Baden Württemberg sucht einen Weg in die Auto Zukunft
Um Dreck und Staus zu reduzieren, arbeiten Regierung, Industrie und Gewerkschaften an einem Plan
Stuttgart Freudig bewegen sich der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) und sein CDU-Vize Thomas Strobl durch die Schaustücke der automobilen Zukunft. Hier ein E-Porsche mit dicken Reifen, dort ein Mercedes. Gemeinsam nehmen die beiden Politiker Platz in einem Audi, der gar kein Lenkrad mehr hat. Schöne Bilder. Sie bilden den Rahmen für den „Strategiedialog“der grün-schwarzen Regierung mit der Autobranche. Nach wochenlangem Streit in seiner Koalition um Fahrverbote für alte und nicht so alte Diesel in Stuttgart hofft Kretschmann auf positive Schlagzeilen: „Wir müssen mal ein Stück weg von der Diskussion um die Altlasten und über die Zukunft reden.“
Vor gut einem Jahr hat Kretschmann seinen Strategiedialog gestartet. „Wir haben strukturiert, Schwerpunkte festgelegt und rund 20 Millionen Euro investiert“, zieht er eine Zwischenbilanz. Man habe bisher also mehr in der Werkstatt geschraubt. „Jetzt bringen wir die PS auf die Straße“, kündigt er nach dem knapp zweistündigen Gipfel mit den Konzernlenkern an. Eines der konkreten Projekte des Landes ist das flächendeckende Netz von Ladesäulen für E-Autos bis Ende 2019. Alle zehn Kilometer sollen Elektroautos Strom tanken können. Aber eigentlich geht es um die großen Themen, das autonome Fahren, die Elektrifizierung und Digitalisierung der Mobilität. Neu ist Kretschmanns Bekenntnis, dass die neue Mobilität „auch sexy ist“.
Die Konzernchefs loben das Engagement der Politik. „Eine gute, konstruktive Veranstaltung“sei das, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Porsche-Chef Oliver Blume weist darauf hin, dass die Sportwagenschmiede in fünf Jahren sechs Milliarden Euro in die E-Mobilität investiere und 1000 Arbeitsplätze schaffe. Dass gleichzeitig über die Nachrichtenticker die Meldung läuft, das Kraftbundesamt werde weitere Porsche-Modelle zurückrufen, ist da weniger schön. Volkmar Denner, Chef des Zulieferers Bosch, wirbt dafür, die Entwicklung nicht auf Elektroautos zu verengen: „Wir müssen uns alle Pfade offenhalten.“Es gebe neue Kraftstoffe, mit denen auch Verbrennungsmotoren mit null Emissionen betrieben werden können. Das Bild runden BadenWürttembergs IG Metall-Chef Roman Zitzelsberger und die BUNDLandesvorsitzende Brigitte Dahlbender ab. Zitzelsberger fordert eine Batteriefabrik in Deutschland. Dahlbender geht es in Kretschmanns Strategie zu viel ums Auto. Für sie gehören zur Mobilität der Zukunft mehr öffentliche Verkehrsangebote, mehr Fahrräder und Fußgänger.
Nicht alle sind glücklich über Kretschmanns Schulterschluss mit den Autokonzernen. Umweltaktivisten starten zeitgleich zum Gipfel mehrere Aktionen. Vor der Regierungszentrale enthüllt die Initiative „Verkehrswende jetzt“eine Büste des Regierungschefs mit preußischem Dreispitz. Ein Sinnbild seines Pflichtbewusstseins gegenüber der Autoindustrie. „Kretschmann liebt Porsche mehr als seine Bürger“, kritisiert der Aktivist Peter Grottian. Greenpeace-Anhänger klettern sogar am Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs hoch, an dessen Spitze sich der Mercedes-Stern dreht. „Sauber werden“steht auf dem Banner, das sie unter den Augen eines großen Polizeiaufgebots anbringen.
Auf sieben Jahre hat Kretschmann den Strategiedialog angelegt. Als am Nachmittag die Fotografen und die Chefs längst die Messehalle verlassen haben, geht in den Arbeitskreisen der Experten die Sacharbeit weiter. EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux hat das Motto formuliert: „Wir machen noch nicht alles richtig. Aber wir lernen schnell.“