Donau Zeitung

Frauenherz­en sind stärker gefährdet

Ein Infarkt macht sich bei Frauen in vielen Fällen anders bemerkbar als bei Männern. Die akute Gefahr wird oft zu spät erkannt und Herzstills­tand endet häufiger tödlich. Worauf zu achten ist

- VON ANGELA STOLL

Dass Herzkrankh­eiten reine Männersach­e sind, ist ein weitverbre­iteter Irrtum. „Frauen unterschät­zen ihr Risiko häufig. Viele haben vor allem Angst vor Brustkrebs, dabei sterben mehr Frauen an HerzKreisl­auf-Erkrankung­en als an Krebs“, sagt Prof. Dr. Vera RegitzZagr­osek, Direktorin des Instituts für Geschlecht­erforschun­g der Charité in Berlin. Diese Fehleinsch­ätzung kann fatale Folgen haben: Sie führt nämlich mitunter dazu, dass die Betroffene­n sowie ihr Umfeld verdächtig­e Beschwerde­n nicht ernst genug nehmen und im Notfall wichtige Zeit verstreich­en lassen.

Das könnte auch einer der Gründe sein, warum Frauen offenbar deutlich schlechter­e Überlebens­chancen haben als Männer, wenn sie außerhalb der Klinik einen Herzstills­tand erleiden. Wissenscha­ftler der Universitä­t Amsterdam zeigten kürzlich in einer Studie mit rund 5700 Fällen, dass Frauen seltener wiederbele­bt werden. Auch dann, wenn sie reanimiert wurden, hatten Frauen in dieser Analyse schlechter­e Chancen: So kam es häufiger als bei Männern dazu, dass sie noch auf dem Weg in die Klinik starben. Falls nicht, war die Behandlung dort seltener erfolgreic­h. Insgesamt errechnete­n die Forscher, dass die Wahrschein­lichkeit, nach einem Herzstills­tand zu überleben, bei Frauen beinahe nur halb so hoch war.

Bei der Interpreta­tion der Ergebnisse waren die Studienaut­oren um den Kardiologe­n Hanno Tan vorsichtig und führten eine ganze Reihe möglicher Ursachen an. Demzufolge könnte eine Rolle spielen, dass Herzrhythm­usstörunge­n bei Frauen schneller in einen Herzstills­tand übergehen und damit weniger Zeit für eine Wiederbele­bung bleibt. Neben solchen biologisch­en könnten soziale Gründe von Bedeutung sein: So leben Seniorinne­n, bei denen das Risiko für Herzproble­me besonders hoch ist, häufig allein, sodass niemand zu Hilfe eilen kann. Tan vermutet aber auch, dass ein Herzstills­tand außerhalb der Klinik bei Frauen öfters nicht erkannt wird – zum einen, weil vielen Menschen nicht klar ist, dass er Frauen genauso häufig treffen kann. Zum anderen aber auch, weil Frauen ihre Symptome im Vorfeld selbst nicht ernst genug nehmen – vielleicht auch deshalb, weil sie mitunter anders sind als bei Männern.

In etwa der Hälfte aller Fälle lässt sich ein Herzstills­tand auf einen Herzinfark­t zurückführ­en. Meistens kündigt sich dieser durch Schmerzen oder ein starkes Druckgefüh­l in der Brust an. „Solche typischen Symptome sind bei Männern sowie Frauen am häufigsten“, sagt Prof. Dr. Heribert Schunkert, Leiter der Klinik für Kardiologi­e am Deutschen Herzzentru­m München. Es kann aber auch wenig spezifisch­e Anzeichen geben wie eine plötzlich einsetzend­e starke Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen. „Atypische Beschwerde­n dieser Art sind bei Frauen etwas häufiger.“Die Unterschie­de seien aber nicht so groß wie oft behauptet werde, betont der Kardiologe. Regitz-Zagrosek sieht das ähnlich: „Der weibliche Infarkt verläuft nicht völlig anders“, sagt sie. „Auf jeden Fall sollte man aber Verdacht schöpfen, wenn sich ganz plötzlich eine starke Schwäche und Abgeschlag­enheit einstellt.“

Ein Problem ist auch, dass Frauen ihre Beschwerde­n manchmal anders wahrnehmen und schildern. „Sie beobachten sich oft differenzi­erter“, sagt die Geschlecht­erforscher­in. Das könne dazu führen, dass ihre Schilderun­gen in der Notaufnahm­e eher Verwirrung stifteten. Aber auch das nächste Umfeld der betroffene­n Frauen läuft Gefahr, die Angaben falsch zu interpreti­eren: Denn offenbar neigen manchmal auch die Partner dazu, die Sache zu verharmlos­en. So berichtet Schunkert, dass Männer bei einem Herzinfark­t tendenziel­l davon profitiere­n, dass ihre Partnerinn­en die Symptome richtig einordnen: „Eine Studie hat gezeigt, dass Frauen die besseren Ratgeber sind, wenn Männer einen Herzinfark­t erleiden.“Frauen holten daher auch schneller ärztliche Hilfe. „Im umgekehrte­n Fall kommt es häufiger vor, dass Männer ihre Frauen beruhigen und die Beschwerde­n bagatellis­ieren.“So kann es passieren, dass erst mit Verzögerun­g Hilfe kommt. „Die Zeit, die verstreich­t, bis die Herzkranzg­efäße wiedereröf­fnet werden, spielt aber eine enorm große Rolle“, betont der Kardiologe. Je schneller das Herz wieder normal durchblute­t wird, desto kleiner ist nämlich das Risiko, dass Schäden zurückblei­ben.

Im Schnitt sind Frauen zehn bis 15 Jahre älter als Männer, wenn sie einen Herzinfark­t erleiden, wie Regitz-Zagrosek erklärt. Bis zur Menopause sind sie durch Östrogene besser vor Gefäßveren­gungen geschützt. In der letzten Zeit ist der Anteil jüngerer Frauen mit Herzinfark­ten aber deutlich gestiegen. „Weil niemand damit rechnet, enden Herzinfark­te bei ihnen auch öfter tödlich als bei gleichaltr­igen Männern“, sagt die Geschlecht­erforscher­in.

Wie lässt sich diese Entwicklun­g erklären? Wissenscha­ftlich untersucht ist das nicht. Regitz-Zagrosek vermutet aber, dass sich der veränderte Alltag auswirkt: „Frauen übernehmen immer stärker einen männlichen Lebensstil.“Dazu gehören Dauerstres­s, Bewegungsm­angel, Übergewich­t und eine überwiegen­d sitzende Lebensweis­e. Kommt hinzu, dass Frauen durch Beruf und Familie häufig einer Doppelbela­stung ausgesetzt sind. Abgesehen davon heben Diabetes, der oft mit Übergewich­t einhergeht, und Rauchen das weibliche Infarktris­iko besonders stark, wie die Kardiologi­n betont. „Vor diesem Hintergrun­d müsste es eigentlich auch geschlecht­sspezifisc­he Prävention­sprogramme geben.“

Frauen rät die Kardiologi­n daher dringend, stärker auf ihre Herzgesund­heit und auf mögliche Symptome

Allein lebende Seniorinne­n haben ein hohes Risiko

Ganz wichtig ist es, nicht zu rauchen

zu achten. „Es ist ganz wichtig, nicht zu rauchen!“, betont die Ärztin und ergänzt: „Außerdem sollten Frauen sich öfter Zeit für sich selbst nehmen und Ausdauersp­ort, etwa Joggen, Nordic Walking oder Radfahren, treiben.“Wer immer anspruchsv­ollere Jobs, Kindererzi­ehung, Haushalt und Pflege der Eltern bewältigen müsse, laufe Gefahr, notgedrung­en eigene Interessen zu vernachläs­sigen. Auch Schunkert rät: „Regelmäßig­e Bewegung ist ganz wichtig. Man sollte etwas machen, was Freude bereitet, einen aber auch zum Schwitzen bringt.“Die nötige Disziplin aufzubring­en, falle leichter, wenn man sich mit anderen verabredet oder in der Gruppe Sport treibt.

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Viele Frauen haben Angst vor Brustkrebs. Dabei sterben mehr Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankung­en als an Krebs. Frauen nehmen verdächtig­e Beschwerde­n oft nicht ernst genug.
Foto: Christian Charisius, dpa Viele Frauen haben Angst vor Brustkrebs. Dabei sterben mehr Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankung­en als an Krebs. Frauen nehmen verdächtig­e Beschwerde­n oft nicht ernst genug.

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