Schreiben ist ein Abenteuer
Initiative In Wertingen freut sich eine Gruppe von Menschen an den Möglichkeiten der eigenen Handschrift
Wertingen Verliert im digitalen Zeitalter die analoge Handschrift zunehmend an Bedeutung? Sind Briefe und handgeschriebene Nachrichten an Freunde und Familie durch elektronische Nachrichten zu ersetzen oder entsteht etwa durch die veränderten Gewohnheiten eine Lücke? Damit beschäftigen sich die Organisatoren der „Ersten Langen Nacht des Schreibens“. Die bundesweite Initiative „Schreiben“setzt sich für die Förderung des Kulturguts „Handschrift“ein. In zahlreichen Städten Deutschlands und der Schweiz fanden am vergangenen Donnerstag dazu thematisch gestaltete Aktionen statt. Mit einem Kalligrafieabend beteiligte sich auch die Wertinger Buchhandlung Gerblinger an der überregionalen Aktion.
„Immer seltener wird mit der Hand geschrieben, die Übung geht verloren“, beobachtet Christine Gerblinger und sieht darin die Ursache für die zunehmende Veränderung von Schriftbildern. Das Schriftbild mit einem Füllfederhalter unterscheide sich deutlich von den Schriftzügen, die mit einem Kugelschreiber verfasst werden, stellt die Schreibwarenhändlerin auf einer Veranstaltung zur „Ersten Langen Nacht des Schreibens“klar. „Handlettering“heißt somit ein neuer Trend, der Handgeschriebenes wieder betont. Dazu gibt es auf dem Markt allerlei Literatur und speziel- le Schreibgeräte zu erwerben. Gerblinger sieht in der Pflege der eigenen Handschrift einen wertvollen kulturellen Beitrag. Sie beruft sich dabei auch auf Untersuchungen von Gehirnforschern, die eine positive Beziehung von Handschrift und Intelligenzentwicklung belegen. „Mit der Hand schreiben macht gescheit“, betont die Buchhändlerin. „Handgeschriebene Zeilen sind unverwechselbar und ein persönlicher Ausdruck“, ergänzt Hedwig Mayer. Christine Gerblinger und ihre Kolleginnen hatten auf einer Fortbildung des Schreibwarenhändlerverbandes Kalligrafietechniken erlernt und geben ihr Wissen an interessierte Besucher weiter.
Zahlreich sind die Freunde schöner Handschrift zur Veranstaltung gekommen – auf der Suche nach Inspiration. Handwerkliches Gestalten verbindet sich bei der Kalligrafie mit besonderen Schreibtechniken. Tusche, Tinte, Wasser, Holzstäbchen und spezielle Papiere liegen auf den Tischen bereit für ein Experiment mit der eigenen Handschrift.
Zur Anregung finden die Besucher eine Liste mit Sprüchen und Gedichten, die sie nach festgelegten Schreibmustern zu Papier bringen. Für Birgit Steininger ist eine persönlich gestaltete Geschenkkarte oder ein Lesezeichen ein Wortgeschenk. Viel Zeit, Ruhe und große Behutsamkeit erfordert das Erlebnis rund um Tinte, Papier und Handschrift. In entspannter Atmosphäre arbeiten die Teilnehmer konzentriert an ihren Handschriften. „Huddeln geht da gar nicht“, erkennt Tanja Häusler. Mit einem Holzstäbchen grundiert sie als ersten Arbeitsschritt ihre Karte nach der vorgegebenen Technik. Verschiedene Effekte entstehen durch Drehen des Papiers und das Spiel mit der unterschiedlichen Farbenstärke. Schritt für Schritt entstehen Worte und Sätze. „Um Wunder zu erleben, muss man an sie glauben“, schreibt eine Besucherin nieder. „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, zeichnet Birgit Steininger auf ihre Karte. Die Wertingerin hat eine Vorliebe für Gedichte und Zitate, sieht sie doch in Briefen und Karten ein besonderes Geschenk.
Eine noch junge Teilnehmerin findet besonderen Gefallen an Heikos, den kurzen japanischen Sprüchen, die sie mittels der Technik dekorativ zu Papier bringt. Die Karten will sie an Klassenkameraden verschenken. Marucosu Luciana aus Lauingen ist von der neuen Schreibtechnik begeistert. Sie schätzt an der Kalligrafie das deutliche Schriftbild. Das sei besonders für ältere Menschen besser erkennbar und leichter zu lesen.
„In Zukunft schreibe ich nach diesen Buchstaben“, sagt die Altenpflegerin. Sabrina Reitsam aus Wertingen stimmt ihr zu und erkennt: „Das geordnete Schriftbild kann auch mir beruflich nutzen.“