Warum Anerkennung nicht das Wichtigste ist
Wer seine Motivation nur aus dem Lob anderer zieht, bekommt ein Problem
Bitte nehmt mir meine drei Sterne weg!“– mit dieser ungewöhnlichen Bitte wandte sich der französische Spitzenkoch Sébastien Bras an die Macher des Guide Michelin. Ein Koch, der keine Sterne will? Wie kann das sein?
Die britische Zeitung The Guardian ist dieser Frage nachgegangen. Sie fand heraus, dass Bras nicht deswegen von der Sterneliste gestrichen werden wollte, weil er keine Lust mehr auf die höchsten Qualitätsstandards hatte oder massentauglicher kochen wollte. Im Gegenteil. Er will in der Spitzenliga mitkochen – aber auf gar keinen Fall mehr für Sterne. Was ihn interessiert, ist nicht das Urteil von außen, sondern die Arbeit zu leisten, die ihm selbst etwas bedeutet. Sich an seinen eigenen Maßstäben messen und zufriedene Gäste haben – darauf kommt es ihm an. Ich bin beeindruckt. Bras erzeugt ein Spannungsfeld, über das es sich lohnt, nachzudenken.
Natürlich braucht jeder Anerkennung durch andere. Denn allein mit der Motivation aus sich selbst heraus wird niemand auf Dauer glücklich. Wir wollen, dass unsere Leistungen von anderen wahrgenommen und geschätzt werden. Das hat eine Nebenwirkung: Anerkennung kommt per Definition von außen. Wer die Anerkennung braucht, der begibt sich immer in eine Abhängigkeit.
Wenn die Anerkennung die Hauptspeise ist, dann können Sie ohne sie emotional verhungern. Ist die Anerkennung aber die Beilage oder das Dessert, dann können Sie sie unbeschwert genießen. Denn dann sind Sie bereits gut genährt. Erst wenn Sie auch ohne Dessert leben könnten, wird ein Dessert zur Freude. Nur woraus besteht dann die Hauptspeise, wenn die Anerkennung der Nachtisch ist? Die Hauptspeise vermute ich – und der Sterneverzichter Bras – liegt im Inneren des Menschen. Sie muss etwas mit der Seele des Menschen zu tun haben, seiner Persönlichkeit und seinen Wünschen. Es ist gut, sich regelmäßig die Fragen zu stellen: Worum soll es in meinem Leben gehen? Was ist mein Lebenszweck? Welchen Zielen laufe ich hinterher? Ganz im Außen zu leben, ist genauso schädlich wie ganz im Innen. Es kommt auf die Gewichtung an. Die Anerkennung Ihres Tuns ist wichtig, sie sollte aber nicht zum Zielmagnet Ihres Lebens werden.