Vom Boxstar zum Todesschützen
Gustav „Bubi“Scholz gelang in der Nachkriegszeit ein steiler Aufstieg. Dann, vor 40 Jahren, erschoss er seine Frau.
Berlin Der tödliche Schuss fällt in der Nacht. Durch die Tür der Gästetoilette der Villa des Promi-Paares im Berliner Grunewald. Für Helga Scholz gibt es keine Rettung. Die 49-Jährige wird am Kopf getroffen und stirbt. Was sich genau vor 40 Jahren in den späten Abendstunden des 22. Juli 1984 im Haus des Box-Idols Gustav „Bubi“Scholz abgespielt hat, wird nie ganz geklärt.
Der mehrfache deutsche Meister und Europameister ist mit 54 Jahren am Ende. Die gefeierte Symbolfigur der Nachkriegszeit in Deutschland wird verhaftet. Wenige Tage später versucht sich Scholz in der Untersuchungshaft die Pulsadern aufzuschneiden. Am 14. Januar 1985 beginnt schließlich der Totschlagsprozess vor dem Kriminalgericht Moabit. Dutzende Berliner harren damals im Schneetreiben vor dem Gebäude aus, um einen Sitzplatz zu ergattern. Bilder aus dem Gerichtssaal existieren nicht: Es durfte weder fotografiert noch gefilmt werden.
„Er war ein Mann mit so vielen wunderbaren Eigenschaften“, sagt Schriftsteller Uwe Timm knapp 40 Jahre später. In seinem Buch „Die Bubi-Scholz-Story“hat der 84-Jährige versucht, das Leben der Boxlegende nachzuzeichnen. Seine Geschichte über Aufstieg und Absturz des „Idols seiner Kindheit“beginnt im Untersuchungsgefängnis. Nach seinem Suizidversuch sitzt Scholz einer Psychologin gegenüber. Der Boxer beginnt von seinem Leben zu erzählen.
Timms Buch wurde noch zu dessen Lebzeiten für das Fernsehen verfilmt. Benno Fürmann stellte den jungen Scholz dar, Götz George den alten. Bei der Premiere im Mai 1998 war Scholz wegen seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch nicht dabei.
Als Sohn eines Schmieds im Arbeiterviertel Prenzlauer Berg boxte Scholz sich in die Welt der Schönen und Reichen. „Er war zu einer Identifikationsfigur geworden“, sagt Timm. Der am 12. April 1930 geborene Scholz verlor von 96 Profikämpfen in 16 Jahren nur zwei. Am WM-Titel scheiterte er jedoch. Das hat „Bubi“, wie der Leichtgewichtler wegen seiner schmächtigen Statur gerufen wurde, nie verkraftet. Die High Society riss sich um den Boxer. Stars wie Curd Jürgens, Harald Juhnke, Hardy Krüger oder Romy Schneider feierten mit ihm. „Bubi“und Helga Scholz galten als Traumpaar. Am 4. April 1964 stieg Scholz zum letzten Mal in den Ring. Als Besitzer von zwei Parfümerien, die seine Frau Helga leitete, und Teilhaber einer Werbeagentur kam weiterhin Geld in die Kasse. Doch der Ruhm verblasste. Erste Bekannte zogen sich zurück. Nach fast 30 Jahren geriet die Ehe zunehmend in die Krise. Scholz verfiel dem Alkohol, litt an Depressionen. Ehefrau Helga, selbst Alkoholikerin, war der Situation nicht gewachsen.
Am 1. Februar 1985 wurde Scholz wegen fahrlässiger Tötung seiner Ehefrau sowie unerlaubten Waffen- und Munitionsbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Gericht ging davon aus, dass Scholz seine Frau nicht bewusst habe töten wollen. 1993 heiratete Scholz seine zweite Frau Sabine. Am 21. August 2000 starb die Boxsport-Legende im Alter von 70 Jahren. (dpa)