Der benieste Mensch
Wahrscheinlich sind Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in diesen Wintertagen schon einmal kräftig angeniest worden. Dabei hat sie ein explosiver Zeitgenosse mit seinen Mikroorganismen bestäubt. Und nun fürchten Sie, dass auch Sie selbst als angestecktes Opfer demnächst der Menschheit entgegenniesen werden.
In dieser Situation hilft ein Blick in die Fachliteratur. Dort wird erklärt, dass kraftvolles Niesen keineswegs ein Merkmal mangelnder Zivilisiertheit ist. Im Gegenteil, die Forschung hat herausgefunden, dass der starke Niesreiz ein intaktes Gehirn voraussetzt.
Dieses Wissen versetzt uns in die Lage, sogar als beniester Mensch freundliche Empfindungen zu bewahren. Wer den Orkan Friederike heil überstanden hat, wird auch nicht umfallen, wenn er einem Luftstrom mit Geschwindigkeiten bis zu 160 Stundenkilometern aus der Nase seines Nächsten ausgesetzt wird. Und dankbar kann der Benieste registrieren, dass sich der niesende Mitmensch beim Erzeugen des Luftstroms die Nase nicht zugehalten hat. Das wäre, so lehrt die Volksmedizin, allzu gefährlich gewesen.
Nach dem Donnerschlag ruft man nicht mehr „Gesundheit!“, sondern gratuliert dem Nieser zur natürlichen Selbstreinigung seines Körpers. Literaturfreunde können den „Hatschi!“-Rufer zur Fortsetzung seiner Nieskultur mit einem Klopstock-Zitat ermuntern. Es stammt aus der Ode „Die Wiederkehr“und lautet: „Niese nur fort; ich versteh dich: du niesest mir fröhlichen Beyfall.“