Donauwoerther Zeitung

Obama und Kerry schlagen Pflöcke ein

USA Die scheidende Regierung zeigt im Nahostkonf­likt noch einmal Flagge. Eine UN-Resolution und eine flammende Grundsatzr­ede sollen die Zwei-Staaten-Lösung am Leben erhalten. Doch Trump sitzt am längeren Hebel

- VON THOMAS SEIBERT

Washington Sean Spicer kennt seinen Chef: „Er ist keiner, der sich zurücklehn­t und abwartet“, sagte der künftige Sprecher des Weißen Hauses in Washington kürzlich über den künftigen Präsidente­n Donald Trump. Auf CNN war Spicer zu den Kommentare­n Trumps zum Nahostkonf­likt gefragt worden. „Er wollte gehört werden“, sagte Spicer. Jetzt ist klar: Trump mag es nicht, dass der scheidende Amtsinhabe­r Barack Obama im Nahen Osten noch ein paar Pflöcke einschlägt, bevor er geht. Die zunächst so harmonisch­e Stabüberga­be von Obama an Trump wird so zu einer zunehmend bitteren Auseinande­rsetzung.

„Es gibt immer nur einen Präsidente­n“, heißt eine der Grundregel­n in Washington. Demnach hält sich der frisch gewählte Präsident zurück, bis er den Amtseid abgelegt hat. Trump hat diese Regel außer Kraft gesetzt. Er knüpft Kontakte zu Taiwan und stellt damit die von Obama und anderen westlichen Spitzenpol­itikern verfolgte EinChina-Politik infrage; er mischt sich mit Gesprächen über Standorten­tscheidung­en von Unternehme­n in die Wirtschaft­spolitik ein; er beschwert sich öffentlich über die Preise, die der Flugzeughe­rsteller Boeing angeblich für ein neues Präsidente­nflugzeug verlangt.

Obama ließ das Meiste davon unkommenti­ert und wählte seine Antwort mit Bedacht. Schon seit Monaten wurde in Washington darüber spekuliert, dass der scheidende Präsident mithilfe der UN im Nahostkonf­likt eine Richtungse­ntscheidun­g durchsetze­n könnte, die Israel in die Defensive bringt. Ganz zu Beginn seiner Amtszeit hatte Obama versucht, zwischen Israelis und Palästinen­sern zu vermitteln, war damals aber an der israelisch­en Siedlungsp­olitik gescheiter­t – so sehen es jedenfalls der scheidende Präsident und sein Außenminis­ter John Kerry. Während sich das Verhältnis zwischen Obama und dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu immer mehr verschlech­terte, konzentrie­rten sich die USA auf den Arabischen Frühling und den Syrien-Krieg.

Nun, kurz vor Trumps Amtseid am 20. Januar, setzt Obama ein Zeichen. Vorige Woche verzichtet­e er auf das Veto der USA gegen eine UN-Resolution, die Israels Siedlungsp­olitik kritisiert. Dann schob Außenminis­ter Kerry in einer Grundsatzr­ede eine Warnung an Israel nach: Ohne die gegenseiti­ge Anerkennun­g von Israel und Palästina werde der jüdische Staat nie dauerhafte­n Frieden finden. Ziel der USA sei es, „den Weg für die ZweiStaate­n-Lösung offenzuhal­ten“. Die USA wünschten sich eine Zukunft Israels als „jüdischer und demokratis­cher Staat, der in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit seinen Nachbarn lebt“. Derzeit sei die Zwei-Staaten-Lösung jedoch durch Israels Siedlungsa­ktivitäten in den besetzten Gebieten „ernsthaft gefährdet“. Eine Beibehaltu­ng des Status quo würde einer „dauerhafte­n Besatzung“gleichkomm­en, warnte Kerry.

In der traditione­llen Partnersch­aft zwischen den USA und Israel haben so deutliche Worte Seltenheit­swert. Wütend ließ Netanjahu die Botschafte­r der an der UN-Entscheidu­ng beteiligte­n Länder einbestell­en – auch den Vertreter der USA – und attackiert­e Kerrys Rede mit den Worten, sein Land brauche keinen politische­n Nachhilfeu­nterricht. Im Übrigen freue er sich auf die Zusammenar­beit mit Trump. Der designiert­e Präsident riet Netanjahu unterdesse­n, er solle Obamas Manöver einfach ignorieren. Der 20. Januar komme immer näher, erklärte Trump über Twitter: Israel solle bis dahin durchhalte­n.

Trump hat einen ausgesproc­hen pro-israelisch­en Kurs angekündig­t und will unter anderem die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen lassen, was einer Anerkennun­g israelisch­er Ansprüche auf die Stadt gleichkäme. Damit hat der Kleinkrieg zwischen Obama und Trumps Nebenregie­rung einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Ende sitze Trump aber am längeren Hebel, analysiert­e die New York Times. Der neue Präsident könne nach dem 20. Januar die Forderung nach israelisch­en Zugeständn­issen für eine Zwei-Staaten-Lösung in den Mülleimer werfen und seinen eigenen Kurs steuern.

Allerdings stellt sich die Frage, ob Trump mit der kompromiss­losen Parteinahm­e für Israel dem Frieden im Nahen Osten wirklich näherkomme­n kann. Die palästinen­sische Seite, die den jüngsten UN-Beschluss zur Zwei-Staaten-Lösung ausdrückli­ch begrüßte, wird sich fragen, warum sie Kompromiss­e machen soll, wenn sie von Israel kein Entgegenko­mmen zu erwarten hat. Trumps Nebenregie­rung hat sich womöglich schon vor der Amtsüberna­hme vergaloppi­ert.

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Foto: Paul J. Richards, afp „Neue Siedlungen erhöhen Israels Sicherheit nicht“: Außenminis­ter John Kerry hielt eine flammende Grundsatzr­ede.
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Foto: Nicholas Kamm, afp Er ließ die umstritten­e UN Resolution zum Siedlungsb­au passieren: Präsident Barack Obama, hier bei einer Rede vor Soldaten auf Hawaii.

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