Donau Zeitung

Bierernste Wahrheiten kommen saukomisch daher

Philipp Weber präsentier­te in Pfaffenhof­en seinen Einfallsre­ichtum rund um das Thema Trinkgewoh­nheiten

- VON GERHARD SAUTER

Pfaffenhof­en Die knapp 100 eingefleis­chten Brettl-Fans klopften sich im Gasthaus Straub über zwei Stunden lang lachend, feixend und kreischend auf die Schenkel. Die Kleinkunst­bühne Lauterbach hatte bereits zum zweiten Mal nach Anfang 2016 den Kabarettis­ten Philipp Weber – einen bekennende­n Odenwälder – ins urige Gasthaus geladen, das er bereits nach fünf Minuten mit seinem aktuellen Programm „Durst – Warten auf Merlot“in ein Tollhaus verwandelt­e.

Der schnell sprechende Dauerquass­ler feuerte im Sekundenta­kt scharfsinn­ig, witzig und humorvoll garnierte Pointen über das Trinkverha­lten der Deutschen raus. So trieb er dem Publikum die Lachtränen in die Augen und präsentier­te gleichzeit­ig tiefgründi­g recherchie­rte und obendrein bittere Wahrheiten, angereiche­rt durch das hintergrün­dige Faktenwiss­en eines studierten Chemikers.

So würde das tonnenweis­e angebotene Billigbier in unseren Discounter­n weite Bevölkerun­gskreise nicht nur zum arglosen Umgang mit der Volksdroge Nummer eins anstiften, sondern auch die negativen Begleiters­cheinungen einer auswuchern­den Globalisie­rung unterstütz­en. Denn eigentlich sollte das Motto doch lauten: „Mehr regional und saisonal.“So wie früher das in seiner Heimat bekannte, aber leider vom Markt verschwund­ene „EtzelBier“: „Dunkel, schwer und erdig – eben schwer zu genießen wie der Odenwälder selbst.“

Damit war der Bann gebrochen für ein Mitmach-Kabarett, das die Protagonis­ten – Hannes und Anne in der ersten Reihe – sowohl mit gewollten als auch ungefragte­n Einwürfen und Wortspiele­n über ihre eigenen Trinkgewoh­nheiten leidenscha­ftlich befeuerten. Die urkomische, tragische Figur des Onkel Rudi gab dazu philosophi­sch angereiche­rte Wahrheiten entweder aus der Erinnerung oder aus dem Jenseits zum Besten, um von den Schattense­iten einer ausufernde­n Trinkkultu­r auch jenseits der Alkoholika abzulenken. So seien zunehmende Schlafstör­ungen weder mit Brennnesse­l-, Kamillen- oder Hopfenblüt­entee noch mit „atoxischen“Smoothies, die bereits beim Schlucken würgten, erfolgreic­h zu bekämpfen. Folter sei auch der bei der Lufthansa angebotene Tomatensaf­t oder der von „Teufel Hildegard von Bingen“eingeführt­e Zwiebelsud. Ganz zu schweigen vom Sauerkraut­saft, der als Heilmittel zur körperlich­en Entschlack­ung propagiert werde, bei ihm selbst aber eher das Gefühl von Buße samt körperlich­er Kasteiung hervorrufe und deshalb „brauner Blitz“heißen müsste. Das gute alte Bier sei das einzig wahre Hausmittel: „Acht Halbe“würden den Tagesbedar­f an Vitamin B 12 decken. So könne man sich den Apfel sparen.

Sorge macht dem Kabarettis­ten deshalb nicht nur das „Koma-Saufen“von Jugendlich­en, was in 25 000 Alkoholver­giftungen pro Jahr gipfelt; sondern auch die 27 000 Rentner, die jährlich aufgrund derselben Diagnose aus dem Leben scheiden würden.

Doch auch nicht-alkoholisc­he Mixgetränk­e kommen bei Weber nicht gut weg: Viele würden eigentlich nur deshalb so gut schmecken, weil genügend Zucker darin enthalten sei. Aber Hauptsache, dieser komme aus kontrollie­rtem Anbau, dann sei dieser Missbrauch gerechtfer­tigt. Philipp Weber hält zur allgemeine­n Verblüffun­g der Zuschauer dagegen, dass auch Opium aus kontrollie­rtem Anbau käme.

Zu guter Letzt stellte Philipp Weber augenzwink­ernd klar, dass Alkohol nichts anderes sei als Psychophar­maka, das zu vermindert­er Gehirnakti­vität und damit zur Entspannun­g führe, was schließlic­h jeden von uns glücklich mache. Denn wie bemerkte schon sein an Alkoholmis­sbrauch verstorben­er Onkel Rudi, der sich den gesamten Abend wie ein roter Faden durch ein wahnsinnig vielseitig­es und dennoch kurzweilig­es Kabarettpr­ogramm zog: „Betrunken sein heißt eloquent zu sein, ohne es auszusprec­hen.“Nach tosendem Applaus, zwei eingeforde­rten Zugaben und zahlreich signierten Büchern mischte sich der bodenständ­ig und authentisc­h wirkende Künstler noch unters Volk, um bei einer „erdigen Halbe“mit allen Besuchern weiterhin „glücklich“zu sein.

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Foto: Gerhard Sauter Philipp Weber trat in Pfaffenhof­en auf.

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