3D Druck Pioniere
Die Friedberger Firma Voxeljet gehört zu den weltweit führenden Unternehmen in dieser Branche. Ein Spezialprodukt kam sogar in einem James-Bond-Streifen zum Einsatz
Friedberg Bayern in den 1990er Jahren: Ministerpräsident Edmund Stoiber setzt auf Hightech, der Freistaat verkauft seine Beteiligungen und fördert mit dem Privatisierungserlös neue Unternehmungen, im Münchner Raum wird eine Gründungswelle losgetreten. „Wir hatten damals eine spezielle Zeit“, erinnert sich Ingo Ederer, der zu der Zeit an der Technischen Universität der Landeshauptstadt Maschinenbau studierte. Businessplan-Wettbewerbe, Coachings und Wagniskapital ebneten jungen Leuten den Weg in die Selbstständigkeit. Und wie viele seiner Kommilitonen ergriff auch Ederer ohne unternehmerischen Hintergrund und eigenes Geld die Chance: Am 5. Mai 1999 startete die Firma Voxeljet mit vier Mitarbeitern in den Räumen der TU München – heute zählt das Unternehmen aus Friedberg bei Augsburg zu den weltweit führenden Herstellern industrieller 3D-Drucksysteme.
Die Technik ermöglicht es, Partikelmaterial schichtweise zu verkleben und damit dreidimensionale Objekte herzustellen. Wo bisher in mühevoller Handarbeit Gussprototypen oder Modelle entstanden, kommen dank dieses Verfahrens selbst hochkomplexe Formen passgenau und schnell aus dem Drucker. Voxeljet entwickelt und baut nicht nur die nötigen Maschinen samt zugehöriger Geräte, sondern bietet auch einen 3D-Druckservice für Kunden, für die sich der Kauf nicht lohnt. Schließlich kosten die Drucker zwischen 120 000 und 1,6 Millionen Euro, sodass die Anschaffung erst bei Herstellung größerer Stückzahlen rentabel wird. Daneben installiert und betreibt Voxeljet auch Anlagen im Auftrag der Kunden.
Verschiedene Mittelständler waren Ende der 90er bereits mit Erfolg auf diesem Feld tätig, doch Ederer wollte eine weitergehende Anwendung: Nicht nur Formen und Prototypen, sondern anwendbare Teile sollten gefertigt werden. „Und damit sind wir inzwischen ganz gut unterwegs“, sagt der promovierte Ingenieur. Inzwischen erwirtschaftet Voxeljet einen Umsatz von rund 23 Millionen Euro im Jahr. Aus dem Vier-Mann-Betrieb ist ein börsennotiertes Unternehmen mit 300 Mitarbeitern und Niederlassungen in den USA, Großbritannien, Indien und China geworden. Der Hauptsitz in Friedberg hat sich dabei als ideal erwiesen. „Wir sind mitten drin in der europäischen Automobilindustrie“, sagt Finanzvorstand Rudolf Franz, der vor einigen Jahren als Gesellschafter in das Unternehmen eingestiegen ist. Denn die Automobilindustrie gehört neben der Luftfahrt zu den wichtigsten Kunden von Voxeljet. Nicht nur BMW, Audi, Mercedes und Porsche sind quasi vor der Haustür – kein europäischer Produktionsstandort der Branche ist weiter als 2000 Kilometer von Friedberg entfernt.
Ebenfalls mit einem Auto zu tun hat der bisher größte PR-Coup, der Voxeljet gelang: Für den JamesBond-Streifen „Skyfall“wurde ein detailgenaues Modell des Aston Martin DB 5 gefertigt, das beim großen Showdown in einem Feuerball explodierte. Aber auch Architektur, Kunst und Möbeldesign sind Geschäftsfelder, in denen sich die 3D-Drucktechnik etabliert hat.
Erst vor kurzem wurde am Hauptsitz eine Maschinenbauhalle mit hochmoderner Lehrwerkstatt für Azubis und einem neuen Verwaltungsgebäude eingeweiht. Mit der High-Tech-Firma ist ein Hauch Silicon Valley in den Friedberger Businesspark am See eingezogen, ein Gewerbegebiet mit mehrfach prämierter Architektur. Die Chefs treten leger auf, man pflegt das kollegiale Du. Auch in einem weitgehend leer gefegten Arbeitskräftemarkt hat Voxeljet keine Probleme, freie Stellen zu besetzen. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten liegt bei 32 Jahren. „Wir können mit unserem Thema junge Leute ansprechen“, sagt Rudolf Franz. Schulpartnerschaften und ein regelmäßiger Austausch mit den Hochschulen sorgen für das nötige Netzwerk.
Dass der 3D-Druck eine Zukunftstechnologie ist, sehen offenbar auch die Anleger so: 2013 ging Voxeljet in New York an die Börse. Die Aktien wurden damals für 13 Dollar ausgegeben, zwischenzeitlich schnellte der Kurs auf über 70 Dollar nach oben, und Voxeljet hatte vorübergehend einen Wert von 1,2 Milliarden. „Wir haben ein perfektes Zeitfenster erwischt“, sagt Franz. Rund 100 Millionen Dollar, umgerechnet 118 Millionen Euro, frisches Kapital kamen auf diese Weise ins Unternehmen. Dass die Papiere derzeit bei etwa 3,50 Dollar liegen – mit zuletzt leichter Tendenz nach oben – nehmen die Firmenchefs gelassen. „Wir sind im Moment unterbewertet“, sagt Finanzvorstand Franz. Die Kapitalmärkte sorgen weiterhin für ausreichend Liquidität. Zuletzt gab die European Investment Bank ein Darlehen von 25 Millionen Euro.
„Wir wollen nie unter einen gewissen Cash-Pegel fallen“, erläutert Franz. Denn die Expansion kostet Geld – so viel, dass das Unternehmen entgegen allen Voraussagen nach wie vor Verluste macht. Während der Dienstleistungsbereich schwarze Zahlen erwirtschaftet, sind die verkauften Drucker aufgrund der geringen Stückzahl nicht rentabel: Gerade zehn neue und fünf gebrauchte Drucker wurden laut Geschäftsbericht im Jahr 2017 verkauft. Voxeljets Pech: Die Geräte haben lange Laufzeiten. „Wir haben 18 Jahre alte Anlagen im Unternehmen. Keines unserer Systeme wurde je verschrottet“, sagt Ingo Ederer.
„100 Millionen sind viel, aber auch wenig, wenn man expandiert“, sagt Franz mit Blick auf den Börsengang 2013. Die Entwicklungskosten für die Hochleistungsdrucker seien hoch, und die Erträge kämen zeitverzögert. In den vergangenen fünf Jahren sei das Unternehmen darum nicht profitabel gewesen. Allein 2017 wurde unter dem Strich ein Minus von 8,5 Millionen Euro ausgewiesen, nach 11,3 Millionen Verlust im Vorjahr. 40 Maschinen müsste Voxeljet verkaufen, um in die Gewinnzone zu kommen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das in den nächsten zwei Jahren hinkriegen“, betont Franz. Für 2018 ist ein Umsatzsprung von 23 auf nahezu 30 Millionen Euro eingeplant.
Ebenso wie die Kapitalmärkte glauben auch die beiden Vorstandsmitglieder, die gemeinsam 25 Prozent der Unternehmensanteile halten, an ihre Technologie. Fünf bis zehn Jahre seien sie noch unterwegs, um in der Fläche Produktionsabläufe zu ersetzen, schätzt Rudolf Franz. „Solange der Kapitalmarkt an uns glaubt und wir in der Lage sind, in die Zukunft zu investieren, machen wir das“, ergänzt Ingo Ederer.