Eine seltsame Freundschaft
Zwei ältere Engländer, die sich vor langer Zeit in Kalifornien begegnet sind, trafen sich im Jahr 1956 ein letztes Mal in der Schweiz. Der eine lebte dort in einer Art Exil, weil seine amerikanische Wahlheimat ihn hinausgeekelt hat. Der andere hatte sich gerade schweren Herzens aus der großen Politik verabschiedet. Es war eine kurze letzte Begegnung zweier bedeutender, unterschiedlicher Männer, die eine ungewöhnliche Freundschaft verband.
Eine Hollywood-Party hatte die beiden im Jahr 1929 erstmals zusammengeführt. Der Hausherr und Zeitungs-Zar Randolph Hearst hatte einen ganzen Himmel aus Filmstars eingeladen. Nur Greta Garbo ließ sich wie üblich nicht blicken. Der leuchtendste Star war Charlie Chaplin, der große Regisseur, Schauspieler und Erfinder des unverwüstlichen kleinen Vagabunden mit dem Bowler-Hut. Aber da war noch ein anderer, aus einem ganz anderen Metier. Ihm zu Ehren wurde dieses Fest gegeben: Winston Churchill, der britische Kriegsheld, Kriegsreporter, Schriftsteller und Politiker. Churchill war weltberühmt, lange bevor er Hitler Einhalt gebot.
Er kam aus edelster Familie, war Spross des Fürstenhauses von Marlboro, geboren im Schloss Blenheim. Chaplin kam aus ärmlichsten Verhältnissen, geboren im damals schäbigen Süden Londons und immer wieder im Waisenhaus untergebracht, weil seine alleinerziehende Mutter als Varieté-Darstellerin durchs Königreich tingelte. Chaplin ein linker Rebell, Churchill ein Konservativer mit Neigung zur Rebellion.
Dort, in Hollywood, stieß quasi das alte englische Klassensystem aufeinander. Aber die beiden verstanden sich prächtig. Churchill kam oft nach Amerika, in politischer wie privater Mission. Er hatte eine amerikanische Mutter. Und immer wieder traf er sich dort mit Chaplin. Und wenn Chaplin nach England kam, um für einen seiner Filme zu werben, erwartete ihn stets eine Einladung bei den Churchills. Sie stritten über Politik und unterhielten sich blendend über die Künste. Chaplin komponierte selber viele seiner Filmmusiken, Churchill war ein begabter Maler. Was war es nur, das diese beiden so gegensätzlichen Männer zueinander zog? Michael Köhlmeier bietet in seinem Roman „Zwei Herren am Strand“eine Erklärung an: Es war der „schwarze Hund“, die wiederkehrende Depression, die beide ihr Leben lang plagte.