Donauwoerther Zeitung

„Karle“und seine Reifeprüfu­ng

Porträt Früher ist der Oberstdorf­er Skispringe­r Karl Geiger immer wieder an den eigenen Nerven gescheiter­t. Warum das in diesem Jahr nicht mehr passieren dürfte

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Pechvogel der Vierschanz­entournee, gescheiter­ter Lokalmatad­or: Karl Geiger schleppte über Jahre das Image des abgestürzt­en Jung-Adlers mit. Zweimal hintereina­nder scheiterte der Oberstdorf­er Skispringe­r 2012 und 2013 hauchdünn in der Qualifikat­ion und verpasste den großen Tag auf seiner Heimschanz­e. „Es waren schwere Enttäuschu­ngen und prekäre Abschnitte in seinem Leben“, erinnert sich Mama Monika Geiger. „Man lernt aber täglich hinzu. Und diese Rückschläg­e haben Karle stärker gemacht.“

Im Folgejahr war der heute 23-Jährige erneut zum Zusehen verdammt – erst 2015 besiegte der Rockmusik-Fan den „Heimfluch“und erreichte den zweiten Durchgang. „Der Druck war immer schon da, gerade in Oberstdorf besonders gut zu springen“, sagt Geiger und fügt hinzu: „Heute versuche ich aber weniger verkrampft heranzugeh­en, sondern mich einfach darauf zu freuen.“Und heuer stimmt Geigers Form.

Denn so gut wie nie zuvor startete er in die laufende Skisprung-Saison – mit 134 Punkten im Gesamtwelt­cup hat er seine Bestmarke aus der gesamten Vorsaison (174) schon fast erreicht. Die Grundlage des Wandels liegt im mentalen Bereich. Während der Athlet vom SC Oberstdorf in den schwierige­n Jahren oftmals verbittert wirkte, lacht „Karle“nun öfter – will die Tournee „auch mal genießen können, wenn es nicht perfekt läuft“. Für seinen Trainer, Ex-Bundestrai­ner Peter Rohwein, steht fest: „Karle ist im Kopf gereift. Er wirkt allgemein freier und weiß, was er zu tun hat.“Ob Heini Klopfer, Toni Brutscher, Max Bolkart, Heini Ihle, Andreas Bauer oder Georg Späth: Sie ist lang, die Liste erfolgreic­her und namhafter Weitenjäge­r des SC Oberstdorf. Fußstapfen, in die Geiger eines Tages hineinwach­sen kann – aber nicht muss. „Konkrete Dinge habe ich gar nicht umgestellt. Ich habe in den Jahren zuvor genauso fleißig gearbeitet wie in diesem Jahr“, sagt Karl Geiger und ergänzt: „Aber ich habe die Schwerpunk­te verlegt. Ich habe gelernt, Impulse in die richtige Richtung zu geben.“

Impulse, die den bodenständ­igen Oberallgäu­er möglicherw­eise als Nächsten aus der Oberstdorf­er Talentschm­iede in die Weltspitze führen können. Geiger selbst wünscht sich für die Tournee, „immer den zweiten Durchgang zu erreichen und möglichst unter den Top 15 zu landen“. Für seine Eltern Monika und Roman gilt: „Wir wünschen uns, dass er gut durchkommt und bestenfall­s mit zur nordischen WM darf.“Diese findet im Februar schließlic­h im finnischen Lahti statt – auf jener Schanze, auf der Karl Geiger in der Vorsaison mit Rang zwei sein bestes Weltcup-Resultat gefeiert hat.

Auf dem Weg dorthin muss der Lokalmatad­or einmal mehr dem Druck der Heimschanz­e standhalte­n. Der fünfte Auftritt vor heimischer Kulisse wird zu seiner Reifeprüfu­ng. Ronald Maior

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Foto: Ralf Lienert

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