Star Wars besiegt den Tod
Film Im neuen Ableger der Sternensaga kehrt ein Schauspieler zurück, der vor über 20 Jahren gestorben ist. Ein Meilenstein der Computeranimation. Was kommt da jetzt noch auf uns zu?
Es war einmal in einer weit entfernten Galaxis… „Star Wars“mag die erfolgreichste Reihe und wertvollste Marke der Kinogeschichte sein und beigetragen haben, dass Disney jetzt mit über sieben Milliarden Dollar den höchsten Jahresumsatz eines Filmstudios aller Zeiten vermeldet hat. Der neueste Coup in der Sternensaga aber weist auch darüber weit hinaus. Denn mit deren erstem Ableger „Rogue One“ist nun nicht nur für die Kinobranche eine Tür offen in eine Zukunft, die schon sehr nah sein könnte in dieser unserer Galaxis… Eine Zeit, in der die Toten auferstehen.
All die staunenswerten Raumschiffe und aberwitzigen Außerirdischen, die traumhaften Planetenlandschaften und schwindelerregenden Laserschlachten, sie verblassen in „Rogue One“im Vergleich zu diesem einen Spezialeffekt. Es ist ein – Mensch. Er heißt Peter Cushing, spielte im ersten aller „Star Wars“-Filme 1977 den Großmuff Wilhuff Tarkin, die rechte Hand des dunklen Lords Darth Vader. Und nun, fast 40 Jahre später, tritt eben dieser Tarkin wieder auf, sieht ganz genauso aus wie damals. Aber vor allem: Der Herr über den Todesstern lebt, spielt eine tragende Nebenrolle – obwohl der Schauspieler Peter Cushing im Jahr 1994 gestorben ist.
Auch wenn die Auferstehung noch nicht zu hundert Prozent überzeugt, die Bewegungen (etwa des Mundes beim Sprechen) nicht ganz perfekt sind und vor allem der Körper, die Haut und die Augen im Vergleich zu den echten Menschen transparenter, weniger stofflich wirken – dieser Tarkin ist ein Meilenstein, ein Triumph des sogenannten CGI: Computer Generated Imagery, rein digital erzeugter Bildwelten. Für die hier übrigens trotz des Verkaufs der Marke immer noch „Star Wars“- Vater George Lucas mit seiner Firma Industrial Light and Magic verantwortlich zeichnet.
Was tat sein Spezialistenteam, freilich mit Genehmigung der Familie von Peter Cushing? Es verwertete das Filmmaterial aus den Lebzeiten des Schauspielers, um daraus eine Art dreidimensionale Charaktermatrize mit so vielen Bewegungsabläufen wie möglich zu schaffen. Die Szenen im Film hat zunächst ein Körper-Double gespielt, das dem Original äußerlich schon möglichst nahe kommen sollte (hier Guy Henry), um so die mächtige Detailarbeit an der Übertragung der Matrize überschaubar zu halten. Bei Cushing wurde zudem frühere Schrulle zum Problem. Er hasste die typischen Reitstiefel der Imperiums-Offiziere und setzte gegen Lucas 1977 durch, dass er in Slippern spielen durfte. Deshalb ist er im Film von damals nie ganz zu sehen, die Beine sind verdeckt. So mussten die Bastler 2016 Material aus all den anderen Dracula-, Frankensteinund Geschichtsfilmen verwenden, in denen Cushing gespielt hat, um ein Bewegungsprofil für den ganzen Körper zu erstellen.
Nur ein Jahr, nachdem das neue „Dschungelbuch“gezeigt hat, wie die ganze Natur aus dem Computer entstehen kann, erscheint nun das bislang größte Problem eindrucksvoll gelöst: die digitale Schöpfung des Menschen. Ist er doch dem Menschen am schwersten glaubwürdig zu vermitteln. Nicht nur für die Filmbranche ein Traum, seit 1937 die Superblondine Jean Harlow kurz vor Drehschluss starb – und der Film notdürftig mit einem Double, nur aus der Ferne und von hinten sichtbar, zu Ende gebracht werden konnte. Und während Brandon Lee, dem Hauptdarsteller des Kultstreifens „The Crow“, 1993 nach seinem Tod am Set noch so viel Leben wie möglich aus dem Restmaterial des Drehs abgerungen wurde, baute man 1999 den ebenfalls verstorbenen Oliver Reed als Heldenmentor in „Gladiator“bereits am Computer nach.
Seitdem ist aus der Notlösung eine Möglichkeit geworden, immer plausibler dank stetig steigender Computerleistungen. So sind für die Werbung bereits Marylin Monroe, Grace Kelly und Marlene Dietrich auferstanden. So konnte dieses Jahr Robert Downey jr. in „Captain America“als er selbst in jugendlich auftreten, so war im vorigen Jahr Carrie Fisher in der „Star Wars“- Episode VII als die junge Prinzessin Leia von einst zu sehen. Die Digitalisierung sprengt die Grenzen des Lebens, von Alter und Tod, weil es den Menschen nur noch als Datenbasis braucht zur zeitlosen Speicherung.
Hinzugekommen nun die neueste Entwicklung der Firma Adobe, die dank einer Software die Originalstimme eines Menschen alles Beliebige sagen lassen kann, sobald man nur über 20 Minuten Datengrundlage verfügt: Die Träume der Fans sprießen in den Himmel, weil die größten Stars nun tatsächlich uneine sterblich wirken. Kommt bald ein neuer Western mit John Wayne? Gibt es ein Wiedersehen mit der traumschönen Audrey Hepburn von „Frühstück bei Tiffany“? Endlich einen vierten James-Dean-Film? Noch einmal Charlie Chaplins Tramp? Cary Grant? Oder Sean Connery in alter Topform als der nächste und ewig beste James Bond?
Und was sollte daran verwerflich sein, sofern die Familien zustimmen? Dass für lebende Schauspieler Rollen fehlen? Als Ersatz für Peter Cushing hätte sich Ralph Fiennes wunderbar angeboten, meinen CGIKritiker. Noch wesentlicher aber: Dem Film ginge künftig mit dem lebendigen Menschen etwas verloren, eine darstellerische Kraft, eine nie zu programmierende Originalität, ein Rest Bühne. Und damit das, was Natalie Portman vermisste, als sie die „Star Wars“-Filme in der Rolle als Padme zwar weltberühmt machten, sie ihr Spiel in den leeren, erst von Computeranimationen zu füllenden Green Rooms selbst erbärmlich fand. Aber je mehr sich die Kinowelt ohnehin in ein Universum der effektvollen Fantasy-Abenteuer verwandelt, desto unwichtiger wird das. Wir können dort alles Mögliche erleben, bloß nichts Echtes mehr.
Sean Connery könnte topfit ewig der James Bond sein