Lohnt sich Tanken in Österreich?
Verkehr Die Spritpreise in Bayern liegen auf einem Rekordhoch. Im Nachbarland sind sie vergleichsweise günstig. Für wen sich die Reise lohnt und ob es bald wieder billiger wird, an die Zapfsäule zu fahren
Augsburg Es gibt Gedanken, die kommen einem Bayern wohl selten bis nie. Der Wunsch, lieber in Frankfurt an der Oder als im Freistaat zu leben, dürfte dazugehören. Doch wenn bayerische Autofahrer in der jüngsten Zeit auf die Spritpreise schauen, könnten sie diesen Einfall haben. Denn im Osten der Republik kostet derzeit ein Liter Diesel 1,31 Euro, der Preis für einen Liter Benzin liegt bei 1,40 Euro. Preise, von denen Autofahrer im Süden und Westen Deutschlands nur träumen können. In Augsburg zahlen Dieselfahrer etwa im Schnitt 1,51 Euro pro Liter (Benzin 1,58 Euro), in Ulm kostet der Liter Diesel 1,52 Euro (Benzin 1,58 Euro), in Ingolstadt zahlen Diesel-Fahrer 1,48 Euro (Benzin 1,56 Euro). Das zeigt eine Auswertung des Internetportals clever-tanken.de. Warum ist Tanken gerade dermaßen teuer?
Zunächst einmal: Schon das ganze Jahr ist kein gutes für Autofahrer, zeigen die Statistiken von clevertanken.de. Etwa seit Ende März steigen die Preise für Sprit an. Damals kostete ein Liter Diesel noch unter 1,20 Euro. In den letzten Wochen war der Anstieg noch steiler. Das liegt nach Aussage des Mineralölwirtschaftsverbandes daran, dass es zu wenig geregnet hat. Die Pegelstände des Rheins seien zu niedrig, sagt Sprecher Alexander von Gersdorff. Die Binnenschiffe, die die Raffinerien verlassen, können nur ein Drittel der Ladung transportieren, erklärt Commerzbank-Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch. Dementsprechend mehr kostet der Transport. „Das lässt die Spritpreise klettern“, sagt von Gersdorff. Der glaubt nicht an die Argumente der Mineralölwirtschaft.
„Der Ölpreis ist derzeit sehr niedrig und das wird nicht an die Autofahrer weitergegeben“, sagt ein Sprecher. Ein Barrel der Sorte Brent kostet derzeit 66 US-Dollar. So wenig wie lange nicht mehr. Und doch ist Tanken teuer. „Aus unserer Sicht ist das Niedrigwasser nur eine Ausrede, um eine höhere Marge zu erzielen“, sagt der ADAC-Sprecher.
Diese Kritik weist der Mineralölverband von sich. „Es ist eine Tatsache, dass die hohen Preise im Süden und Westen vor allem durch Transportkosten bestimmt werden“, sagt von Gersdorff. Auch Steffen Bock, Geschäftsführer des Vergleichsportals clever-tanken.de, sieht es nicht so kritisch: „Es gibt ja Tankstellen mit sehr aggressiver Preispolitik“, sagt er. Hätten diese Anbieter die Möglichkeit, günstiger einzukaufen und Benzin und Diesel billiger zu verkaufen, würden sie es tun, meint er.
Bleibt die Frage: Wie lange soll das noch so weitergehen? Von Gersdorff hat darauf eine relativ einfache Antwort: „Wenn es länger regnet, steigen die Pegel, die Transportkosten sinken und damit auch der Spritpreis“, sagt er. Der Analyst Fritsch ist da nicht ganz so zuversichtlich: Weil die Öl exportierenden Staaten (Opec) die Auswirkungen der IranSanktionen falsch eingeschätzt haben, ist momentan zu viel Öl auf dem Markt, erklärt er. Zum einen, weil der Iran wegen Ausnahmeregelungen mehr exportiert als angenomADAC men, zum anderen, weil die anderen Länder mehr Öl gefördert haben, da sie dachten, aus dem Iran komme wegen der Sanktionen nichts mehr. „Es wird darüber diskutiert, dass die Opec und andere Länder ihre Fördermengen nächstes Jahr vom aktuellen Niveau um 1,4 Millionen Barrel Rohöl am Tag herunterfahren“, sagt Fritsch. Er schätzt: Der Ölpreis wird sich wieder zwischen 70 und 80 Dollar pro Barrel einpendeln. „Momentan können wir eher sagen: Wäre der Ölpreis nicht so niedrig, würde Tanken noch mehr kosten“, sagt er.
An der Grenze zu Österreich herrscht derweil ein reger Tanktourismus. Denn dort sind die Spritpreise zwischen 20 und 30 Cent günstiger – unter anderem, weil das Land nicht auf Lieferungen über den Rhein angewiesen ist, erklärt von Gersdorff. Aber für wen lohnt sich die Tank-Reise ins Nachbarland? Ein Rechenbeispiel: Am Mittwochvormittag kostet der Liter Super in Landsberg 1,55 Euro. In Tirol waren es 1,32 Euro. Ein Autofahrer mit 50-Liter-Tank spart bei einer Tankfüllung in Österreich also 11,50 Euro. Verbraucht sein Auto im Schnitt sieben Liter auf 100 Kilometer, dann könnte er von der Ersparnis neun Liter Benzin tanken, mit denen er 128 Kilometer fahren kann. Das heißt: Wohnt der Autofahrer 64 Kilometer von der österreichischen Tankstelle entfernt, ist die Hin- und Rückreise ein Nullsummenspiel – wenn man nur die Tankkosten berücksichtigt.
Der Landsberger aus dem Beispiel würde draufzahlen, weil es über 70 Kilometer von Landsberg bis Tirol sind. Mit einem DieselAuto lohnt sich die Reise noch weniger. Diesel kostete am Vormittag in Landsberg 1,44 Euro, in Tirol 1,32 Euro. Die Ersparnis beträgt bei einer Tankfüllung also sechs Euro. Damit kommt der Fahrer 64 Kilometer weit. Das heißt, wohnt er mehr als 32 Kilometer von der Grenze weg, zahlt er drauf.
Doch auch jene, die die Reise nicht auf sich nehmen wollen, müssen nicht zwingend zu Rekordpreisen tanken – wenn sie Preise vergleichen, sagt der ADAC-Sprecher. Denn zwischen 15 Uhr und 17 Uhr und dann wieder zwischen 19 und 22 Uhr sind die Spritpreise relativ niedrig, hat der Autofahrer-Klub ermittelt. „Wer klug vergleicht und immer zu der Tankstelle mit den niedrigsten Preisen fährt, kann auch innerhalb eines Orts bis zu zehn Cent sparen“, sagt der Sprecher.