Große Chance für viele Mitarbeiter von Air Berlin
Sanierer Kebekus macht 80 Prozent der Beschäftigten Mut
Berlin/Frankfurt Das Pfeifen der Flugbegleiter ist nicht zu überhören. Sie, die eigentlich auf Freundlichkeit gedrillt sind, stehen mit Trillerpfeifen vor einem Hotelfenster in Berlin und stören. Denn hinter dem Fenster sitzt Frank Kebekus, der oberste Sanierer der insolventen Air Berlin. Er verkündet: „Trotz der einen oder anderen Reibung fliegen wir immer noch!“
Kebekus’ Botschaft: Es gibt gute Kaufinteressenten für Air Berlin und sie könnten 80 Prozent der Beschäftigten übernehmen. Doch der Poker um Air Berlin ist riskant: Die Zeit drängt, das Geld ist knapp, nichts darf mehr dazwischenkommen – weshalb Kebekus an diesem Nachmittag auch noch eine Warnung aussprechen wird.
Zunächst aber dies: Lufthansa und Easyjet sollen die zweitgrößte deutsche Airline unter sich aufteilen. Lufthansa will den größten Teil – insgesamt 93 der 144 Flugzeuge – übernehmen, darunter die begehrte Touristiktochter Niki. Easyjet bietet auf 27 bis 30 Jets.
Bis zum 12. Oktober sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein – für „die bestmögliche Lösung“. So nennt es Thomas Winkelmann, der Vorstandschef. Er erinnert daran, dass keines der Flugzeuge Air Berlin gehört – sie sind geleast. Aber mit ihrem Betrieb übernehmen die Käufer Zeitfenster für Starts und Landerechte an den Flughäfen. Diese Slots sind der eigentliche Schatz der Air Berlin.
Nach Einschätzung des Ökonomen Tomaso Duso vom DIW-Institut in Berlin geht es den Investoren allein um die Slots. Die Flugrechte wären für Lufthansa-Konkurrenten die Chance, in großem Stil in den innerdeutschen Luftverkehrsmarkt einzutreten – weshalb der Marktführer zuschlage.
Deshalb ist es nur scheinbar eine Überraschung, dass Lufthansa auch die Air-Berlin-Tochter Luftfahrtgesellschaft Walter will. Sie fliegt 20 kleinere Propellermaschinen, die Lufthansa selbst vor Jahren aus Kostengründen aus dem eigenen Angebot genommen hatte.
Die Dortmunder Gesellschaft ist aber nicht insolvent und verfügt über ein deutsches „Luftverkehrsbetreiberzeugnis“(AOC). Nach Auffassung der Lufthansa-Juristen benötigt man ein derartiges Vehikel, um sich die Start- und Landerechte zu sichern.
Es deutet sich damit an, dass die Lufthansa sämtliche von ihr zu übernehmenden Flugzeuge organisatorisch in der Niki und der LG Walter zusammenfassen und samt Verkehrsrechten übernehmen will. Die Beschäftigten der nicht insolventen Gesellschaften LG Walter und Niki würden übernommen, während für die zusätzlichen Maschinen aus der Air-Berlin-Kernflotte neue Crews bei der LufthansaBilligtochter Eurowings eingestellt werden müssten. Bei der bereits auf Hochtouren laufenden Rekrutierung werden Air-Berlin-Beschäftigte bevorzugt.
Der insolventen Air Berlin wie den Käufern läuft die Zeit davon, weil der vom Bund verbürgte KfWKredit über 150 Millionen Euro nur noch bis Ende Oktober/Anfang November reicht und die Fluggastzahlen wegen der Unsicherheiten eingebrochen sind. Gebucht wird vor allem noch von einem Tag auf den anderen, wie Winkelmann bekennt. Für das Jahresende oder gar 2018 sieht es demnach mau aus.
Erst nach dem 12. Oktober können die Prüfungen der nationalen wie der europäischen Kartellbehörden beginnen. Und die Warnungen vor einem Lufthansa-Monopol auf vielen Strecken sind nicht zu überhören. Die Chance auf mehr Wettbewerb werde offensichtlich verspielt, meint Ökonom Duso – auf Kosten der Verbraucher, die von höheren Preisen und geringerer Qualität ausgehen müssten.
Der frühere Lufthanseat Winkelmann schlägt solche Warnungen am Montag in den Wind. Ein Vertragsabschluss noch vor Weihnachten gilt wegen der Kartellprüfungen aber als sportlich ambitioniert. Damit Air Berlin auch von November an noch fliegen kann, soll Lufthansa Zuschüsse von bis zu 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben. Denn bei einem „Grounding“, der Zwangslandung aller Maschinen, wären die heiß begehrten Start- und Landerechte verloren.