Gewalt in Brasilien eskaliert
Demonstranten zünden Ministerien an
Brasilia Bei Protesten gegen Brasiliens Präsidenten Michel Temer haben aufgebrachte Demonstranten das Agrarministerium angezündet und weitere Ministerien angegriffen und verwüstet. Schwarze Rauchwolken standen über dem Regierungsviertel in Brasilia, es entstand großer Sachschaden. Nach Angaben der Polizei hatten sich 35000 Menschen dort versammelt. Mehrere Ministerien wurden evakuiert. Die Polizei setzte Tränengas ein.
Der unter Korruptionsverdacht stehende Temer schickte zudem 1500 Soldaten. Verteidigungsminister Raul Jungmann sagte am Mittwochabend, der Präsident habe den Militäreinsatz angeordnet, um die Regierungsgebäude zu schützen. Als das in einer laufenden Kongresssitzung bekannt wurde, kam es zu tumultartigen Szenen und Handgreiflichkeiten. Die linke Arbeiterpartei warf Temer eine Eskalation vor. Das Militär-Dekret gilt vorerst für eine Woche. 49 Menschen wurden nach Behördenangaben bei den Ausschreitungen verletzt und acht festgenommen.
Die Proteste in Brasilia waren die heftigsten seit langem. Überall gab es kleine Feuer, viele Scheiben in Ministerien gingen zu Bruch. In der von dem Architekten Oscar Niemeyer geplanten Hauptstadt sind alle Ministerien und der Kongress rund um eine große Fläche, die Esplanada dos Ministérios, angeordnet.
Die Lage wird für den Präsidenten immer ernster
Hier versammelten sich die Menschen und skandierten „Temer raus“. Aufgerufen zu den Protesten hatten Gewerkschaften und soziale Bewegungen.
Temer hatte 2016 die des Amtes enthobene linke Präsidentin Dilma Rousseff abgelöst – er hatte sich als ihr Vizepräsident mit der Opposition verbündet und so die notwendige Mehrheit für die Absetzung erreicht. Doch nun steht er selber zunehmend unter Druck, lehnt einen Rücktritt trotz sich häufender entsprechender Forderungen aber ab. Doch immer mehr Brasilianer verlangen, die Präsidentschaftswahl vorzuziehen.
In einem heimlich mitgeschnittenen Gespräch soll er Schweigegeldzahlungen an den inhaftierten ExParlamentspräsidenten Eduardo Cunha zugestimmt haben. Cunha, wie Temer Mitglied der rechtskonservativen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB), soll über umfassendes Wissen zu den Beteiligten in der Korruptionsaffäre um den Petrobras-Ölkonzern verfügen. Neben der Billigung von Schweigegeldzahlungen soll Temer laut Unterlagen der Generalstaatsanwaltschaft in seiner Zeit als Vizepräsident Bestechungsgelder in Millionenhöhe angenommen haben. Cunha gilt als Drahtzieher der Amtsenthebung von Temers Vorgängerin Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) vor einem Jahr. (dpa, afp)