Ein großer Name wird klein in Donauwörth
Vor Kurzem legte eine Studie die antisemitische und rassistische Haltung des bekannten Komponisten offen. Seine Heimatstadt bricht nun mit Werner Egk – wenn auch nicht ganz.
Werner Egk begegnet den Menschen schier allerorts in Donauwörth. Der im Stadtteil Auchsesheim geborene Komponist, der zu Hitlers Künstlerriege der „1000 Gottesbegnadeten“zählt, er wurde jahrzehntelang regelrecht gefeiert in der nordschwäbischen 20.000-Einwohner-Stadt. Auch wenn Egk inzwischen nicht mehr oft gespielt wird, weder hier noch in den großen deutschen Konzertsälen, in Donauwörth blieb der 1983 verstorbene Künstler irgendwie allgegenwärtig. Das Glockenspiel oben am Rathausgiebel bringt Melodien aus Egks „Zaubergeige“zu Gehör, ein paar Meter entfernt, am Eingang zur grünen Lunge der Stadt, der Promenade, steht denn auch gleich der Zaubergeigenbrunnen. Am anderen Ende jener schattigen Allee befindet sich die Werner-Egk-Musikschule, wiederum fußläufig erreichbar ist die Egk-Begegnungsstätte eingerichtet. In Auchsesheim gibt es den Werner-Egk-Platz samt Büste. Auch wenn wohl die wenigsten Donauwörther seine Melodien heute noch erkennen würden – Egk ist hier ein Begriff, ein Name. Ein ziemlich großer noch dazu. Doch der wird kleiner, wie seit Donnerstag bekannt ist.
Die Stadt hat gebrochen mit einem ihrer berühmtesten Söhne, so scheint’s. Werner Egk, dessen Werke
bis in die 1970er-Jahre teils große Popularität genossen, ist zwar auch unter Freunden des Musiktheaters aus der Mode gekommen, doch sein Können blieb bislang zumindest in seiner Geburtsstadt unbestritten. Nicht umsonst wurde hier der Werner-Egk-Preis als hohe kulturelle Auszeichnung verliehen. Dabei hatte der Musiker schon früh im Verdacht gestanden, dem Nationalsozialismus ein wenig näherzustehen,
als es bei einem puren Mitläufertum der Fall gewesen wäre. Zuletzt beschäftigte sich die Musikwissenschaftlerin Anna Kreszentia Schamberger in ihrer von der Stadt Donauwörth in Auftrag gegebenen Studie „Keine Reue! Heil!“mit dem Fall Egk. Hintergrund war ein im Donauwörther Stadtarchiv lange unbemerkt liegender Briefwechsel Egks mit seiner Ehefrau Elisabeth, der in den 1920er-Jahren beginnt. Hierin findet sich die zweifellos abscheuliche Seite des Werner Egk auf brüchigem Papier. Jüdische Künstler werden diffamiert, beleidigt. Antisemitismus in Reinform. Alban Berg, die Koryphäe der Zwölftonmusik: „Der schissige Israelit.“Später dann: „Pass auf, dieser jüdische Hund sitzt in 2 Monaten an der Staatsoper.“Es sind nur zwei Beispiele unter mehreren. Egks Antisemitismus zieht sich, und auch nach 1945 ist keine Reue erkennbar. Schamberger kommt in ihrer Studie, die Ende Juli im Buchhandel erhältlich sein wird, zu dem Schluss, dass Egk „auch in seinem familiären Umfeld Ideologien des Nationalsozialismus“vertreten hat. Sie resümiert weiter: „Egk war von rassistischem, antisemitischem Gedankengut erfasst und beteiligte sich mit seinen musikalischen Werken und seinen Publikationen aktiv an Ausgrenzungen und Diffamierung.“Nach 1945 hatte Egk im Spruchkammerverfahren hingegen als unbelastet gegolten. Dies war einer der ausschlaggebenden Punkte für den Jahrzehnte währenden hohen Stellenwert des Musikers in Donauwörth. Egk liegt hier in einem Ehrengrab, die Stadt ist Alleinerbin, bekommt pro Jahr noch 1500 Euro Tantiemen zugeschrieben.
Doch nun die Wende, eine Art Schlussstrich, wenn auch nicht vollends. Die Ergebnisse von Schambergers Studie ließen Oberbürgermeister
Jürgen Sorré und den Stadtrat einlenken. Am Donnerstagabend beschloss das Ratsgremium, dass Egk seinen großen Namen in Donauwörth weitestgehend verlieren soll. Vom Rathausdach wird das Glockenspiel fortan andere Melodien bimmeln, die Musikschule wird ab sofort schlicht „Musikschule Donauwörth“heißen, der Egk-Preis nicht mehr ausgelobt, die Begegnungsstätte soll zu einem Dokumentationszentrum werden. Auch in Augsburg hatte vor einigen Wochen der Stadtrat beschlossen, eine nach Egk benannte Schule umzubenennen.
Doch ganz verabschieden von Egk wollte sich Donauwörth dann doch nicht. Der Werner-Egk-Platz mit der Büste des Künstlers in Auchsesheim soll bleiben. Oberbürgermeister Sorré erklärt hierzu, dass es „einordnende Erläuterungen auf Schildern“vor Ort geben wird. Aber man habe den Namen dort nicht ohne Einbindung der Anwohner über deren Köpfe hinweg tilgen wollen. Trotzdem bleibt die Frage: Straßennamen sind Ehrungen – hat Egk die noch verdient angesichts seiner rassistischen und antisemitischen Haltungen? Sorré sagt, der Prozess sei noch nicht beendet. Sollte die Öffentlichkeit weitergehende Änderungen wünschen, so sei die Stadt offen dafür. Die Causa Egk könnte in die nächste Runde gehen in dessen Heimatstadt.