Es stirbt ein Stück Tradition
Für jemanden, der in einer großen Stadt wohnt, in der man am Abend ohne Tischreservierung sich gar nicht die Mühe machen muss, vom Sofa aufzustehen, ist das Problem Wirtshaussterben wahrscheinlich wenig greifbar. Die unzähligen Sushi-Bars, Pizzerien, Steakhäuser und indischen Restaurants sind immer gut besucht. Ganz anders aber sieht es oft auf dem Land aus. Dort, wo immer mehr klassische Wirtshäuser dicht machen.
Die Statistiker sprechen von einem Rückgang von 44 Prozent zwischen 1980 und 2011. Das ist dramatisch. Natürlich zu allererst für die Wirte, denen die Lebensgrundlage wegbricht. Tragisch ist das Wirtshaussterben aber auch aus kultureller Sicht. Denn die Wirtschaften sind ein Stück bayerische Tradition. Sie haben jahrzehntelang das Sozialleben in den Dörfern beeinflusst, waren Treffpunkte zum Essen, Ratschen, Streiten. Und weil es in vielen kleinen Dörfern auch oft keine Supermärkte, Bäcker oder Metzgereien mehr gibt, wo sich die Bewohner treffen könnten, verlieren immer mehr Gemeinden im Freistaat ein Stück Lebensqualität.
Viele Wirtshäuser haben es allerdings auch versäumt, zu investieren, zu modernisieren, sich ein Stück weit neu zu erfinden, ohne die eigenen Traditionen zu verleugnen. Gerade weil viele Menschen wieder mehr Wert auf Regionalität legen, hätten viele Landgasthöfe die besten Voraussetzungen, diesen Trend für sich zu nutzen und dabei die Speisekarte und das Interieur ein bisschen zu entstauben, um auch junge Leute anzuziehen. Das muss man sich natürlich erst einmal leisten können. Und Sinn macht so eine teure Zukunftsinvestition auch nur dann, wenn sich ein Nachfolger findet, der das Wirtshaus weiterführen möchte. Oft ist das leider anders. Und das Heimatgefühl verschwindet immer mehr.