Warum beide Kirchen die Reformation feiern können
Dr. Johannes Friedrich, ehemals evangelisch-lutherischer Landesbischof Bayerns, sprach in Dillingen über die größten Herausforderungen der Kirchen
Dillingen Im Vorfeld des Lutherjahrs 2017 war immer wieder gefragt worden, wie es angemessen zu begehen sei: als fröhliche Feier der 500 Jahre bestehenden evangelischen Kirche oder eher als ein Gedenken mit Trauer über die eingetretene Kirchentrennung?
Mit dieser Fragestellung stieg der vormalige evangelisch-lutherische Landesbischof Bayerns, der hochengagierte und erfahrene Ökumeniker Dr. Johannes Friedrich, in seinen Vortrag über Reform und Reformation ein, zu dem der Katholische Akademikerkreis zusammen mit der evangelischen Katharinengemeinde jüngst in den Dillinger Stadtsaal eingeladen hatte.
Der Referent wandte sich dann aber schnell den Herausforderungen an die beiden Kirchen zu, in größtmöglicher Gemeinsamkeit in die Gesellschaft hineinzuwirken, was sie beispielsweise bei der Diskussion über die Präimplantation oder der sonntäglichen Ladenöffnung erfolgreich getan haben.
Vor allem aber dürften sich die Kirchen aufgrund ihrer Sendung in die Welt durch ihren Herrn gar nicht heraushalten aus den öffentlichen Diskursen. Vielmehr hätten sie kritisch zu prüfen, was innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft als Wert angesehen und politisch für richtig gehalten wird. Konkret geschehe das durch das entschiedene gemeinsame christliche Ja zum Leben in seinen Grenzbereichen, also bei der Problematik des Schwangerschaftsabbruchs und des Sterbens in Würde.
Auch in der Friedens- und Sozial- ethik wie bei der Schöpfungsverantwortung komme es darauf an, dass die Kirchen vernehmbar mit einer Stimme sprächen. Das könnten sie auch, wo immer sie von ihren übereinstimmenden Prämissen ausge- hend zu denselben Schlussfolgerungen gelangten. Gemeinsames Auftreten nach außen setze natürlich eine positive Kultur des Gesprächs miteinander voraus. Dr. Friedrich benannte als Bedingungen dafür drei „Vs“: Verständnis, Verlässlichkeit, Vertrauen. Verstehen wollen, warum der andere so denkt, reagiert und handelt, wie er es tut; es nicht von vornherein an dem messen, was innerhalb der eigenen Kategorien richtig ist; es nicht um der eigenen Profilierung willen misstrauisch verdächtigen.
Gemäß diesen Regeln habe er, der Bischof selbst, gemerkt: die katholische Zurückhaltung gegenüber ökumenischen Sonntagsgottesdiensten geht nicht auf eine Verweigerungshaltung, sondern auf die Hochschätzung der Eucharistie zurück. Umgekehrt hätte Josef Ratzinger anno 2000 mit etwas Verständnis für die Evangelischen formulieren können, dass deren Kirchen nicht so (!) Kirchen sind, wie es dem römisch-katholischen Begriff entspricht. Das hätte den Eindruck gar nicht erst aufkommen lassen, er spreche ihnen das Kirche-Sein überhaupt ab.
Auf die Eingangsfrage zurückkommend, betonte der Bischof: die katholische Kirche ist heute ganz anders als zu Luthers Zeiten; Die Bibel hat in ihr den gebührenden Platz gefunden; der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade stimmt sie zu. Sie ist also, angestoßen durch Luther, ebenfalls durch eine Reformation gegangen. Zu gemeinsamer Feier besteht demnach aller Grund; Trauer und Buße wegen der zerbrochenen Einheit darf darüber freilich nicht vergessen werden.
Mit langem Applaus dankte das erfreulich große Publikum Bischof Friedrich, der durch seine intellektuell redliche Glaubensfestigkeit, Offenheit und hoffnungsvolle Gesinnung tief beeindruckte, für sein beredtes ökumenisches Zeugnis.