dann wäre er so beliebt geworden wie zum Beispiel der Münster-Tatort. Dann hätten die Leute erwartet, dass wir jede Woche einen Kluftinger-Tatort machen.
Klüpfel: Mich regt ja auch auf, dass jeden Samstag in der Zeitung eine Kolumne steht über den nächsten Tatort. Ich will nichts gegen meine Heimatzeitung sagen, ich hab’ sie abonniert, aber den Platz könnte man besser verwenden.
Kobr: Aber der Tatort ist nach 50 Jahren so ein gesellschaftliches Ereignis, dass er durchaus eine Relevanz in der Presse hat.
Klüpfel: Du redest viel mehr als ich, du meinst, du bist der Hauptkommissar und ich nur der Hiwi! Aber jetzt sag ich auch mal was: Der Tatort wird zu einem Event gemacht. Er ist keines. Das stört mich.
Kobr: ja ab.
Klüpfel: Nein, ich meine die TatortEventisierung an sich. Können wir uns darauf einigen, dass wir die ablehnen?
Kobr: Ja. Das hat der Tatort auch gar nicht nötig. Nach 50 Jahren ist er sowieso ein Selbstläufer.
Klüpfel: Friede?
Kobr: Freude! Eierkuchen!
Klüpfel: Und ich schau nächsten Sonntag keinen Tatort.
Kobr: Aber die Münster-Tatorte, die musst du anschauen. Denn jetzt zum Schluss verrate ich dir noch ein Geheimnis. Der Börne und der Thiel – die sind ein bisschen wie Kluftinger und Langhammer.
Klüpfel: Ach du Sch... – ein Grund mehr, es nicht anzuschauen.
ODiese Event-Tatorte lehne ich
Aufgezeichnet von Ida König
Video Das ganze Gespräch der beiden Autoren der millionenfach verkauften AllgäuKrimis mit Kommissar Kluftinger können Sie sich im Internet als Video ansehen unter augsburgerallgemeine.de/ kluftingertatort.