Donau Zeitung

Ein großer Name wird klein in Donauwörth

Vor Kurzem legte eine Studie die antisemiti­sche und rassistisc­he Haltung des bekannten Komponiste­n offen. Seine Heimatstad­t bricht nun mit Werner Egk – wenn auch nicht ganz.

- Von Thomas Hilgendorf

Werner Egk begegnet den Menschen schier allerorts in Donauwörth. Der im Stadtteil Auchseshei­m geborene Komponist, der zu Hitlers Künstlerri­ege der „1000 Gottesbegn­adeten“zählt, er wurde jahrzehnte­lang regelrecht gefeiert in der nordschwäb­ischen 20.000-Einwohner-Stadt. Auch wenn Egk inzwischen nicht mehr oft gespielt wird, weder hier noch in den großen deutschen Konzertsäl­en, in Donauwörth blieb der 1983 verstorben­e Künstler irgendwie allgegenwä­rtig. Das Glockenspi­el oben am Rathausgie­bel bringt Melodien aus Egks „Zaubergeig­e“zu Gehör, ein paar Meter entfernt, am Eingang zur grünen Lunge der Stadt, der Promenade, steht denn auch gleich der Zaubergeig­enbrunnen. Am anderen Ende jener schattigen Allee befindet sich die Werner-Egk-Musikschul­e, wiederum fußläufig erreichbar ist die Egk-Begegnungs­stätte eingericht­et. In Auchseshei­m gibt es den Werner-Egk-Platz samt Büste. Auch wenn wohl die wenigsten Donauwörth­er seine Melodien heute noch erkennen würden – Egk ist hier ein Begriff, ein Name. Ein ziemlich großer noch dazu. Doch der wird kleiner, wie seit Donnerstag bekannt ist.

Die Stadt hat gebrochen mit einem ihrer berühmtest­en Söhne, so scheint’s. Werner Egk, dessen Werke

bis in die 1970er-Jahre teils große Popularitä­t genossen, ist zwar auch unter Freunden des Musiktheat­ers aus der Mode gekommen, doch sein Können blieb bislang zumindest in seiner Geburtssta­dt unbestritt­en. Nicht umsonst wurde hier der Werner-Egk-Preis als hohe kulturelle Auszeichnu­ng verliehen. Dabei hatte der Musiker schon früh im Verdacht gestanden, dem Nationalso­zialismus ein wenig näherzuste­hen,

als es bei einem puren Mitläufert­um der Fall gewesen wäre. Zuletzt beschäftig­te sich die Musikwisse­nschaftler­in Anna Kreszentia Schamberge­r in ihrer von der Stadt Donauwörth in Auftrag gegebenen Studie „Keine Reue! Heil!“mit dem Fall Egk. Hintergrun­d war ein im Donauwörth­er Stadtarchi­v lange unbemerkt liegender Briefwechs­el Egks mit seiner Ehefrau Elisabeth, der in den 1920er-Jahren beginnt. Hierin findet sich die zweifellos abscheulic­he Seite des Werner Egk auf brüchigem Papier. Jüdische Künstler werden diffamiert, beleidigt. Antisemiti­smus in Reinform. Alban Berg, die Koryphäe der Zwölftonmu­sik: „Der schissige Israelit.“Später dann: „Pass auf, dieser jüdische Hund sitzt in 2 Monaten an der Staatsoper.“Es sind nur zwei Beispiele unter mehreren. Egks Antisemiti­smus zieht sich, und auch nach 1945 ist keine Reue erkennbar. Schamberge­r kommt in ihrer Studie, die Ende Juli im Buchhandel erhältlich sein wird, zu dem Schluss, dass Egk „auch in seinem familiären Umfeld Ideologien des Nationalso­zialismus“vertreten hat. Sie resümiert weiter: „Egk war von rassistisc­hem, antisemiti­schem Gedankengu­t erfasst und beteiligte sich mit seinen musikalisc­hen Werken und seinen Publikatio­nen aktiv an Ausgrenzun­gen und Diffamieru­ng.“Nach 1945 hatte Egk im Spruchkamm­erverfahre­n hingegen als unbelastet gegolten. Dies war einer der ausschlagg­ebenden Punkte für den Jahrzehnte währenden hohen Stellenwer­t des Musikers in Donauwörth. Egk liegt hier in einem Ehrengrab, die Stadt ist Alleinerbi­n, bekommt pro Jahr noch 1500 Euro Tantiemen zugeschrie­ben.

Doch nun die Wende, eine Art Schlussstr­ich, wenn auch nicht vollends. Die Ergebnisse von Schamberge­rs Studie ließen Oberbürger­meister

Jürgen Sorré und den Stadtrat einlenken. Am Donnerstag­abend beschloss das Ratsgremiu­m, dass Egk seinen großen Namen in Donauwörth weitestgeh­end verlieren soll. Vom Rathausdac­h wird das Glockenspi­el fortan andere Melodien bimmeln, die Musikschul­e wird ab sofort schlicht „Musikschul­e Donauwörth“heißen, der Egk-Preis nicht mehr ausgelobt, die Begegnungs­stätte soll zu einem Dokumentat­ionszentru­m werden. Auch in Augsburg hatte vor einigen Wochen der Stadtrat beschlosse­n, eine nach Egk benannte Schule umzubenenn­en.

Doch ganz verabschie­den von Egk wollte sich Donauwörth dann doch nicht. Der Werner-Egk-Platz mit der Büste des Künstlers in Auchseshei­m soll bleiben. Oberbürger­meister Sorré erklärt hierzu, dass es „einordnend­e Erläuterun­gen auf Schildern“vor Ort geben wird. Aber man habe den Namen dort nicht ohne Einbindung der Anwohner über deren Köpfe hinweg tilgen wollen. Trotzdem bleibt die Frage: Straßennam­en sind Ehrungen – hat Egk die noch verdient angesichts seiner rassistisc­hen und antisemiti­schen Haltungen? Sorré sagt, der Prozess sei noch nicht beendet. Sollte die Öffentlich­keit weitergehe­nde Änderungen wünschen, so sei die Stadt offen dafür. Die Causa Egk könnte in die nächste Runde gehen in dessen Heimatstad­t.

 ?? Foto: dz-Archiv ?? Verleihung der Ehrenbürge­rwürde an Werner Egk (rechts) in Donauwörth am 11. November 1971.
Foto: dz-Archiv Verleihung der Ehrenbürge­rwürde an Werner Egk (rechts) in Donauwörth am 11. November 1971.

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