„Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat“
Heimatminister Horst Seehofer erklärt sich versehentlich zum Erfinder des Heimatmuseums. Anlass also, ein solches zu besuchen
Lauingen Alte, gerahmte Bilder hängen an den Wänden, über den Holzdielen liegen bunte Teppiche, wie man sie allenfalls von den Großeltern kennt, im Regal stehen verzierte Keramikteller und Bierkrüge – Zimmerdekoration gewordene Nostalgie. „Ein Heimatmuseum muss behaglich konzipiert sein, sodass man auch darin wohnen könnte“, sagt Bernhard Ehrhart, Leiter des Heimathauses. Museumsgründer Seitz habe zum Beispiel gerne auf den historischen Stühlen gesessen, um gemütlich Pfeife zu rauchen. Ja, es geht heimelig zu im Heimathaus.
Viel wird diskutiert über den Begriff „Heimat“. Und erstmals hat Deutschland einen Bundesminister, der sich des Themas annehmen soll. „Ich hab’ das Heimatmuseum, äh, das Heimatministerium in Bayern gegründet“, korrigierte sich Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz im März. Ein komischer Versprecher und zugleich Anlass, sich dem Begriff im Museum zu nähern.
Was also findet sich im Lauinger Heimathaus? Im Erdgeschoss stehen beleuchtete Pult-Vitrinen. Sie sind nach Zeitalter beschriftet: Bronzezeit, Jungsteinzeit, Nacheiszeit. „Was hier liegt, ist alles original“, sagt Bernhard Ehrhart. Neben den Steinwerkzeugen und Speerspitzen sind kleine Schilder aus Papier. Darauf stehen die Fundorte: Schabringen, Sonderheim, Gundelfingen, natürlich auch Lauingen. „Ein Museum interessiert sich ja vor allem für Dinge, die lokal bedeutend sind.“
Fragt man nach dem wichtigsten Exponat, deutet Bernhard Ehrhart auf einen großen, weißen Steinblock, verziert mit einer undeutlichen Inschrift: Der Weihestein des Apollo-Grannus-Tempel in Faimingen. „Der stand früher im Rathaus. Damit konnte man beweisen, dass wir genauso alt sind wie Augsburg. Darauf war man stolz.“
Die Selbstvergewisserung über Herkunft und Vergangenheit der Stadt habe ihren Bürgern häufig Trost gespendet. „Und die Identität als Römerstadt war da ein wichtiger Bezugspunkt.“
Eine Treppe führt hoch in den ersten Stock. Die Dielen knarren unter den Füßen, es riecht nach Kalk und altem Holz. Im Bereich „Stadtgeschichte“hängt das finanziell wertvollste Stück: „Lager Kaiser Karl V. vor Lauingen 1546“, eine farbenprächtige Malerei voller kleiner Figuren, die reiten, Schwerter präsentieren und Zelte errichten. Wir sind angekommen in der Zeit
Absperrungen gibt es nicht. Das soll die Ausstellung nahbarer machen
von Reformation, Gegenreformation und Dreißigjährigem Krieg. „An den Ausstellungsstücken kann man feststellen, wie sich der Landkreis über die Jahrhunderte verändert hat und wo seine Wurzeln liegen.“Das habe auch Einfluss darauf, wie wir heute leben. Verklärt wird die Vergangenheit aber nicht, es wird gesammelt, gepflegt und konserviert. Das bezieht sich nicht nur auf die Ausstellungsstücke, sondern auch auf das Museum an sich. „Viele dieser Heimathäuser haben in den sechziger Jahren eröffnet – auch hier in Lauingen. Und ein bisschen so wirkt es auch noch.“Lampen, Teppiche und Holzvertäfelungen wurden selten ausgetauscht, das Konzept ebenso wenig verändert wie sein Name: „Der Heimatbegriff war damals schon programmatisch und nicht so aktuell, aber er fasst den Inhalt des Museums am besten zusammen.“Eine Umbenennung in beispielsweise „Städtische Sammlung“ Ehrhart deshalb für unnötig. „Man wechselt ja den Titel eines Buches auch nicht einfach aus.“
Im nächsten Raum stehen die Teller, Krüge und Trachten. Es ist der folkloristische Teil des Museums. „Das lässt sich nicht von der Geschichte trennen.“An der weißen Wand ist der Abdruck eines Rahmens zu erkennen, das entsprechende Bild wurde geklaut. Vor keinem der Ausstellungsgegenstände sind Glasscheiben oder Absperrungen. „Die Gelassenheit, was Sicherheit angeht, schätzen die Leute. Das macht die Ausstellung nahbarer.“Und der Raum bewahre so seine Wohnlichkeit und den heimeligen Charme.
Wie sieht es jetzt aber gesellschaftlich aus, brauchen wir so etwas wie ein Heimatministerium? Nein, meint Bernhard Ehrhart. „Wichtig ist doch, dass es den Menhält schen gut geht. Was ein Heimatministerium da ändern soll, ist mir nicht ganz klar.“Witzelnd schiebt er hinterher, dass der neue Minister aber gerne etwas Geld für das Heimathaus fließen lasse könne. Nein, die Politik solle sich um die Menschen kümmern, ihnen Perspektiven geben, und dann stelle sich auch das Heimatgefühl ein. „Ubi bene, ibi patria.“Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat.