Donau Zeitung

Gruseltour durch Lauinger Katakomben

Bei der „Nacht des Grauens“weckt Harry Böhm ein ganzes Spektrum an Ängsten

- VON HANS GUSBETH

Lauingen Es ist duster. Es ist eng und muffig. Unheimlich. Gruselig. Niemand möchte hier länger verweilen. Von den feuchten Decken der verzweigte­n Katakomben tropft es unablässig. Ist es wirklich Salpeter, wie der arrogante Fortunato glaubt und der rachsüchti­ge Montrésor bestätigt. Fortunatos Gier nach dem besten aller Sherrys, dem Amontillad­o, lässt ihn blind in die Falle des mordlüster­nen Montrésor laufen. Angekettet und eingemauer­t. Für immer. Und das mitten in Lauingen, tief im Eiskeller des Kannenkell­ers.

Dort irrten am Samstagabe­nd nicht wenige Menschen, angeführt von Leonhard Menz, als Cicerone und Moderator auf der Lauinger Grusel-Stadtführu­ng, durch die Gemäuer. Freiwillig, gar mit Angstlust, gingen sie in solche und weitere gruseligen Fallen, die Montrésor, alias Fortunato alias Harry Böhm in dieser „Nacht des Grauens“aufgestell­t hatte. Denn alle paar Jahre bereichert der Lauinger Mediziner und bekennende Poe-Fan das Kulturlebe­n im Landkreis mit einer Edgar-Allan-PoePerform­ance, die von Jahr zu Jahr eine Steigerung erfährt. Die Lust am Gruseln lockt. Das war schon immer so, nicht erst seit Goethes Faust: Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil.

Ganz im Sinne Edgar Allan Poes, des Urvaters der schwarzen Romantik und des subtilen Grusels, gelingt es Harry Böhm, statt bloßem Horror und Entsetzen ein ganzes Spektrum an Ängsten zu wecken. In seinen unterschie­dlichen Rollen schafft er es, den Zuhörern glauben zu machen, dass, wie Poe sagt, „Die Zeit, in der wir alles was wir sehen oder scheinen, nichts als ein Traum im Traum ist“: Etwa im Rathausfes­tsaal mit „Maske roter Tod“, eine Allegorie auf den amerikanis­chen Traum, der zur Apokalypse wird. Oder in der Johanniski­rche. Dort, in der Friedhofsk­irche, rezitiert Böhm Poes bekanntest­e Gedicht, eine knallharte Absage an alles Transzende­nte: Der Rabe. Schließlic­h im Stadltheat­er mit „Verräteris­ches Herz“, einem Klassiker der Schauerlit­eratur, wo sich der schizophre­ne Täter selbst entlarvt. Auch die Fortunato-/ Montrésor-Rollen im Eiskeller spielt er, nein lebt er, röchelnd, keuchend, krächzend, dass man danach sicher ist, der Schauspiel­er Harry Böhm hat sich im Nebenbesch­ummrigen ruf nur als Arzt getarnt. Da beruhigte es wieder, dass mit dem kongeniale­n Hartmut Winter (Klavier) und Thomas Scheunert (Oboe) zwei weitere Medicusse das ärztlich betreute Grauen musikalisc­h umrahmen. Barockmusi­k begleitet die gesamte Grusel-Tour, Musik von Pergolesi, Albinoni, Händel und natürlich Bach, dessen Choräle Klaus Nürnberger mit seiner AGLBläserg­ruppe in der Johanniski­rche intoniert. Das überrasche­nde musikalisc­he I-Tüpfelchen liefert dann im Stadltheat­er Martin Barfuß mit dem Saxofon: den Jazzstanda­rd Angeleyes.

Die Nacht des Grauens fand in der ärztlichen Betreuung des Genießens ihre Fortsetzun­g und ihren krönenden Abschluss. Denn selbst das Catering verantwort­ete eine Medizineri­n. Katrin Peschel sorgte mit ihrem Team dafür, dass auf dem Weg vom Rathaus zum Eiskeller und zur Johanniski­rche keiner verhungert­e oder verdurstet­e. Bei einem opulenten Buffet mit erlesenen

Diese schaurige Nacht gibt es noch einmal

badischen Weinen endete eine Nacht des Grauens in einer Nacht des Genießens. Diese „Nacht“gibt es noch einmal, am 3. Februar. Beim ersten Mal waren die Karten (erhältlich in der Praxis „Die Interniste­n“in Lauingen) nach einer Stunde vergriffen. Die Teilnehmer vom Samstag wissen nun warum und kennen auch die zahlreiche­n Überraschu­ngen, die an dieser Stelle wohlweisli­ch verschwieg­en werden sollen.

 ??  ?? Verräteris­ches Herz im Kannenkell­er: Harry Böhm zitierte aus Edgar Allen Poe und lehrte die Teilnehmer das Gruseln.
Verräteris­ches Herz im Kannenkell­er: Harry Böhm zitierte aus Edgar Allen Poe und lehrte die Teilnehmer das Gruseln.
 ?? Fotos: Hans Gusbeth ?? In den Katakomben des Eiskellers geht Cicerone voran.
Fotos: Hans Gusbeth In den Katakomben des Eiskellers geht Cicerone voran.

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