Donau Zeitung

„Mit Essen kann man die Welt verändern“

Interview Jan Bredack war Manager bei Daimler. Nach einem Burnout wurde er Veganer und gründete ein Unternehme­n für pflanzlich­e Lebensmitt­el. Sogar einige seiner Kinder sind Veganer. Ein Gespräch mit einem Mann, der den Wandel seines Lebens einer Frau zu

- Interview: Stefan Stahl

Herr Bredack, Sie waren einst ein Top-Manager im Daimler-Konzern. Jan Bredack: Ich habe den ganzen Kundendien­st für Lkw in Deutschlan­d aufgebaut und lange geleitet. Dann habe ich für die DaimlerNut­zfahrzeugs­parte den Vertrieb Service Nutzfahrze­uge, also Lkw und Transporte­r, in Deutschlan­d geführt. Ich war erst 30. Es ging für mich gut bergauf. Ein interessan­tes Projekt folgte auf das nächste. So ging ich für Daimler nach Russland. Dort habe ich unter anderem das erste Werk für Lkw in Russland aufgebaut.

Sie waren ehrgeizig.

Bredack: Ich war karrierege­il, ein richtiger Karrierist. Dafür schäme ich mich nicht.

Was hat Sie motiviert? War es Geld? Bredack: Geld war es nicht. Ich fand Macht geil. Mir ging es um Einfluss. Und Einfluss definiert sich in Konzernen über interessan­te Projekte, die man leiten darf. Wenn man ein Projekt im Vorstand durchbring­t, fühlt man sich richtig gut. Ich habe viele Projekte durchbekom­men. Aber mit Erreichen eines Zieles schaut man auf die nächste Stufe, ich wollte noch mehr Macht.

Nur wenige Manager sprechen offen darüber, was sie wirklich antreibt. Bredack: Ich schon: Es war einfach diese Lust auf das nächste große Projekt. Und ich liebe Autos.

Irgendwann haben Körper und Seele nicht mehr mitgespiel­t.

Bredack: Ehe ich nach Russland ging, hatte ich einen Burnout.

Haben Sie zu viel gearbeitet? Bredack: Das war es gar nicht. Ein Burnout ist nicht das Resultat von zu viel Arbeit. Ich arbeite heute als Gründer und Geschäftsf­ührer der Firma Veganz, die vegane Produkte vertreibt, auch sehr viel.

Was ließ Sie dann ausbrennen? Bredack: Nachlassen­de Wertschätz­ung. In Konzernen definieren sich Manager über Faktoren wie: Wo steht mein Auto in der Tiefgarage? Wie groß sind meine Budgets? Wie viele Mitarbeite­r habe ich? Dieses Wertesyste­m ist gefährlich. Denn die Macht, die man hat, ist nur geliehen. Sie kann einem weggenomme­n werden.

Wurde Ihnen Macht geklaut? Bredack: Ja.

Wie fühlte sich das an?

Bredack: Wie wenn Sie Gas geben, aber nicht vorankomme­n, weil hinten einer das Auto hochhebt. Genauso fühlt sich ein Burnout an: Die Räder drehen durch und man kommt nicht mehr vorwärts. In einem Konzern hängt alles von Machtstruk­turen ab. Ich bekam Projekte plötzlich nicht mehr durch. Wenn einem die Anerkennun­g entzogen wird und man nichts anderes im Leben als das hat, ist der Burnout nahe. So ist es mir passiert.

Konnten Sie noch arbeiten?

Bredack: Ich war in Behandlung und wurde auch mal für längere Zeit freigestel­lt. Dann bin ich mit dem Auto durch Europa gefahren. Ich habe mir Gedanken über das Leben gemacht. Es folgte die Trennung von meiner ersten Frau. Aber ich habe noch lange weitergear­beitet.

Es gab eine neue Liebe. Eine Frau, die Sie auf einen anderen Weg geführt hat. Sozusagen eine Retterin.

Bredack: Ja, sie war Vegetarier­in. Zunächst habe ich nur ihr zuliebe auf Fleisch und Fisch verzichtet, ohne darüber groß nachzudenk­en. Dann wuchs nach vier, fünf Monaten mein Bewusstsei­n, auch weil mich meine Kinder fragten, warum ich kein Fleisch esse. So verzichtet­e ich komplett auf alle tierischen Produkte, also auch auf Milchprodu­kte und Eier. Ich wurde Veganer und aß nur noch pflanzlich­e Produkte.

Sie haben das radikaler durchgezog­en als Ihre damalige Freundin, die ja nur Vegetarier­in war.

Bredack: Ja. Aber sie wurde dann auch Veganerin. Wir haben zusammen zwei Kinder.

Sie wurden ein anderer Mensch. Bredack: Die Erleuchtun­g kam nicht über Nacht. Das ist ein langer Prozess. Bei mir dauerte es Jahre. Das fing 2009 an und zog sich bis 2011 hin. Ich habe noch in Diensten von Daimler begonnen, mein eigenes Vegan-Business aufzuziehe­n. Aus einem Egotrip heraus habe ich mir in Berlin einen Laden nur für vegane Produkte gebaut, weil es so etwas noch nicht gab. Ich wollte so etwas haben und Daimler trotzdem nicht verlassen.

Es kam dann anders.

Bredack: Ja, mein erster Veganz-Laden hat voll eingeschla­gen. Dann hat der Laden immer mehr Engagement erfordert und ich habe Daimler 2011 dann doch verlassen.

Leben Sie mit der Frau, wegen der Sie aus Liebe auf Fleisch verzichtet haben, noch zusammen?

Bredack: Nein, wir haben uns getrennt, aber wir kümmern uns bis heute gemeinsam um die Kinder. Und ich habe wieder geheiratet. Heute habe ich sieben Kinder aus drei Beziehunge­n.

Warum sind Sie dann Veganer geworden? Das ist ja ein radikaler Schritt. Bredack: Zu Beginn ging es mir vor allem um Tierschutz und Ethik, also Achtung vor allen Lebewesen. Und ich wollte gesünder leben. Damals ging es mir noch nicht um Klimaschut­z oder die Rettung des Planeten.

Du bist, was Du isst, heißt es ja. Kann man mit Essen die Welt verändern und das Klima retten?

Bredack: Ja, man kann mit Essen die Welt verändern. Und zwar mehr, als wenn man weniger fliegt und weniger mit dem Auto fährt.

Sie haben einmal gesagt, dass Veganer für Sie früher Extremiste­n waren, die nicht alle Latten im Zaun haben. Haben Veganer wie Sie alle Latten im Zaun?

Bredack: Das Zitat stammt aus meiner Daimler-Zeit. Wenn ich damals an Tierrechts­demos vorbeiging und erwachsene Menschen wälzten sich in Blut, um auf die Massentier­haltung aufmerksam zu machen, dachte ich, dass sie nicht alle Latten im Zaun haben. Mir war die Art des Protestes zu extrem. Wer sich heute rein pflanzlich ernährt, ist im positiven Sinne extrem, weil er sich extrem für die Umwelt und das Klima einsetzt. Veganer wissen eben, was man mit Essen anrichten kann. Sie sind reflektier­te Menschen und haben alle Latten im Zaun. Streng vegane Ernährung ist für Kleinkinde­r wohl problemati­sch. Ein Ehepaar in Australien wurde verurteilt, weil seine Tochter mit eineinhalb Jahren erst so weit entwickelt war wie normale Kleinkinde­r im Alter von drei Monaten.

Bredack: Ernährung, und insbesonde­re bei Kleinkinde­rn und Heranwachs­enden, ist unabhängig der Ernährungs­form immer eine verantwort­ungsvolle Aufgabe. Hierbei ist es besonders wichtig, auf eine bunte, vielseitig­e, ausgewogen­e und nährstoffr­eiche Nahrungszu­fuhr zu achten. All das bietet die pflanzlich­e Ernährung im Überfluss und es gibt, wie bei erwachsene­n Menschen auch, keine Gründe, in dieser Zeit tierische Produkte zu füttern.

Wirklich nicht? Was ist mit Mangelersc­heinungen?

Bredack: Selbstvers­tändlich gilt es auch hier, B12 zu ersetzen, was in Form von Zahnpasta, Tropfen oder auch den zahlreiche­n, mit Vitamin B12 angereiche­rten veganen Produkten ohne Aufwand und Probleme möglich ist. Meine zwei kleinen Kinder, die sieben und neun Jahre sind, wurden schon vor ihrer Geburt rein pflanzlich ernährt und entwickeln sich prächtig. Ihrer Gesundheit hat die reine Pflanzenko­st gutgetan, sagen Sie. Bredack: Ja, Migräne und Magenschme­rzen gingen weg. Die Haut wurde besser.

Kann das auch einfach nur daran gelegen haben, dass Sie weniger Stress hatten?

Bredack: Nein, ich hatte deutlich mehr Stress, als ich mein VeganzUnte­rnehmen aufbaute. Der Stress in einem Konzern wie Daimler ist ja künstlich. Doch wenn man ein Projekt nicht bekommt, ist das nicht kriegsents­cheidend. Wenn ich aber heute als mittelstän­discher Unternehme­r Fehler mache, kann das die Existenz der Firma und meine eigene bedrohen. Schon allein deswegen habe ich mehr Stress als früher.

Es gab ja auch massive Rückschläg­e. Bredack: Ja, ich wollte ganz Europa mit Filialen für vegane Produkte zupflaster­n. Dann wurde der Lebensmitt­eleinzelha­ndel auf uns aufmerksam. Edeka, dm, Metro und Kaiser’s Tengelmann wollten bei uns Produkte kaufen. Ich wurde der größte Importeur veganer Produkte aus Übersee in Deutschlan­d. So fing ich 2014, nur drei Jahre nach Gründung des Unternehme­ns, an, die Großen der Lebensmitt­elbranche zu beliefern.

War das der Grund, weshalb Sie für das Filialgesc­häft Insolvenz anmelden mussten?

Bredack: Ja, denn der Umsatz in den Filialen brach massiv ein. Schließlic­h gab es die Sojamilch nicht mehr nur bei uns, sondern auch im Edeka um die Ecke. Bei Edeka wurden phasenweis­e 300 bis 400 verschiede­ne Produkte von uns verkauft. Durch den Einstieg in den Großhandel haben wir uns selbst das Wasser im Filialgesc­häft abgegraben. Also musste ich 2016 die bittere Entscheidu­ng treffen, den Großteil der Filialen in die Planinsolv­enz in Eigenverwa­ltung zu schicken. Ich musste 250 Mitarbeite­r entlassen. Das war heftig.

Trotzdem haben Sie keinen weiteren Burnout erlitten. Warum hat Sie das alles nicht umgehauen?

Bredack: Weil es im positiven Sinne weiterging. Das Geschäft durchlief eine erneute Metamorpho­se: Wir hatten entschiede­n, Produkte unter meiner eigenen Marke „Veganz“zu entwickeln und zu verkaufen. Wir haben 2018 auch das Großhandel­sgeschäft eingestell­t und setzen seitdem nur noch auf Produkte unserer eigenen Marke. Heute findet man 165 unserer Produkte – vom Schoko-Riegel bis zum veganen Schnitzel – fast überall im Lebensmitt­elhandel. Das Geschäft betreiben wir internatio­nal. Wir entwickeln alle Produkte selbst und lassen sie produziere­n.

● Jan Bredack, 47, legte nach Lehrund Gesellenja­hren im Kfz-Handwerk beim Stuttgarte­r Daimler-Konzern die Meisterprü­fung ab. Danach machte er dort Karriere. 2008 folgte nach einem Burnout ein radikaler Lebenswand­el. (sts)

 ?? Foto: Veganz ?? Jan Bredack sagt über sich selbst: „Ich bin ein Überzeugun­gstäter.“So war es, als er früh in der Lkw-Sparte Karriere beim Daimler-Konzern machte. Und so ist es heute in seinem neuen Leben als Unternehme­r für vegane Produkte. Der Manager ist natürlich auch selbst Veganer. Seine Konversion geht auf eine Frau zurück.
Foto: Veganz Jan Bredack sagt über sich selbst: „Ich bin ein Überzeugun­gstäter.“So war es, als er früh in der Lkw-Sparte Karriere beim Daimler-Konzern machte. Und so ist es heute in seinem neuen Leben als Unternehme­r für vegane Produkte. Der Manager ist natürlich auch selbst Veganer. Seine Konversion geht auf eine Frau zurück.

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