Große Bühne für das Wunderkind Porträt
Alma Deutscher ist gerade mal elf Jahre alt und schon Komponistin. Heute feiert ihre erste Oper Premiere – und sie selbst spielt natürlich mit
Wien hat schon seine Vorzüge: Heiße Schokolade, Sachertorte und Apfelstrudel entschädigen die elfjährige Alma Deutscher jedenfalls für die harte Arbeit und den Medienrummel, dem man als Wunderkind so ausgesetzt ist. Im barocken Konzertsaal der Wiener Vorstadt scheint sich die Britin wohlzufühlen. Während die 20 Musiker im Orchester proben, sitzt sie in der ersten Reihe und verfolgt hochgradig konzentriert die Partitur. Heute Abend wird „Cinderella“uraufgeführt – Almas erste Oper. Bis dahin wird noch geprobt. Patzt ein Musiker, dreht sich das Mädchen aufgeregt zu seinem Vater Guy Deutscher um, der hinter ihr sitzt und ihr beruhigend die Hand auf die Schulter legt.
Erst wenn der Dirigent eine Pause macht, darf das nervöse Kind im lilafarbenen Paillettenkleid aufspringen und sagen, was ihm aufgefallen ist. Alma wünscht sich die eine Stelle schneller, die andere mit mehr Ausdruck. Der Dirigent weist die Musiker an, die Anmerkungen in ihre Noten zu übertragen. Heute muss zur Uraufführung im kleinen Wiener Casino Baumgarten alles passen.
Der Wiener Verein „Oh!pera“hat Alma an die Donau geholt. Seit 2013 will er Künstlern Raum geben, sich zu entwickeln. Initiatorin Kathrin Chytil gibt der Elfjährigen alle Freiheiten: „In einem großen Haus könnte sie nicht so viel Einfluss auf die Proben nehmen. Bei uns kann sie immer wieder etwas verändern, auch wenn das sehr anstrengend für uns ist.“ Als Wolfgang Amadeus Mozarts erste Oper 1767 uraufgeführt wurde, war er im selben Alter. Doch mit Mozart lässt sich Alma Deutscher schwer vergleichen. Ihre Musik orientiert sich sehr an den Harmonien der Wiener Klassik und Romantik. Sie ist gefällig, manche nennen sie banal. Neues ergibt sich langsam, zeitgenössische Einflüsse wachsen noch. Zweifellos ist Alma hochbegabt und hat das absolute Gehör. Schon mit zwei Jahren hat sie begonnen, Klavier zu spielen, mit drei bekam sie von ihren akademisch gebildeten Eltern eine Geige geschenkt. Mit vier begann sie zu komponieren. Guy Deutscher ist ein international bekannter Linguist, seine Frau Janie Anglistin. Die Familie, einschließlich der jüngeren Schwester, hat ihr Leben völlig auf Alma ausgerichtet. Sie wird zu Hause unterrichtet. Dort ist sie dann auch mal ein ganz „normales“Mädchen, das am liebsten mit einem Springseil durch den Garten hüpft. „Dabei denke mir Geschichten aus“, erzählt sie. Zum Beispiel ihre Fassung der „Cinderella“, die in einer Oper spielt.
Ihr Aschenputtel muss nächtelang im Auftrag der bösen Stiefmutter Notenblätter kopieren, bis es den Prinz findet, der eigentlich ein Dichter ist, aber vom königlichen Vater zu „Pflichten statt Dichten“verdonnert wird. Pflichten dominieren auch Almas Leben. Sie tritt in „Cinderella“mit der Geige und als Pianistin auf. Almas Aschenputtel ist übrigens auch eine Komponistin. „Sie ist ein bisschen wie ich“, sagt das Kind.
Mariele Schulze Berndt