Schäuble hofft auf Impfbereitschaft
Erst ein Impfstoff könnte die Corona-Krise beenden. Doch viele Bürger stehen dem kritisch gegenüber – daher nun ein Appell des Bundestagspräsidenten
Berlin Es ist die große Hoffnung der Politik: Ein Impfstoff soll spätestens im nächsten Jahr die Pandemie ausbremsen, die Wissenschaft macht große Fortschritte. Doch zugleich wird immer deutlicher, dass die Skepsis vieler Menschen groß ist. Deshalb richtet Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble einen dringenden Appell an die Bevölkerung: „Wir brauchen die Bereitschaft der Menschen, sich impfen zu lassen“, sagt er im Interview mit unserer Redaktion. Eine Impfpflicht werde es trotzdem nicht geben.
Eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos kommt zu dem Ergebnis, dass sich zwar zwei Drittel der Deutschen impfen lassen wollen – aber eben nicht sofort. Nur 23 Prozent der Befragten möchten sich impfen lassen, sobald der Impfstoff zur Verfügung steht. 47 Prozent würden zumindest drei Monate warten. Der Grund für das zögerliche Verhalten: Vielen fehlt das Vertrauen in das schnelle Verfahren.
Geht die Rechnung der Politik also nicht auf? „Ich gehe davon aus, dass die Zustimmung zum Impfen wieder wächst, wenn die Versorgung mit Impfstoffen erst einmal anläuft“, sagt Schäuble. In der ersten Impfrunde sollten ohnehin vor allem diejenigen berücksichtigt werden, die unmittelbar mit infizierten und mit besonders gefährdeten Menschen zu tun haben. „Grundsätzlich bin ich sehr froh, dass nun bald verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stehen – entwickelt auch in Deutschland“, sagt der CDU-Politiker. Selbst sei er aufgeschlossen gegenüber der Impfung. „Und so werde ich wie viele andere vermutlich relativ bald in Abwägung der Risiken und möglicher Nebenwirkungen sagen können: Ja, ich bin froh, wenn ich die Impfung bekommen kann.“
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek äußert derweil die Hoffnung, „dass wir noch vor Ende des Jahres erste Impfungen vornehmen können“. Sie verwies zur Begründung unter anderem auf die Beratungen der US-Arzneimittelbehörde FDA über eine Notfallzulassung von Anti-Corona-Seren am 10. Dezember und die öffentliche Videokonferenz der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) einen Tag später. Die Zulassung der Impfstoffe in einem beschleunigten Verfahren bedeute nicht, dass Zugeständnisse an die Qualität gemacht würden, betont Karliczek. Wenn es auch nur den leisesten Zweifel am Zulassungsverfahren geben würde, wäre das der „Todesstoß“für das Vertrauen der Bevölkerung.
Wie wichtig die Zulassung eines Impfstoffes ist, zeigt eine andere Zahl: Mehr als eine Million Menschen in Deutschland hat sich seit Beginn der Pandemie nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Viele Infektionen dürften aber unentdeckt geblieben sein, auch weil viele Menschen keine oder kaum Symptome entwickeln. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Freitag um 426 auf insgesamt 15 586.
Unterdessen bereitet sich der Freistaat auf große Impfaktionen vor. Bereits Anfang des Monats hatte das bayerische Gesundheitsministerium die 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte angewiesen, Impfzentren einzurichten. Diese müssen bis Mitte Dezember einsatzbereit sein, was für viele Gesundheitsbehörden auf regionaler Ebene erheblichen Mehraufwand bedeutet. Doch beispielsweise der Landrat des Unterallgäus, Alex Eder (Freie Wähler), ist sich sicher, dass diese Aufgabe termingerecht gelöst werden kann. Wer dann zuerst geimpft wird, liegt für Melanie Huml, bayerische Gesundheitsministerin, auf der Hand: „Vorgesehen ist auf freiwilliger Basis zunächst eine Impfung für besonders gefährdete Gruppen wie Menschen hohen Alters und Menschen mit chronischen Erkrankungen“, sagte die CSU-Politikerin gegenüber unserer Redaktion. Ebenso sollen etwa Pfleger, Ärzte, Feuerwehrleute und Polizisten rasch geimpft werden.
Im Leitartikel lesen Sie ein Plädoyer für einen stillen Advent, in der Politik eine Erklärung für die steigenden Todeszahlen sowie das Interview mit Wolfgang Schäuble, im Kommentar geht es um die Impfskepsis und auf Bayern erklären wir die bayerische Impfstrategie.