Stella und Lotta haben Paten
Landwirtschaft Auf dem Hof der Rögers in Schretzheim gibt es Freilandschweine. Beim Projekt kann jeder mitmachen
Schretzheim Ein Schwein nuckelt Almut Lindemann am Finger, eins schnüffelt an ihren Schuhen, die anderen grunzen sie munter an. Die Schretzheimerin steht im Gehege der Freilandschweine auf dem Hof der Rögers. Die Landwirte sind vor Kurzem mit einem neuen Konzept gestartet: Sie wollen nicht nur Fleisch von gut gehaltenen Schweinen verkaufen – die Kunden können die Schweine auch kennenlernen.
Lindemann ist mit dem Fahrrad vorbeigekommen, um ihr Patenschwein erstmals in der Wiese zu sehen. Vor ein paar Wochen hat sie offiziell die „Patenschaft für ein glückliches Schweineleben“übernommen. Der Flyer, der die Aktion bewirbt, sieht kitschig aus. Wie im Bilderbuch sitzt ein Ferkel auf einer gelben Blumenwiese. Und tatsächlich sieht die Realität nicht anders aus.
Stella, Lotta und Co. haben an diesem heißen Vormittag in ihrem Unterstand gedöst. Rücken an Bauch aneinandergereiht, die Beine von sich gestreckt, lagen sie da und öffneten neugierig ihre Augen, als die Besucherin mit Anita Röger an das Gehege getreten ist. Inzwischen toben sie im Grünen. Ein ungewöhnlicher Anblick im Bezug auf Schweine. Auch die Rögers kennen niemanden sonst, der seine Schweine so hält. „Die Idee gibt es in Bayern bereits, das ist aber äußerst selten“, sagt Eugen Bayer, der den Bauernverband in Dillingen vertritt. Erfahrungswerte in der Freilandschweinehaltung kursieren noch nicht. Das merkten die Rögers spätestens dann, als die ersten Schweine einen Sonnenbrand bekamen.
Inzwischen sind sie die Sonne gewöhnt. Sie suhlen sich und zeigen, wie sie den Hebel am Futterautomaten bedienen können. Prompt rieselt aus dem Behälter eine Mischung aus Weizen, Mineralien und Rapsschrot. „Ich finde gut, dass hier kein Soja verfüttert wird“, sagt Patin Lindemann. Sie legt viel Wert darauf, woher die Nahrungsmittel kommen, die sie einkauft. Nicht nur aus ethischen, sondern auch aus geschmacklichen Gründen. Das Fleisch schmecke intensiver, wenn die Tiere langsamer wachsen.
Die Freilandschweine der Rögers sind 120 Tage alt. Geschlachtet werden sie im November, bis dahin sollen sie das Doppelte wiegen, das wären etwa 120 Kilo. Zum Vergleich: Die „normale“Mastdauer eines Schweins beträgt etwa fünf Monate. Auch die Familie Röger hält 280 Mastschweine, sie sind die Haupteinnahmequelle der Landwirte. „Vom Hofladen und von den Schweinepatenschaften allein könnten wir nicht leben“, sagt Anita Röger. Die Tiere haben mehr Platz, als es die Auflagen fordern, und eine Terrasse als Auslaufmöglichkeit im Freien, aus rei- Idealismus, wie sie sagen. Bayer vom Bauernverband hat das Gefühl, dass immer mehr Landwirte großzügigere Ställe mit Freilauf bauen. An sich sei das erfreulich, aber: „Dafür müssen sie Mehrkosten in Kauf nehmen. Die können sie aber auf das Fleisch oft nicht draufschlagen.“Dieses Problem haben auch die Rögers. Schlachthöfe und Metzger zahlen nicht mehr für das Fleisch der Schweine, die mehr Auslauf haben.
Das Fleisch der Freilandschweine fällt im Vergleich schon teurer aus, sagt Anita Röger. Damit testen sie und ihr Mann Paul gewissermaßen, ob Verbraucher – wie es immer wieder in den Medien heiße – wirklich dazu bereit sind, mehr Geld für ein glückliches Tierleben auszugeben. Den Versuch findet auch der Chef des Bauernverbands in Dillingen lobenswert. Seine persönliche Erfahrung habe jedoch gezeigt, dass viele Konsumenten oft nur sporadisch mehr fürs Fleisch ausgeben. Was ein Bauer, der viel investiert hat, jedoch bräuchte, wäre ein nachhaltiges Konsumverhalten. Auch Metzger hätten ein Problem damit, das Fleisch abzunehmen. Wie sollen sie ihren Kunden, die die Schweine nicht sehen können, das Schnitzel vom „glücklichen Schwein“teurer verkaufen? Die Rögers versuchen es derzeit mit Direktvermarktung: 33 Paten haben sich schon angemeldet. Da auf jedes Schwein mehrere Paten kommen, können sich noch etwa dreißig weitere anmelden. Für einmalig 135 Euro bekommen sie, sobald das Schwein geschlachtet wird, sieben Kilogramm Fleisch (Schnitzel, Gulasch…) und vier Kilogramm Wurst (Leberkäse, Wiener…).
So einfach das Konzept auch klingen mag – die eine oder andere Unwägbarkeit gibt es noch – mal abgesehen vom Sonnenbrand. Die Wiese zum Beispiel ist noch grün. Aber was, wenn die Schweine fleißig buddeln und es dann auch noch regnet? „Wenn die Schweine knietief im Schlamm stehen, ist das auch nicht das, was wir uns vorgestellt haben“, sagt die Landwirtin. Währenddessen machen die Schweine genau das – sie stecken ihre Köpfe und Hinterteile in das kleine Schlammloch, das um den Wasserhahn auf der Wiese entstannem den ist. Mit matschigen Rüsseln und Pos schlendern sie zurück in den Unterstand. Lindemann hat der Besuch gefallen. Auf die Frage, ob sie Bedenken dabei hat, ihr Patenschwein mal zu essen, sagt sie: „Als Verbraucher sollte man bewusst dazu stehen, dass man Tier isst.“
Genau darum geht es den Rögers. Menschen sollen wieder kennenlernen, was sie essen. Höfe sollen keine „verschlossenen Festungen“sein. Deswegen bekommen die Schweine an diesem Tag noch mal Besuch. Eine Schulklasse kommt, um etwas über Tierhaltung zu lernen. Und Stella und Co. können noch einmal zeigen, wie geschickt sie den Futterautomaten bedienen können.
Auch 280 Mastschweine leben auf dem Hof