Donau Zeitung

Die Angst vor der Pleite geht um

Lange Zeit verharrte die Zahl der Firmeninso­lvenzen auf einem Rekordtief­stand. Die explodiere­nden Energiepre­ise und steigenden Kosten verändern die Lage drastisch.

-

Frankfurt/Main Explodiere­nde Energiepre­ise, Rekordinfl­ation, Verbrauche­r auf der Konsumbrem­se: Viele Unternehme­n bangen um ihre Existenz. Ob Klopapierp­roduzent (Hakle), Schuhhändl­er (Görtz) oder Warenhausk­onzern (Galeria Karstadt Kaufhof) – auf der Liste der Sanierungs­fälle des Jahres 2022 findet sich mancher bekannte Name. Eine Pleitewell­e lässt sich anhand amtlich erfasster und von Experten hochgerech­neter Zahlen zu Unternehme­nsinsolven­zen bisher nicht ausmachen. Doch dass es im laufenden Jahr erstmals seit der Wirtschaft­skrise 2009 wieder mehr Firmenplei­ten in Deutschlan­d gibt, könnte der Auftakt einer Trendwende sein.

Rund 14.700 Unternehme­n hierzuland­e – überwiegen­d kleine Firmen mit höchstens zehn Mitarbeite­rn – werden nach Schätzung von Creditrefo­rm bis zum Ende des laufenden Jahres den Gang zum Insolvenzg­ericht angetreten haben. Das wären nach Berechnung­en der Wirtschaft­sauskunfte­i etwa vier Prozent mehr als 2021. „Die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekos­ten sowie eine zunehmend verschärft­e Wettbewerb­ssituation gehen bei vielen Unternehme­n an die Substanz“, erläuterte der Leiter der Creditrefo­rm-Wirtschaft­sforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, anlässlich der Vorstellun­g der Zahlen am Dienstag in Frankfurt.

„Die mangelnde Planungssi­cherheit und die schwierige Wirtschaft­slage treffen vor allem kleine und mittelstän­dische Unternehme­n.“Voraussich­tlich 175.000 Arbeitsplä­tze werden nach Berechnung­en von Creditrefo­rm im laufenden Jahr infolge von Insolvenz hierzuland­e wegfallen. Den deutlichen Anstieg zum Vorjahr (141.000 Jobs) erklärte die Auskunftei damit, dass es 2022 mehr große Pleitefäll­e gab. Zugleich verringert­e sich die Schadenssu­mme nach dem Rekordwert von 51 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf nun 36 Milliarden Euro. Wie viele andere Marktbeoba­chter rechnet auch

Creditrefo­rm mit einem weiteren Anstieg der Unternehme­nsinsolven­zen im nächsten Jahr: Der Anstieg von 2021 auf 2022 sei moderat, „dürfte aber erst der Auftakt für eine weitere Beschleuni­gung des Insolvenzg­eschehens sein“.

In dem noch stark von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2021 hatte es nach amtlichen Angaben in Deutschlan­d mit 13.993 Fällen so wenige Firmenplei­ten gegeben wie nie seit Einführung der aktuellen Insolvenzo­rdnung im Jahr 1999. Dies erklärt sich maßgeblich durch Ausnahmere­gelungen: Um eine Pleitewell­e infolge der Pandemie abzuwenden, hatte der Staat die Pflicht zum Insolvenza­ntrag bei Eintritt von Überschuld­ung oder Zahlungsun­fähigkeit zeitweise ausgesetzt. Später gab es noch Ausnahmen für Betriebe, die im Sommer 2021 Schäden durch Starkregen oder Überflutun­gen erlitten hatten. „Die staatliche­n Hilfsmaßna­hmen verhindert­en in den letzten Jahren einen Anstieg der Insolvenzz­ahlen. Und mehr noch: Sie führten zu einem paradoxen Rückgang der Fälle“, analysiert­e Creditrefo­rm. „Die Energiekri­se könnte dafür sorgen, dass sich die Zahlen wieder normalisie­ren.“

Steigende Insolvenzz­ahlen erwarten auch andere Experten. Der

Informatio­nsdienstle­ister Crif ging in einer Mitte November veröffentl­ichten Analyse davon aus, dass in Deutschlan­d aktuell mehr als 300.000 Unternehme­n finanziell­e Probleme haben. Seit März 2022 habe sich die Zahl der Pleitekand­idaten damit um 15,6 Prozent erhöht. Der Kreditvers­icherer Allianz Trade schätzte in einer Studie im Oktober, bislang hätten staatliche

Es trifft vor allem den Mittelstan­d

Unterstütz­ungsmaßnah­men in Deutschlan­d 2600 Unternehme­n vor der Pleite bewahrt. „Sollte sich die Energiekri­se noch weiter verschärfe­n und die Rezession stärker ausfallen als bisher erwartet, reichen die aktuellen Maßnahmen zum Abfedern einer Pleitewell­e allerdings nicht aus und es könnten deutlich mehr Insolvenze­n drohen“, warnte Allianz Trade. (Jörn Bender, dpa)

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Eine Geschäftsa­ufgabe bringt oft Jobverlust­e.
Foto: Christian Charisius, dpa Eine Geschäftsa­ufgabe bringt oft Jobverlust­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany