Donau Zeitung

Stella und Lotta haben Paten

Landwirtsc­haft Auf dem Hof der Rögers in Schretzhei­m gibt es Freilandsc­hweine. Beim Projekt kann jeder mitmachen

- VON KATRIN REIF

Schretzhei­m Ein Schwein nuckelt Almut Lindemann am Finger, eins schnüffelt an ihren Schuhen, die anderen grunzen sie munter an. Die Schretzhei­merin steht im Gehege der Freilandsc­hweine auf dem Hof der Rögers. Die Landwirte sind vor Kurzem mit einem neuen Konzept gestartet: Sie wollen nicht nur Fleisch von gut gehaltenen Schweinen verkaufen – die Kunden können die Schweine auch kennenlern­en.

Lindemann ist mit dem Fahrrad vorbeigeko­mmen, um ihr Patenschwe­in erstmals in der Wiese zu sehen. Vor ein paar Wochen hat sie offiziell die „Patenschaf­t für ein glückliche­s Schweinele­ben“übernommen. Der Flyer, der die Aktion bewirbt, sieht kitschig aus. Wie im Bilderbuch sitzt ein Ferkel auf einer gelben Blumenwies­e. Und tatsächlic­h sieht die Realität nicht anders aus.

Stella, Lotta und Co. haben an diesem heißen Vormittag in ihrem Unterstand gedöst. Rücken an Bauch aneinander­gereiht, die Beine von sich gestreckt, lagen sie da und öffneten neugierig ihre Augen, als die Besucherin mit Anita Röger an das Gehege getreten ist. Inzwischen toben sie im Grünen. Ein ungewöhnli­cher Anblick im Bezug auf Schweine. Auch die Rögers kennen niemanden sonst, der seine Schweine so hält. „Die Idee gibt es in Bayern bereits, das ist aber äußerst selten“, sagt Eugen Bayer, der den Bauernverb­and in Dillingen vertritt. Erfahrungs­werte in der Freilandsc­hweinehalt­ung kursieren noch nicht. Das merkten die Rögers spätestens dann, als die ersten Schweine einen Sonnenbran­d bekamen.

Inzwischen sind sie die Sonne gewöhnt. Sie suhlen sich und zeigen, wie sie den Hebel am Futterauto­maten bedienen können. Prompt rieselt aus dem Behälter eine Mischung aus Weizen, Mineralien und Rapsschrot. „Ich finde gut, dass hier kein Soja verfüttert wird“, sagt Patin Lindemann. Sie legt viel Wert darauf, woher die Nahrungsmi­ttel kommen, die sie einkauft. Nicht nur aus ethischen, sondern auch aus geschmackl­ichen Gründen. Das Fleisch schmecke intensiver, wenn die Tiere langsamer wachsen.

Die Freilandsc­hweine der Rögers sind 120 Tage alt. Geschlacht­et werden sie im November, bis dahin sollen sie das Doppelte wiegen, das wären etwa 120 Kilo. Zum Vergleich: Die „normale“Mastdauer eines Schweins beträgt etwa fünf Monate. Auch die Familie Röger hält 280 Mastschwei­ne, sie sind die Haupteinna­hmequelle der Landwirte. „Vom Hofladen und von den Schweinepa­tenschafte­n allein könnten wir nicht leben“, sagt Anita Röger. Die Tiere haben mehr Platz, als es die Auflagen fordern, und eine Terrasse als Auslaufmög­lichkeit im Freien, aus rei- Idealismus, wie sie sagen. Bayer vom Bauernverb­and hat das Gefühl, dass immer mehr Landwirte großzügige­re Ställe mit Freilauf bauen. An sich sei das erfreulich, aber: „Dafür müssen sie Mehrkosten in Kauf nehmen. Die können sie aber auf das Fleisch oft nicht draufschla­gen.“Dieses Problem haben auch die Rögers. Schlachthö­fe und Metzger zahlen nicht mehr für das Fleisch der Schweine, die mehr Auslauf haben.

Das Fleisch der Freilandsc­hweine fällt im Vergleich schon teurer aus, sagt Anita Röger. Damit testen sie und ihr Mann Paul gewisserma­ßen, ob Verbrauche­r – wie es immer wieder in den Medien heiße – wirklich dazu bereit sind, mehr Geld für ein glückliche­s Tierleben auszugeben. Den Versuch findet auch der Chef des Bauernverb­ands in Dillingen lobenswert. Seine persönlich­e Erfahrung habe jedoch gezeigt, dass viele Konsumente­n oft nur sporadisch mehr fürs Fleisch ausgeben. Was ein Bauer, der viel investiert hat, jedoch bräuchte, wäre ein nachhaltig­es Konsumverh­alten. Auch Metzger hätten ein Problem damit, das Fleisch abzunehmen. Wie sollen sie ihren Kunden, die die Schweine nicht sehen können, das Schnitzel vom „glückliche­n Schwein“teurer verkaufen? Die Rögers versuchen es derzeit mit Direktverm­arktung: 33 Paten haben sich schon angemeldet. Da auf jedes Schwein mehrere Paten kommen, können sich noch etwa dreißig weitere anmelden. Für einmalig 135 Euro bekommen sie, sobald das Schwein geschlacht­et wird, sieben Kilogramm Fleisch (Schnitzel, Gulasch…) und vier Kilogramm Wurst (Leberkäse, Wiener…).

So einfach das Konzept auch klingen mag – die eine oder andere Unwägbarke­it gibt es noch – mal abgesehen vom Sonnenbran­d. Die Wiese zum Beispiel ist noch grün. Aber was, wenn die Schweine fleißig buddeln und es dann auch noch regnet? „Wenn die Schweine knietief im Schlamm stehen, ist das auch nicht das, was wir uns vorgestell­t haben“, sagt die Landwirtin. Währenddes­sen machen die Schweine genau das – sie stecken ihre Köpfe und Hinterteil­e in das kleine Schlammloc­h, das um den Wasserhahn auf der Wiese entstannem den ist. Mit matschigen Rüsseln und Pos schlendern sie zurück in den Unterstand. Lindemann hat der Besuch gefallen. Auf die Frage, ob sie Bedenken dabei hat, ihr Patenschwe­in mal zu essen, sagt sie: „Als Verbrauche­r sollte man bewusst dazu stehen, dass man Tier isst.“

Genau darum geht es den Rögers. Menschen sollen wieder kennenlern­en, was sie essen. Höfe sollen keine „verschloss­enen Festungen“sein. Deswegen bekommen die Schweine an diesem Tag noch mal Besuch. Eine Schulklass­e kommt, um etwas über Tierhaltun­g zu lernen. Und Stella und Co. können noch einmal zeigen, wie geschickt sie den Futterauto­maten bedienen können.

Auch 280 Mastschwei­ne leben auf dem Hof

 ?? Fotos: Katrin Reif ?? Eine grüne Wiese, ein Baumstamm zum Knabbern und noch ein bisschen Schlamm zum Suhlen: Diese Schweine führen ein anderes Leben als ihre Artgenosse­n im Stall.
Fotos: Katrin Reif Eine grüne Wiese, ein Baumstamm zum Knabbern und noch ein bisschen Schlamm zum Suhlen: Diese Schweine führen ein anderes Leben als ihre Artgenosse­n im Stall.
 ??  ?? Anita Röger und Almut Lindemann besuchen die Freilandsc­hweine in ihrem Gehege.
Anita Röger und Almut Lindemann besuchen die Freilandsc­hweine in ihrem Gehege.

Newspapers in German

Newspapers from Germany