Sind Medien schuld am AfD-Erfolg? Das meinen Sie
Medienschelte?! Christian Stöcker von Spiegel Online reihte in seiner am Tag der Bundestagswahl veröffentlichten Kolumne Zitat an Zitat – von AfD-Politikern. Er begann mit Alexander Gauland, der sagte, „wir“hätten „das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Und er schloss mit der dringenden Bitte, „nicht die AfD zu wählen“. Es gebe andere Möglichkeiten, seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.
Ein Nutzer schrieb: Ihn beunruhige, dass ein Journalist offen Wahlempfehlungen gebe. „Für mich ist das eher ein Grund, die AfD aus reinem Trotz zu wählen.“Womit wir bei jenen Fragen sind, die ich Ihnen, liebe Leser(-innen), gestellt habe:
1. Wie sollten Medien mit der AfD umgehen?
2. Wurde der Rechtsruck herbeigetalkt? Haben ARD und ZDF die AfD mit ihrer Berichterstattung erst groß gemacht?
Diese Fragen beschäftigen Sie offenbar sehr, danke für Ihre Mails! Hier einige Auszüge:
● „Es gibt sicherlich keine Alleinverantwortung der Medien für den Erfolg der Rechtspopulisten. Allerdings haben die Medien auch bereitwillig jede Provokation wiedergegeben und damit auch Partei (die AfD,
die Red.) und Personen in den Vordergrund gerückt.“
● „Vielleicht kommt die „Medienschelte“auch daher, dass sich die Medien jeglicher Kritik verweigern bzw. aufkommende Kritik, auch wenn sie bewiesen ist, sofort unterdrückt wird.“
● Die Berichterstattung über die „AfD in den Programmen ARD und
ZDF ist m.E. der Berichtspflicht geschuldet. Die sogenannten etablierten Parteien sind es doch selbst, die permanent ihre „Sorge“wegen jener Partei in die Öffentlichkeit tragen. Das erzeugt bei uns „Normalos“Neugier.“
● „Es ist wichtig und richtig, dass die Medien über die aktuellen Ereignisse, Probleme usw. umfangreich informieren. Wenn die regierenden Parteien, vor allem deren Repräsentanten, sich der Sorgen und Nöte des Volkes annehmen würden, kämen nicht solche Wahlergebnisse...heraus.“
● „Wenn man die Talks verfolgt hat – so musste man feststellen, dass im Beisein der AfD ständig nur das Thema Flüchtlinge und Integration befeuert wurde . ... Die AfD wurde nie zu ihrem politischem Zukunftsprogramm wie Rente, Sozialabsicherung usw. befragt. Diese Themen hätten die Herrschaften vorgeführt und nicht unterstützt...Ich finde auch in Ordnung, dass auch wir an der Presse mal Kritik üben sollten – da wo sie angebracht ist. Die Presse sollte auch nicht Kritik mit Schuldzuweisung verwechseln. Selbstkritik wäre auch bei der Presse angebracht.“Ich habe viele weitere Mails erhalten, die ich nach und nach hier auszugsweise veröffentlichen werde. Vielleicht interessiert Sie ja auch meine Meinung? Meine Antworten auf die Fragen, in aller Kürze: 1. Medien/Journalisten sollten so gründlich wie nur möglich recherchieren; faktengetreu berichten, was sie anhand journalistischer Kriterien für berichtenswert erachten; Zusammenhänge offenlegen und erklären; streng zwischen Bericht und Kommentar trennen; ihre Arbeitsweise transparenter machen; empfänglich für (Selbst-)Kritik sein. Eine journalistische Sonderbehandlung darf es für die AfD nicht geben.
2. Die öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshows sind in der Tat problematisch in ihrem Themen- und Gäste-Einerlei. Und dem wiederkehrenden Versagen der Moderatoren, ihre Gäste sachlich zu stellen – sie in einen Dialog zu zwingen, der sich durch Argumente auszeichnet und nicht in (populistischem) Wortgeklimper erschöpft.
Den Polit-Talks eine Verantwortung für den „Rechtsruck“zu geben, ist aber zu einfach gedacht und polemisch. Es verkennt deren tatsächliche Wirkmächtigkeit und deren Aufgabe. Keine Talkshow, kein Journalist hat einen Politiker oder eine Partei groß oder klein zu machen. Sie/Er muss dessen/deren Positionen herausarbeiten, hinterfragen, zur Diskussion stellen.
Insgesamt betrachtet berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor der Bundestagswahl breit über Parteien und Themen. Das ist sein Auftrag. Nicht zu berichten – etwa über die AfD – ist für Journalisten keine Option, nicht nur, weil sie sich dann dem Vorwurf aussetzen würden, Dinge verschweigen zu wollen.
Es kommt darauf an, wie berichtet wird. Ein Beispiel: Wenn Gauland als Gesicht einer Fast-13-Prozent-Partei ankündigt, „Frau Merkel jagen“zu wollen, lässt sich das als programmatische Aussage verstehen. Nun muss man nicht über jedes Stöckchen springen, wie es so schön heißt, und damit das Spiel der Populisten, Nationalisten, Geschichtsrevisionisten, Rassisten mitspielen. Gaulands Ansage muss kein Aufmacher, keine Schlagzeile sein. Sie kann klein(er) registriert werden. Vor allem aber sollte sie Anlass dazu sein, künftig ganz konkret über die Arbeit und die Politik der AfD im Bundestag zu berichten.