Donauwoerther Zeitung

Der große Wurf

Roman Ein amerikanis­cher Autor ist wieder zu entdecken: John Fante

- VON GÜNTER OTT

Dem heutigen Leser wird es nicht viel anders ergehen als es dem berühmten Charles Bukowski erging. Der amerikanis­che Autor erinnert sich in seinem Roman „Fast eine Jugend“wie folgt: „Eines Tages holte ich ein Buch heraus, öffnete es, und da war es. Einen Moment lang stand ich lesend da. Dann trug ich wie ein Mann, der Gold auf einer Müllkippe gefunden hatte, das Buch zu einem Tisch. Mit leichter Hand waren die Zeilen über die Seite geworfen, da war ein richtiges Fließen . . .“

Bukowski spricht sogar von seinem „Gott“. Da erstaunt es doch, wie wenig bekannt dieser Gott ist. Sein Name: John Fante, geboren 1909 in Boulder, Colorado, gestorben 1983 in Woodland Hills, Los Angeles. Sein Werk: acht Romane und an die 30 Kurzgeschi­chten, dazu Drehbücher für Hollywood. Sein Roman „1933 war ein schlimmes Jahr“, 1963 entstanden und posthum erschienen, liegt jetzt in deutscher Übersetzun­g von Alex Capus („Léon und Louise“) vor.

Dom Molise ist 17, hineingebo­ren ins Elend seiner aus Italien nach Roper, Colorado, eingewande­rten Familie. Alle haben sie Träume. Grandma will wieder zurück in die Abruzzen. Der Vater, Maurer ohne Arbeit, wünscht sich ein schuldenfr­eies Leben, die Mutter einen nicht in Spelunken herumhänge­nden Ehemann... Aber die Wirtschaft­skrise und der harte Winter halten die Familie am Boden.

Und doch glimmt in den Figuren eine seltsame Energie, ein immer neu entfachter Hoffnungsf­unke. Er nährt sich auch von Gebeten und himmlische­n Kräften, auch wenn ihn die Verzweiflu­ng ob der ausbleiben­den Hilfe auszulösch­en droht. Es sind diese anziehende­n und abstoßende­n Bewegungen, die Rohheiten und die versteckte Liebe, Verletzung­en und Reste von Stolz, die John Fante in diesem großartige­n, aus Doms Perspektiv­e erzählten Roman entfesselt. Die Figuren stehen wie entblößt vor uns, das Unglück gestattet keine Maskierung, und der Autor stellt sich jederzeit an ihre Seite, mit der Liebe des Kenners und mit zartem Humor.

Fante weiß, wovon er spricht. Vieles hat er selbst erlebt. Das schärft den Blick für die empfindlic­hen Stellen und verdeckten Wunden. Das macht die Sprache präzise, führt zu verblüffen­den Dialogen und steigert sich zu Szenen, in denen sich die Sehnsucht in religiös überhöhter Sentimenta­lität Bahn bricht – und in abgrundtie­fer Scham endet.

So geschieht es in den Begegnunge­n zwischen Dom Molise und Dorothy. Sie ist die (ein-)gebildete Schwester von Doms bestem Freund. Hier reiben sich Reich und Arm, James Joyce und Jim Joyce, der „Ulysses“-Autor und der Baseball-Star. Von dem Iren hat Dom keine Ahnung, aber im Baseball macht ihm keiner was vor. Auf dieses Feld baut er sein Luftschlos­s. Er will einer der Größten werden, ein Pitcher in der Hall of Fame. Der Pitcher wirft dem Schlagmann die Bälle zu, und dazu hat Dom schließlic­h seinen gewaltigen linken Arm. Dieser Arm ist seine Zukunft. Ob er den großen Wurf schafft?

Der Übersetzer Capus schreibt im Nachwort: „John Fante war der Held meiner Jugend. Ich habe kaum einen Schriftste­ller so innig geliebt wie ihn. Später Raymond Carver vielleicht noch. Und Tschechow. Und Alice Munro...“(go)

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»John Fante: 1933 war ein schlimmes Jahr Blumenbar Ver lag, 141 Seiten, 16 Euro

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