Airbus fliegt auf Kanada
Europäischer Hersteller sichert sich Mehrheit an wichtiger Flugzeug-Serie von Bombardier. Warum das die US-Konkurrenz derart wütend macht
Augsburg Zwei Männer stehen vor zwei Flugzeugen auf einem Rollfeld in Toulouse. Beide lächeln ausgiebig, als wäre eine Zentnerlast von ihren Schultern abgefallen. Beide tragen zum Anzug keine Krawatte. Beide haben ihr Haupthaar eingebüßt. So glänzen ihre Schädel in der südfranzösischen Sonne. Wie Zwillinge wirken die Manager auf dem von Airbus im Internet ausgestrahlten Video. Der eine, Thomas Enders, Chef des Airbus-Konzerns, wirkt noch glücklicher als der andere, Bombardier-Boss Alain Bellemare. Der 58-jährige Deutsche ist ein Stück größer als sein kanadischer Kollege mit der rauchigen Stimme.
Während des Interviews umfasst Enders mit seiner linken Hand die Schulter des 56-jährigen Bombardier-Lenkers. Dabei zieht er vor lauter Freude seinen Kollegen ein kleines Stück zu sich her. Die Szene soll sich später noch einmal wiederholen. Als die Herren schließlich den Ort wechseln und unter einem Flugzeug stehen, tätschelt nun Bellemare die Schulter des Deutschen. Auch wenn es in der Luftfahrtindustrie emotionaler und lockerer als etwa im Maschinenbau zugeht, sind das doch ungewöhnliche Bilder.
Es ist aber auch ein ungewöhnlicher Tag. Denn was vor zwei, drei Jahren noch nicht klappte, ist Wirklichkeit geworden: Der große europäische Flugzeughersteller Airbus – also der mächtigste Konkurrent des US-Konzerns Boeing – und der kleinere kanadische Rivale Bombardier schließen eine Allianz. Und die hat es in sich: Denn die Europäer übernehmen mit 50,01 Prozent knapp die Mehrheit an der interessanten C-Flugzeugserie der Kanadier. Diese Maschinen bieten Platz für 100 bis 150 Fluggäste. Die bisher kleinste Airbus-Reihe – also Flieger aus der stark nachgefragten A320-Familie – fasst 150 bis 240 Passagiere. Dank des Bombardier-Deals rundet Airbus seine Produktpalette nun nach unten ab – und das, ohne mit hohem Kostenaufwand selbst ein neues Flugzeug entwickeln zu müssen. So geht ein lang gehegter Traum der Europäer in Erfüllung.
Nun haben Spekulationen ein Ende, Airbus würde irgendwann selbst einen Mini-Airbus bauen. Dieser kommt jetzt aus Kanada. Enders und Bellemare glauben, dass der Markt für solche Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge stark wächst. Insgesamt würden über die nächsten 20 Jahre wohl rund 6000 der Flugzeuge nachgefragt. Hauptkonkurrent für das Duo Airbus/Bombardier ist in dieser Klasse der brasilianische Embraer-Konzern, ein leistungsfähiges Unternehmen. Wie bei den größeren zivilen Flugzeugen zwischen Airbus und Boeing bahnt sich auch bei den kleineren ein harter Zweikampf an. Wichtige Baugruppen der Bombardier-C-Serie kommen aus China. Ein Airbus-Sprecher sagte dazu gestern unserer Zeitung, dass es geplant sei, Maschinen der C-Serie für den US-Markt auch in Amerika zusammenzubauen. Der Fachbegriff dafür heißt Endmontage. Airbus verfügt bereits über eine solche Produktionslinie in Alabama, also im Süden der USA. Von dort aus kann der amerikanische Markt bedient werden. Dabei kann Airbus damit punkten, dass die Flieger aus US-Produktion stammen.
Mit der gleichen Strategie soll nun auch der Markt für BombardierFlugzeuge in den USA größer werden. Der Deal mit Airbus kommt damit zur rechten Zeit. Denn die US-Regierung hat zumindest vorläufig angeordnet, Strafzölle von bis zu 300 Prozent auf Flieger aus der C-Serie zu verhängen. Damit will die Trump-Administration Boeing einen Gefallen tun, schließlich erhebt das US-Unternehmen schwere Vorwürfe gegen Bombardier: Der kanadische Produzent könne seine Flugzeuge so billig anbieten, weil er im Heimatland mit Subventionen verhätschelt werde. Entsprechend aggressiv reagierten Boeing-Verantwortliche auf den Airbus-Bombardier-Coup. Hier täten sich zwei Subventionsempfänger zusammen.
Auf alle Fälle sind die Kanadier auf finanzielle Hilfe zur Weiterentwicklung der C-Serie angewiesen. Der Konzern (Flugzeuge, Eisenbahnen) schreibt rote Zahlen. Ein gesunder und finanzstarker Partner wie Airbus ist willkommen. Dabei bleibt das Hauptquartier für die C-Serie in Kanada. Gleiches gilt für die wichtigste Produktionsstätte.
Enders jedenfalls, der durch einen Korruptionsskandal im eigenen Haus unter Druck steht, lächelt mit dem Bombardier-Chef um die Wette. Verzückt zeigt der Deutsche auf die hinter ihnen stehenden Flugzeuge, einen kleinen Airbus und eine Maschine der C-Serie: „Sind sie nicht wie Zwillinge? Der größere Bruder und die kleinere Schwester.“Airbus ist natürlich der Bruder.