Fake News von Boris Palmer
Medienschelte Satire sollte man den Profis überlassen. Leuten, die sich nicht nur Satiriker nennen, sondern das satirische Handwerk auch beherrschen. Dazu gehört, dass Satire als solche erkennbar sein muss. Wenn Politiker zu „Satirikern“werden, endet das nie gut. Erst recht nicht, wenn – wie geschehen – Rechtspopulisten oder Rechtsextreme in sozialen Netzwerken unter dem Deckmäntelchen der Satire Fake News verbreiten. Österreichs Vizekanzler und Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, schrieb etwa „Satire“über einen Facebook-Post, in dem er Armin Wolf, Moderator des öffentlichrechtlichen ORF, den infamen Vorwurf machte, Wolf und der ORF würden Lügen verbreiten.
Damit zu Boris Palmer (unser Foto). Auch der fühlte sich kürzlich zu einer „Satire“berufen, aus der dann eine Medienschelte wurde. Der Tübinger Oberbürgermeister (man glaubt es kaum: ein Grüner) postete am vergangenen Sonntag, an dem in Bayern Landtagswahl war, eine „Eilmeldung“mit der Überschrift „Merkel und Seehofer stellen Ämter zur Verfügung“. Die erfundene Meldung las sich wie eine echte, als „Quelle“gab er „dpa/BP“an: das Kürzel der Deutschen PresseAgentur und seines. Weder Palmer als Urheber des Posts war klar erkennbar noch, dass dieser satirisch gemeint sein könnte.
Die stellte ihn – überaus ungewöhnlich – richtig: „Wichtiger Hinweis: Dabei handelt es sich selbstverständlich um keine dpa-Meldung!“Später legte dpa-Chefredakteur Sven Gösmann nach: „Jeder blamiert sich eben in einer freien Gesellschaft im Rahmen des Rechts, wie er möchte. Deshalb kommentieren wir normalerweise auch verkrampfte SatireGehversuche von Kommunalpolitikern nicht.“Die Richtigstellung sei leider nötig in Zeiten, „in denen die Glaubwürdigkeit von Medien regelmäßig angezweifelt wird“. Daraufhin legte Palmer nach: Er fühle sich von Gösmann als „Dorfdepp“dargestellt. Redakteure sollten „nicht unnötig moralisieren, personalisieren oder gar herabsetzen“. Hätte die nichts über seinen Beitrag geschrieben, „wäre das besser für die Glaubwürdigkeit der Medien gewesen“.
Hätte Palmer auf seine Posts verzichtet, wäre das besser für seine Glaubwürdigkeit gewesen, finde ich. Politiker tragen eine gewisse Verantwortung. Das finden auch Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann (Grüne) und die Landesvorsitzenden der SüdwestGrünen. Kretschmann sagte, Ironie in der Politik, das gehe „immer schlecht“. „Palmer ist halt der Palmer und macht halt so Sachen.“Wenn er es nicht einsehe, sei er selber schuld.
Palmer sieht es nicht ein, und Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt durfte sich freuen, dass Palmer im „Leser-Chat“für Klicks sorgte. In dem verbrämte der Politiker seine „Satire“als „modernen Appell, den Kopf einzuschalten“.